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Unfallgefahr

Sicherheitsrisiko E-Scooter: Immer mehr Verkehrsverstöße in Karlsruhe

Das Risiko, sich bei der Fahrt mit dem Elektro-Scooter schwer zu verletzen, ist womöglich höher als bisher angenommen. Wild abgestellte Roller sind nach wie vor ein gefährliches Hindernis. Was Stadt und Verleiher dagegen tun wollen.

Abgestellte Scooter blockieren oftmals Fussgaenger- oder Radwege wie hier am Zirkel in Karlsruhe
Kreuz und quer: Wie hier am Zirkel liegen an vielen Stellen in Karlsruhe die Leihroller auf Gehwegen. Sie werden schnell zur Stolperfalle. Foto: Peter Sandbiller

Elektroroller sind mittlerweile fester Bestandteil des Karlsruher Straßenbildes. Doch auch gut drei Jahre nach dem Start der ersten Verleiher sind wild abgestellte Scooter noch immer ein Ärgernis – und mitunter ein gefährliches Hindernis. Und die Polizei warnt: Sorglose Scooter-Fahrer bringen sich auf den bis zu 20 Stundenkilometer schnellen Fahrzeugen zunehmend in Gefahr.

Bereits im vergangenen Jahr hatte sich die Zahl der Unfälle mit „Elektrokleinstfahrzeugen“, wie es die Polizei etwas umständlich nennt, im Vergleich zum Jahr zuvor landesweit mehr als verdoppelt.

Auch für 2022 zeichnet sich ein neuer Höchststand ab: Laut Innenministerium kamen im ersten Halbjahr 359 Menschen bei Unfällen mit Elektro-Scootern zu Schaden. In Singen im Landkreis Konstanz kam sogar ein E-Scooter-Fahrer ums Leben, als er beim Überqueren der Straße von einem Auto erfasst wurde.

Zahl der E-Scooter-Unfälle in Karlsruhe nimmt zu

Ganz so dramatisch ist die Entwicklung im Stadtkreis Karlsruhe zwar nicht, gleichwohl registriert man auch hier tendenziell eine zunehmende Zahl an Unfällen. Im ersten Halbjahr 2022 wurden demnach 15 Unfälle mit Verletzten aktenkundig, darunter zwei mit Schwerverletzten. Das entspricht etwa dem Niveau des gesamten Jahres 2020.

2021 verzeichnete die Karlsruher Polizei im Vergleich zum Vorjahr mehr als doppelt so viele Unfälle mit Personenschäden – nämlich 33. Darunter waren fünf Unfälle mit Schwerverletzten.

Ein wenig relativiert wird der vermeintlich starke Anstieg der Unfallzahlen zwischen 2020 und 2021 allerdings durch die Tatsache, dass wegen des Corona-Lockdowns allgemein weniger Menschen unterwegs waren. So gingen die Unfälle im Straßenverkehr insgesamt deutlich zurück. Außerdem hatten die Scooter-Verleiher, die einen Großteil der Scooter-Fahrten in Karlsruhe ausmachen dürften, zeitweilig den Betrieb eingestellt.

Die von der Polizei erfassten Unfälle dürften aber nur einen Teil der Wirklichkeit widerspiegeln. Unfallforscher gehen von einer hohen Dunkelziffer aus. Diese Einschätzung bestätigt auch der Karlsruher Polizeisprecher Ralf Minet.

Wegen der vergleichsweise geringen Geschwindigkeit der Elektroroller, die in der Regel mit maximal 20 Stundenkilometern unterwegs sind, enden viele Unfälle mit kleineren Blessuren – und diese werden der Polizei häufig gar nicht bekannt.

Viele schwere Verletzungen werden von der Polizei nicht erfasst

Aber auch schwerere Verletzungen gehen offenbar häufig nicht in die Unfallstatistik ein. Zu diesem Schluss kommt zumindest eine Studie der Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Essen.

Demnach wurden fast drei Viertel der von der Klinik registrierten E-Scooter-Unfälle nicht von der Polizei erfasst. Am häufigsten traten demzufolge Verletzungen an Kopf und Oberkörper auf.

Zumindest das Risiko von Kopfverletzungen ließe sich allerdings verringern, wenn die Nutzer eines Elektrorollers einen Helm tragen würden. Das ist laut einer Untersuchung der Unfallforschung der Versicherer und der TU Dresden allerdings nur selten der Fall.

Um die Sicherheit der Scooter-Fahrer zu verbessern, schlagen die Experten zudem vor, die Elektroroller mit Blinkern auszustatten und sie in der Dunkelheit besser sichtbar zu machen. Dabei könne beispielsweise eine beleuchtete Fahrzeugsilhouette helfen, so die Forscher.

