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Antifa stört Wahlparty

Strahlende Freude bei der Karlsruher Grünen Zoe Mayer – gefasste Enttäuschung bei Ingo Wellenreuther

Die strahlende Siegerin des Karlsruher Direktmandats verspricht schon mal frischen Wind im Bundestag: die Grüne Zoe Mayer kommt, CDU-Politiker Ingo Wellenreuther geht. Für Aufsehen sorgte eine Aktion der Antifa.

Grüne im Rathaus am Wahlabend.
Erstmal ein Selfie: Zoe Mayer hält den historischen Wahlabend mit ihren Parteifreunden im Bild fest. Die 26-jährige Karlsruherin hat das Direktmandat gewonnen und wird in den Bundestag einziehen. Foto: Jörg Donecker

Während man im Karlsruher Rathaus pandemiebedingt auf dem Trockenen sitzt, gibt es bei der Wahlparty der Grünen für Zoe Mayer im Café Palaver vegane Häppchen und Sekt.

Doch dann kommt es zum Schreckmoment: Fünf Anhänger der Antifa stürmen die Feier, rund 15 weitere Antifa-Vertreter bezogen vor dem Lokal Stellung.

„Unsere Gäste fühlten sich eingeschüchtert“, sagt Elly Reich vom Grünen Kreisvorstand.

Die ungebetenen Besucher seien durch einen Hintereingang gekommen, hätten Flugblätter verteilt und sich mit einem Megaphone Gehör für Grünenkritik verschafft.

„Wir baten sie mehrfach zu gehen, das taten sie nicht“, so Reich. Deshalb habe man die Polizei verständigt. In der Folge seien die Störer geflüchtet, die Polizei stellte jedoch einen Teil der Gruppe.

Breites Lächeln bei den Grünen im Karlsruher Rathaus

Zu vorgerückter Stunde erscheint die Siegerin des Tages dann an der Stätte ihres bisherigen politischen Wirkens – im Bürgersaal des Rathauses.

Zoe Mayer trägt ein schlichtes Oberteil in programmatischem Grün, eine dunkle Hose und weiße Sneaker. Ihre Parteifreunde applaudieren heftig, und hinter den Corona-Masken zeichnet sich bei allen ein breites Lächeln ab.

Gemessen daran, dass nur ein handverlesenes Fähnlein Privilegierter überhaupt ins Rathaus vorgelassen worden ist und es diesmal auch keine geistvollen Getränke gibt, ist die Stimmung kurzfristig fast ausgelassen – jedenfalls unter den Grünen.

„Super dankbar“, ist die künftige Bundestagsabgeordnete, sie spricht von einem „großen Vertrauensvorschuss“ und betont die Leistung des gesamten Teams. Drei Sätze später greift sie indessen zu differenzierteren Formulierungen.

Denn zwar hat Mayer das Direktmandat geholt, auf das in der Vergangenheit mehrfach CDU-Mann Ingo Wellenreuther abonniert war. Doch die Grünen seien im Bund hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Zoe Mayer nennt das eine „kleine Enttäuschung“.

Das ist Demokratie.
Ingo Wellenreuther, unterlegener Direktkandidat

Auch der von ihr erwähnte langjährige CDU-Abgeordnete zeigt im Rathaus Flagge. Er gratuliert Zoe Mayer und gibt sich abgeklärt. Angesichts des Abschneidens der Bundes-CDU sei kaum überraschend, dass seine Tage in Berlin nun zu Ende gehen, meint Wellenreuther.

Denn mit seinem achten Platz auf der Landesliste ist Wellenreuther nicht abgesichert. „Ich war emotional vorbereitet“, bekennt er, „das ist Demokratie“. Ab Montag werde er seine Freiheit genießen, meint er. Dabei ist dem Politiker sehr bewusst, dass sich ein seit 2002 währender Lebensabschnitt so rasch nicht wird abhaken lassen.

