Wie groß die Versorgungslücke ist, lassen allein diese beiden Zahlen erahnen: Rund 2,95 Millionen Menschen studieren in Deutschland – zugleich gibt es nur 240.000 klassische Wohnheimplätze.
Viele der kleinen und zweckmäßigen Studentenbuden stammen aus den 60er bis 80er Jahren, als sich die erste große Welle des Bildungsaufstiegs auftürmte.
Später ließen die Anstrengungen des Staates auf dem Bausektor nach. Doch dann kam ein neuer gewaltiger Ansturm auf die Universitäten und Hochschulen.
Man hat die Hochschulen geöffnet, aber man hat versäumt, die passende Infrastruktur zu schaffen.Matthias Anbuhl, Vorstand Deutsches Studentenwerk
Gut 55 Prozent eines Jahrgangs beginnen inzwischen ein Studium. „Die Zahl der staatlich geförderten Studienplätze ist seit dem Jahr 2007 um 52 Prozent gestiegen – aber die Zahl der geförderten Wohnheimplätze bei den Studierendenwerken nur um sechs Prozent“, betont Matthias Anbuhl, Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks.
„Man hat die Hochschulen geöffnet, aber man hat versäumt, die passende Infrastruktur zu schaffen.“
Heute bleiben 30 Prozent der Studenten im Elternhaus wohnen
Die Konsequenzen spüren die Jungakademiker und ihre Eltern jeden Monat: 500 Euro für ein warmes WG-Zimmer oder 700 Euro für eine Ein-Zimmer-Wohnung sind heute nicht ungewöhnlich. Aus Angst vor solchen Ausgaben werden mehr junge Leute zu Nesthockern.
Heute wohnen rund 30 Prozent der Studierenden im Elternhaus – vor einigen Jahren waren es nur 23 Prozent. „Das liegt auch daran, dass viele in der Corona-Zeit bei den Eltern geblieben sind – was ich in jugendpolitischer Hinsicht für problematisch halte“, sagt Anbuhl.
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Wer daheim auszieht, um in München zu studieren, den trifft es finanziell am härtesten. Die bayerische Landeshauptstadt ist regelmäßig Spitzenreiter bei den Mietpreisen. Schon für WG-Zimmer sind da oft 700 oder 800 Euro fällig.
Hamburg gilt als zweitteuerstes Pflaster. Aber auch in Städten wie Karlsruhe und Heidelberg nennt Anbuhl die Lage sehr schwierig. Das ruft private Investoren auf den Plan.
Private Appartement-Anlage bietet sogar Klopapier zum Vorbestellen an
Moderne Studenten-Appartements mit Mini-Küche und Bad, komplett möbliert, inklusive Internetzugang und Rundumsorglos-Paket – die bieten diverse Ketten in Universitätsstädten an.
Bei Youniq kann man sogar Kopfkissen, Bratpfanne und Klopapier schon online dazu buchen. 28 Euro kostet ein Starter-Set mit Handtüchern, Badematte und zwei Rollen WC-Papier. „Der Mieter zieht oft nur mit seinem Laptop und seinem Koffer ein“, sagt Madeleine Betz von der Verwaltung am Standort Karlsruhe.
Die 387 Appartements nahe Schloss Gottesaue seien „fast komplett ausgebucht“. Kostenpunkt: 700 bis 820 Euro Warmmiete für 13 bis 32 Quadratmeter. Beim Mieterwechsel bleibe häufig nur ein halber Tag, um kräftig zu putzen oder auch mal durchzustreichen, sagt Betz. Wer im Oktober mit dem Studium startet, bewerbe sich oft schon zwischen März und Juli für eine Wohnung.
Miete von 263 Euro bei Studierendenwerken – ohne Energie-Aufschlag
Beim Mitbewerber Campo Novo flimmert eine Anzeige über die Homepage der Karlsruher Niederlassung: „Vollbelegung! Wir haben keine Zimmer mehr frei!“
Glücklich, wer einen Platz im staatlich geförderten Wohnheimplatz ergattert: Durchschnittlich 263 Euro Warmmiete verlangen die deutschen Studierendenwerke bisher für ein Wohnheimzimmer, in Karlsruhe liegt der statistische Schnitt bei 247 Euro.
Allerdings werden an allen Standorten noch unterschiedliche Aufschläge für die enorm gestiegenen Energiekosten obendrauf kommen, je nach Heizungsart und Sanierungsstandard.
Ein KIT-Verein stellt 1.400 Zimmer bereit
Über 40.000 Studierende lernen an neun Hochschulen in Karlsruhe. Immerhin 4.400 öffentlich Wohnheimplätze gibt es – den Löwenanteil stellt mit 2.700 Zimmern das Studierendenwerk.
Zweitgrößter Anbieter ist das Studentenwohnheim des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) mit 1.400 Plätzen. Dieser Verein der Elite-Uni betreibt unter anderem das bekannte „HaDiKo“ (Hans-Dickmann-Kolleg).
„Die Situation ist zu Beginn des Wintersemesters immer wieder sehr angespannt“, erklärt KIT-Sprecherin Monika Landgraf. „Dann sind gerade Wohnheime ,erste Adresse‘ für die neuen Studierenden und die Anfragen übersteigen das Platzangebot. Nach Semesterbeginn entspannt sich die Lage in aller Regel. Einige Studierende bleiben für einige Zeit in den Wohnheimen, andere wechseln beispielsweise in Wohngemeinschaften.“
Mit dem Schroff-Kolleg wurde in diesem Jahr sogar ein neu gebautes Wohnheim eröffnet: rund 100 junge Menschen finden hier ein Dach überm Kopf. Was die renommierte Uni sich vom Staat erhofft? „Der Studentenwohnheim e.V. würde sich wünschen, in Zukunft auch Zuschüsse des Landes zu bekommen“, so Landgraf.
Bund schnürt Paket mit 500 Millionen Euro
Eine Wende auf dem studentischen Wohnungsmarkt können die Bundesländer alleine aber nicht schaffen – das ist für Geschäftsführer Anbuhl vom Deutschen Studentenwerk klar. Er verweist auf das 500-Millionen-Euro-Programm, das die Bundesregierung für Studentenwohnungen auflegen will: „Es ist das erste Mal, dass der Bund wieder einsteigt“, betont Anbuhl. „Die Länder sollen 30 Prozent drauflegen. Der Schlüssel wird gerade verhandelt.“