
Was eine angemessene Strafe ist und was nicht – darüber gehen in der Rechtspflege die Meinungen regelmäßig auseinander.
Nicht angemessen fand ein 25-Jähriger die Verurteilung, die das Amtsgericht Karlsruhe am 18. Juli des zu Ende gehenden Jahres gegen ihn ausgesprochen hatte: ein Jahr und neun Monate ohne Bewährung – da hatte der junge Mann zu schlucken.
Berufung wird von Angeklagtem und Staatsanwaltschaft eingelegt
Aber Deutschland ist ja ein Rechtsstaat, dachte er sich. Und in einem Rechtsstaat kann man den Rechtsweg einschlagen. In Strafsachen lässt sich gegen ein Urteil des Amtsgerichts Berufung einlegen.
Über dieses Rechtsmittel entscheidet dann das Landgericht. Weshalb sich der 25-Jährige jetzt im dortigen Schwurgerichtssaal der Kleinen Strafkammer gegenüber sah: einem Berufsrichter also und zwei Schöffen.
„Gemeinschaftlich versuchte besonders schwere räuberischer Erpressung“ – für juristische Laien mag diese strafrechtliche Einordnung, zu der das Amtsgericht gekommen war, dramatisch klingen.
Zumindest für den 25-Jährigen stellte sich die zugehörige Tat jedoch offenbar als nicht ganz so schwerwiegend dar, wie die juristische Diktion es nahelegt.
Angeklagter bedroht Mann mit Messer, wegen benötigtem Ladekabel
Am 28. Februar hatte sich der Mann mit einem Kumpel in Karlsruhe verabredet und dafür nahe dem Hauptbahnhof ein Hotelzimmer angemietet. Dort tranken die Männer Wodka mit Orangensaft, an einer Tankstelle erstanden sie anschließend eine Flasche Whisky.
Der Abend wurde lang und verlagerte sich zum Mühlburger Tor. Dort traf das Duo auf einen anderen Mann mit einem Rucksack, und das Unheil nahm seinen Lauf.
Der 25-Jährige fragte den Rucksackträger nach einem Handy-Ladekabel, der Angesprochene gab an, ein solches nicht bei sich zu haben. In der Folge zückte der Fragesteller ein Klappmesser, ließ die zehn Zentimeter lange Klinge mehrfach ein- und ausfahren, zeigte sich aggressiv und griff nach der Tasche.
Das Gegenüber ließ das Gepäckstück Gepäckstück sein und ergriff die Flucht. Als der 25-Jährige die Tasche durchsuchte, stellte er fest, dass sie tatsächlich kein Ladekabel enthielt.
Mandant wollte prüfen, ob das Opfer ihn habe täuschen wollen
Man habe ja nur klären wollen, ob der Mann mit der Tasche seinen Mandanten habe täuschen wollen, ließ der Rechtsanwalt des jungen Mannes die Berufungskammer wissen.
Eine sogenannte „Zueignungsabsicht“ hätte also gar nicht bestanden. Was auch durch den Umstand untermauert werde, dass das nicht vorhandene Ladekabel des Opfers überhaupt nicht mit dem Smartphone des Täters kompatibel gewesen wäre.
Und außerdem: Der junge Mann habe einen Ausbildungsplatz in der Tasche, die Lehre soll im Februar beginnen. Woraus ohne Bewährungsstrafe dann aber leider nichts würde.
Angeklagter hat erheblich einschlägige Vorstrafen
Bei der Berufungskammer verfing diese Argumentation nicht. Vor allem aber: „Erhebliche einschlägige Vorstrafen“ sprächen nicht gerade dafür, die vom Amtsgericht verhängte Haftstrafe in eine Bewährungsstrafe umzuwandeln, machte Vorsitzender Marco Lacedonia deutlich.
Die Verurteilung durch die Vorinstanz erscheine „angemessen und nicht übersetzt“, ließ er durchblicken. Und weil nicht nur der Angeklagte Berufung eingelegt hatte, sondern auch die Staatsanwaltschaft, sah sich der junge Mann in der für ihn unangenehmen Lage, dass am Ende nicht nur eine geringere, sondern auch eine höhere Strafe möglich wäre.
Lässt man es in einer solche Lage darauf ankommen? Oder dreht man als Angeklagter nicht lieber bei und zieht die Berufung wieder zurück?
Nach halbstündiger Beratung mit seinem Rechtsanwalt entschließt sich der junge Mann für die defensive Variante. Die Zeit, die er bislang schon in Haft verbracht hat, wird ihm jetzt auf die rechtskräftig gewordene Strafe angerechnet.