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Manische Zeichner

Spektakuläre Doppelausstellung in der Städtischen Galerie Karlsruhe zu Marcel van Eeden und Karl Hubbuch

Mit Hang zum Drama: Wie die Frage nach dem Bösen in der Welt das Werk zweier manischer Zeichner verbindet, zeigt eine einzigartige Schau im Zuge des Hallenbaufestes am ZKM in Karlsruhe.

Marcel van Eeden, Rektor der Kunstakademie Karlsruhe
Zeichnungen im Großformat: Marcel van Eeden, Rektor der Kunstakademie Karlsruhe, vor einem seiner Werke, das er nach einer historischen Postkarte aus Karlsruhe gestaltet hat. Foto: Lukas Giesler

Wie kommt das Böse in die Welt, obwohl doch fast alle das Gute wollen? Eine einfache Antwort gibt es nicht, aber Annäherungen, etwa von Künstlern, die dieses Paradox in ihrem Werk bearbeiten.

Diese Frage verbindet auch das Werk von Marcel van Eeden, Rektor der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe, mit dem des neusachlichen Malers Karl Hubbuch, der ebenfalls in Karlsruhe lehrte.

Im Rahmen des erstmals durchgeführten Hallenbau-Festivals eröffnet nun die Städtische Galerie Karlsruhe eine einzigartige Schau über zwei manische Zeichner mit Hang zum Drama, die mit realen Versatzstücken arbeiten.

Die Ausstellung „Drawing Rooms: Marcel van Eeden, Karl Hubbuch“ wäre nicht zustande gekommen, hätte sich van Eeden nicht wirklich für Hubbuch interessiert. Und auch nicht, wenn die Karl-Hubbuch-Stiftung und der Hubbuch-Nachlass nicht an die Städtische Galerie gegangen wären.

„1.000 Zeichnungen warten auf ihre Bearbeitung“, sagt Galerie-Leiterin Stefanie Patruno. In der Ausstellung sind 200 Arbeiten auf Papier von Hubbuch zu sehen und ebenso viele von Marcel van Eeden – für die Kunsthistorikerin „einer der großen Zeichner der Gegenwart“.

Sinnliche Aktion des Zeichnens trifft bei Marcel van Eeden filmische Techniken

Der in Den Haag geborene Künstler van Eeden verbindet die sinnliche Aktion des Zeichnens mit filmischen Techniken der Montage, des Zitats, des Close-up. Er arbeitet nach Fotografien, die vor seiner Geburt, also vor 1965 aufgenommen wurden.

So schafft der Niederländer nicht nur Distanz zu den Motiven, nach denen er arbeitet. Er umkreist auf diese Weise ein bestimmtes Zeitkontinuum, eine von ihm selbst definierte Vergangenheit. Marcel van Eeden denkt sich nichts aus, sondern schafft aus disparaten Bildern fiktive Geschichten, in die Anspielungen auf sein eigenes Leben wie zufällig eingewoben sind.

Im Untergeschoss der Schönleber-Villa an der Reinhold-Frank-Straße in Karlsruhe etwa, wo er 2014 als neu berufener Professor sein Atelier bezog, soll die Fotowerkstatt der Gestapo gewesen. Van Eeden verwandelte sie kurzerhand in eine Sendestation und baute eine Zeichnung der Villa in eine seiner dem Film noir angelehnten Bilderserien ein.

Auch fotografierte der Künstler mit einer analogen Kamera Orte, die mit Karl Hubbuch in direktem Zusammenhang stehen, etwa den Hermann-Billing-Komplex an der Ettlinger Straße. Den Abzug stellte er im alten Gummidruck-Verfahren mit Tusche auf Zeichenpapier her, so dass sich das Bild in seiner düsteren Schwarzweiß-Technik in sein eigenes Werk einfügt.

Chronist des urbanen Straßenlebens der Weimarer Republik

Van Eeden konnte auf eben diesem Bild ein spezielles Fenster ausmachen, das durch eine Säule geteilt ist, die wiederum in einer großen Bleistiftzeichnung von Karl Hubbuch auftaucht. Sie zeigt den Blick aus der Wohnung des Kunstprofessors im fünften Stock auf den Ettlinger Platz. Der Chronist des urbanen Straßenlebens der Weimarer Republik umriss mit hartem Strich die gegenüber liegenden Gründerzeithäuser; an einem der Fenster hängt eine Hakenkreuzfahne.

Zur Ausstellung

„Drawing Rooms: Marcel van Eeden / Karl Hubbuch“ in der Städtischen Galerie Karlsruhe, Lorenzstraße 27.

Eröffnung am Freitag, 28. Oktober, 19 Uhr im ZKM-Foyer im Rahmen des Hallenbau-Festivals. Danach bis 12. Februar 2023 geöffnet Mittwoch bis Freitag 10 bis 18 Uhr sowie Samstag und Sonntag 11 bis 18 Uhr.

galerie.karlsruhe.de

Im Frühjahr 1933 verlor Hubbuch im Rahmen des NS-Gesetzes zur „Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ seine Professur. Er hatte mit der KPD sympathisiert, seine sozialkritischen Zeichnungen standen im Gegensatz zur völkischen Ideologie der NSDAP.

Während seiner Aufenthalte in Berlin und Paris schuf er markante Ausschnitte von hohen, unter monströser Bauplastik ächzenden Stadthäusern, vor die er erst in einem zweiten Schritt proletarische Typen setzte, die er bei anderer Gelegenheit skizziert hatte.

Obwohl Marcel van Eeden 14 seiner Bilder-Serien im Lichthof zeigt, die alle in unterschiedlichen Clustern gehängt sind, treten sie nicht in Konkurrenz zu dem Werk Hubbuchs. Die beiden Künstler treffen sich in einem gesonderten Raum, so scheint es, der für Vergangenheit steht und Assoziationen freisetzt. Van Eeden ist es gelungen, Hubbuchs Werk zu vitalisieren, und sein eigenes Werk temporär zu verankern.

Pudel aus Goethes „Faust“ in einer Kunstgalerie

Auf das unsichtbare Band zwischen den Künstlern stoßen die Besucher gleich zu Beginn der Ausstellung, der den Faust-Illustrationen Karl Hubbuchs und Marcel van Eedens freien Faust-Adaptionen gewidmet ist. Auf der einen Seite hängen die satirischen Radierungen aus den frühen 1920er Jahren, auf der anderen rätselhafte Interieurs in schwarzer Kreide.

Eines der Motive von Marcel van Eeden löst fast Heiterkeit aus, obwohl es ernst ist. Er verpflanzte den Pudel aus Goethes „Faust“ in das Ambiente einer alten Kunstgalerie, wo sich das für Mephisto stehende Tier grotesk aufbläht.

Der Zwiespalt zwischen Erkenntnis- und Machtstreben sei ein Merkmal des Werks Marcel van Eedens, heißt es im Ausstellungstext. Dieser philosophische Ansatz lässt viel Raum, um seine Bildwelten zu lesen: als fiktive Kriminalgeschichten, als Metaphern auf das Leben oder aber auch auf die aktuelle Lage der Kunst.

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