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Verfechterin des klaren Wortes

So tickt die neue evangelische Landesbischöfin Heike Springhart aus Pforzheim

Nach drei Wahlgängen stand kurz vor Weihnachten fest: Zum ersten Mal bekommt die evangelische Kirche in Baden eine Landesbischöfin. Doch wer ist die Frau, die im April ihr neues Amt antritt?

Heike Springhart, neu gewählte Landesbischöfin der Evangelischen Landeskirche in Baden, aufgenommen während eines Interviews.
Heike Springhart, neu gewählte Landesbischöfin der Evangelischen Landeskirche in Baden. Foto: Uli Deck/dpa/Bildarchiv

Beim Tod ihrer Oma war Heike Springhart so ganz und gar nicht einverstanden mit dem, was der Pastoralreferent da sagte. Er sprach darüber, dass die Tote jetzt im Himmel sei. Das habe sie als Elftklässlerin sogar wütend gemacht, sagt Springhart.

„Wir müssen so vom Sterben reden, dass es realistisch ist. Nicht nur über den Tod. Und dass die schmerzhaften Seiten benannt werden.“ Das sei zum Beispiel auch für Debatten über Sterbehilfe wichtig.

„Mein Interesse an Kirche und Religion hat da so richtig seinen Anfang genommen“, erinnert sich Springhart. Zum 1. April übernimmt die 47-Jährige die Amtsgeschäfte in der evangelischen Landeskirche in Baden. Neun Tage später löst sie Jochen Cornelius-Bundschuh offiziell bei einem Gottesdienst ab – als erste badische Landesbischöfin.

Heike Springhart - dem Leben zugewandt

Das Sterben und die Endlichkeit menschlichen Lebens hat sie zu ihrem Thema gemacht. Ihre Habilitationsschrift trägt den Titel „Der verwundbare Mensch“. Trotz dieses Schwerpunktes wirkt Springhart lebensfroh, sprudelt vor Energie, lacht viel im Interview und bevorzugt eine „dem Leben zugewandte Sicht“. Denn es gebe auch eine positive Seite von Verwundbarkeit: „Liebe, Freundschaft, Vertrauen geht nur, wenn man es wagt, sich verwundbar zu machen.“

Diese Expertise hat Springhart in der Corona-Pandemie zu einer gefragten Ansprechpartnerin gemacht. „Wir müssen uns eingestehen, dass wir alle verwundbar sind.“ Das dürfe auch dann nicht übersehen werden, wenn von besonders vulnerablen Gruppen gesprochen wird.

Aus Springharts Sicht liegt hier ein Grund, warum derzeit ein Riss durch die Gesellschaft geht. Die neue Landesbischöfin ist überzeugt, dass der gekittet werden kann: „Als Kirche müssen wir daran arbeiten, dass aus den Rissen keine Gräben werden.“ Das funktioniere vor allem mit Gesprächen. „Da kann man keine knalligen Sätze raushauen.“

Dabei ist Springhart eine Verfechterin des klaren Wortes: „Theologisches Reden in Formeln geht an den Leuten vorbei.“ Kirche müsse eine verständliche, zeitgemäße Sprache wählen. So könne sie neue Mitglieder gewinnen. Rund 1,06 Millionen Menschen gehörten der Landeskirche Ende 2021 an – knapp 30 650 weniger als ein Jahr zuvor.

Eine Bischöfin muss nicht immer politisch korrekt sein

Sie verspüre ein hohes Interesse an Kirche und kirchlichen Themen, sagt Springhart. Die greift sie unter anderem bei sogenannten Preacher-Slams auf, bei denen hauptberufliche und Laienprediger sich wortgewandt und auch mal mit Reimen duellieren. Hier müsse nicht alles politisch korrekt sein, sagt Springhart.

„Ich finde, auch die heitere, leichte Form darf von der Bischöfin gelegentlich bedient werden.“ Die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Annette Kurschus, hatte in ihrer Gratulation nach der Wahl gesagt, dass Springhart der Ruf einer tollen Rednerin vorauseile.

Nach der Amtsübernahme stehen Antrittsbesuche an beim Freiburger Erzbischof, dem Ministerpräsidenten und den Nachbarkirchen. In alle 24 Dekanate will die Bischöfin bis Sommer gehen. Dank ihrer Biografie kennt sie die Eigenheiten: Aufgewachsen ist Springhart in Südbaden, wo Protestanten oft die Minderheit sind. Die alemannische Mentalität sei sehr bodenständig, zugleich hätten die Menschen im Dreiländereck Weitblick.

Viele Jahre lebte sie in der Kurpfalz, die durch die Metropolregion Rhein-Neckar geprägt sei. Zuletzt arbeitete sie als Pfarrerin in Pforzheim. Die Gegend sei wegen der Nähe zu Württemberg vom Pietismus beeinflusst. „Es gibt eine andere Frömmigkeitskultur.“

Die Vielfältigkeit in Baden sieht die Landesbischöfin als Stärke. Ihre Aufgabe sei es nicht, alle zusammenzubringen – sondern für alle zu stehen. Das dürfte ihr gelingen: Der Präsident der Landessynode, Axel Wermke, würdigte nach der Wahl Springharts „zupackende, offene Art des Umgangs mit Mitarbeitenden im Haupt- wie auch Ehrenamt“.

Lasst uns genau hingucken, wo wir etwas ändern müssen, wo es schmerzt.
Heike Springhart, neue evangelische Landesbischöfin in Baden

Wichtig sei zudem ein ehrlicher Umgang mit problematischen Themen, sagte sie: „Lasst uns genau hingucken, wo wir etwas ändern müssen, wo es schmerzt.“ Ganz oben auf der Agenda steht da das Thema sexueller Missbrauch. „Das ist ein großes Vertrauensthema“, sagt Springhart.

Mit Blick auf sinkende Mitgliederzahlen und Kirchensteuereinnahmen hat Vorgänger Cornelius-Bundschuh schon Kooperationen mit der katholischen Kirche in Baden etwa zur gemeinsamen Nutzung von Räumen und mit der württembergischen Landeskirche auf organisatorischer Ebene angeleiert. Auf dem Weg will Springhart bleiben. Auch wenn Protestanten und Katholiken inhaltlich nicht immer einer Meinung seien, habe die Ökumene in Baden eine gute Tradition. „Das ist mehr als Symbolpolitik“, betont die Bischöfin. „In der Öffentlichkeit werden wir eh als Christenmenschen angesehen.“

Landesbischöfin Springhart ist leidenschaftliche Sängerin

Auch wenn sie es gerne in Kauf nimmt, dass der Arbeitstag nicht um 17, 18 oder 19 Uhr endet, verschafft sich Springhart Freiräume für Hobbys: Sie fotografiert gerne, geht spazieren oder wandern, trifft Freundinnen und Freunde, geht ins Theater oder Kabarett. Zu Schulzeiten spielte sie Querflöte in einer Band, auch Klavier kann sie. Im Studium entdeckte sie die Leidenschaft fürs Singen.

Für die Kirche wünscht sie sich, dass diese „hoffnungsstur und glaubensheiter“ auftrete. Sie brauche sich nicht zu verschanzen. „Kirche mit einem menschlichen, fröhlichen Gesicht darf sich auch mal aus dem Fenster lehnen“, sagte Springhart. Als Kirche und im Amt brauche es „Mut zur Verletzlichkeit“. Da ist es wieder: ihr Thema.

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