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Ebenfalls helfen könne ein Führerschein speziell für Elektro-Scooter und vergleichbare Fahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit von weniger als 45 Stundenkilometern. Bislang darf jeder, der mindestens 14 Jahre alt ist, einen E-Scooter fahren. Eine spezielle Erlaubnis ist dafür nicht nötig.

Verstöße mit dem E-Scooter: Diese Delikte kommen in Karlsruhe besonders häufig vor

Noch deutlicher als die Zahl der Unfälle mit Elektrorollern ist die Zahl der Verstöße gegen die Straßenverkehrsordnung im Karlsruher Stadtgebiet gestiegen. Im ersten Halbjahr 2022 verzeichneten die Ordnungshüter demnach gut 300 Delikte – nach 504 im gesamten Jahr 2021. In diesem Jahr zeichnet sich also ein neuer Höchststand ab.

Verkehrsversuch in der Karlsruher Karlstraße: Statt Autos parken hier jetzt Elektro-Roller.
Verkehrsversuch in der Karlsruher Karlstraße: Statt Autos parken hier jetzt Elektro-Roller. Foto: Christian Schellenberger

Mit großem Abstand am häufigsten stellte die Polizei dabei alkoholisierte Rollerfahrer fest: 476 Verstöße dieser Art gingen seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 2020 bei der Karlsruher Polizei ein. Mit 225 Fällen ebenfalls stark vertreten: Betäubungsmitteldelikte.

Um in ihrer Reaktionsfähigkeit stark beeinträchtige Menschen von der Fahrt mit dem Scooter abzuhalten, haben unter anderem die Verleiher Voi und Bolt Reaktionstests in ihren Apps integriert. Rotlicht-Verstöße zählte die Karlsruher Polizei insgesamt 67 Mal, Versicherungs- und Zulassungsverstöße insgesamt 79 Mal.

In vielen Fällen eher ein Ärgernis, aber nach wie vor ein ungelöstes Problem in Karlsruhe, sind wild auf Gehwegen und Straßen abgestellte Elektro-Scooter. „Die Betreiber und vor allem die Nutzer müssen in Sachen Abstellen der Roller nach wie vor sensibilisiert werden“, teilte die Stadtverwaltung Karlsruhe auf BNN-Anfrage mit.

Heißt: Hier gibt es aus Sicht der Stadtverwaltung durchaus noch Verbesserungsbedarf. Gerade für mobilitätseingeschränkte Menschen dürften achtlos abgestellte Roller nicht zum Problem werden, so Stadtsprecher Matthias Tröndle. Vor allem dann, wenn die Fahrzeuge liegen statt stehen sei das für sehbehinderte Menschen ein Problem.

Ärger über Scooter-Chaos: Was tun Lime, Voi, Tier und Bolt?

Was also tun? Die Scooter-Verleiher nehmen für sich in Anspruch, aus der Kritik an den chaotischen Zuständen der Anfangszeit gelernt zu haben. Kunden würden vor der ersten Fahrt und in regelmäßigen Abständen über die Regeln vor Ort informiert, teilt etwa Lime-Sprecherin Sarah Schweiger auf Anfrage mit.

Um eine Fahrt beenden zu können, müssen Lime-Kunden zudem ein Foto des abgestellten Elektro-Scooters einreichen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Roller ordnungsgemäß abgestellt werden.

Ist das nicht der Fall, droht Kunden ein Bußgeld – und im schlimmsten Fall eine Sperrung des Zugangs. Mit Voi, Tier und Bolt setzen die anderen in Karlsruhe vertretenen Anbieter auf ein vergleichbares Vorgehen.

Die Scooter-Verleiher gehen allerdings noch einen Schritt weiter: Künftig sollten in häufig angesteuerten Gegenden Auto-Parkplätze zu Scooter-Abstellflächen werden, teilt Lime-Sprecherin Schweiger mit.

Ähnlich äußerte sich auch Claus Unterkircher, Deutschlandchef des schwedischen Dienstleisters Voi, im Branchenmagazin „Next Mobility“. Das Argument: Auf einen Pkw-Parkplatz könne man zwölf Roller unterbringen – und damit das Chaos auf den Gehwegen eindämmen.

In der Karlstraße, die für einen befristeten Verkehrsversuch seit Mitte Juli für Autos gesperrt ist, gibt es das bereits testweise. Wer seinen Leih-Scooter in einem von vier speziell gekennzeichneten Bereichen abstellt, bekommt dort je nach Anbieter einen kleinen Rabatt auf den Fahrpreis.

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