Was ihm aus seiner Abgeordnetenzeit spontan in den Sinn kommt? Die Fraktionssitzung vom 14. April dieses Jahres. Bei der man sich entgegen dem Votum von Partei und Fraktion für Armin Laschet als Kanzlerkandidaten entschieden hat. Wellenreuther schüttelt den Kopf.

FDP-Politiker Michael Theurer gibt sich „hochzufrieden“ mit der Bundestagswahl

Derweil laufen auf der übergroßen Projektionswand im Bürgersaal die Ergebnisse von immer mehr Karlsruher Wahlkreisen ein. Und am Sieg von Zoe Mayer ist nicht mehr zu rütteln. Auch nicht an der Zweistelligkeit für die FDP.

Deren Wahlkreiskandidat Michael Theurer ist entsprechend seinem Amt als Fraktionsvize im Bundestag und als Landesvorsitzender nicht ins Rathaus gekommen, denn er ist andernorts gefragt. Am Telefon gibt er sich aber hochzufrieden. „Die FDP hat in Baden-Württemberg ein geniales Ergebnis erzielt“, sagt der Liberale. Es sei das zweitbeste Ergebnis der Freidemokraten in Baden-Württemberg seit 60 Jahren.

Während andere noch äußerst angespannt sind – Linken-Abgeordneter Michel Brandt muss bis zuletzt um seinen Wiedereinzug zittern – erlebt man im Rathaus einen gut gelaunten und entspannten Oberbürgermeister Frank Mentrup (SPD).

Den Erfolg der 26-jährigen Zoe Mayer nennt er „grandios“. Und er betont, dass mit ihr und Parsa Marvi nun neben anderen zwei Köpfe mit besonders großer kommunalpolitischer Erfahrung Karlsruhe im Bund vertreten werden: „Das sind zwei Abgeordnete, die für ihr Mandat brennen und etwas leisten wollen“, so Mentrup. Als Sozialdemokrat, daraus macht der Oberbürgermeister keinen Hehl, freut er sich besonders über das Wiedererstarken seiner Partei.

Das hätte vor zwei Monaten niemand geglaubt.
Parsa Marvi, künftiger Abgeordneter

Parsa Marvi ist ebenfalls glücklich über das Ergebnis der Sozialdemokraten: „Das hätte vor zwei Monaten niemand geglaubt, das ist phänomenal.“ Der SPD-Mann zieht über die Landesliste nun erstmals in den Bundestag ein. Den Wahlabend bezeichnet er als unwirklich. Er sei froh, dass sich die guten Umfragewerte letztlich bestätigt haben, so Marvi. Für die parlamentarische Arbeit in Berlin sieht sich der langjährige Karlsruher Stadtrat gut gerüstet.

Karlsruher AfD-Politiker Marc Bernhard wirft Post Sabotage vor

Unterdessen wird AfD-Kandidat Marc Bernhard zum zweiten Mal in den Bundestag einziehen. Mit dem Ergebnis für seine Partei ist er zufrieden, auch wenn man sich „mehr erhofft“ habe, wie er einräumt. „Der Wahlkampf ist gestört und behindert worden“, ärgert sich Bernhard außerdem. Allein in Karlsruhe seien über 2.000 Wahlplakate zerstört worden. „Dennoch sind wir im Stadtgebiet präsent gewesen“, so Bernhard.

Zudem wirft der AfD-Politiker der Deutschen Post Sabotage bei der Flyer-Verteilung vor. Tausende Wahlzettel seien nicht wie bestellt in den Briefkästen gelandet. Hier wolle die AfD nun rechtliche Schritte einleiten. Das Ausscheiden Wellenreuthers bedauert Bernhard: „Ich habe ihn sehr geschätzt.“ Man habe kollegial gut zusammengearbeitet. Zu Zoe Mayer sagt Bernhard: „Sie hat jetzt die Möglichkeit, sich zu beweisen.“

Die Bundestagswahl ging in Karlsruhe ohne größere Pannen über die Bühne. Die Wahlbeteiligung lag bei 77,6 Prozent. 159.572 der 205.608 Wahlberechtigten im Stadtkreis gaben ihr Stimme ab.

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