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Mulitkulturelles Flair im Zentrum der Südstadt

Brennpunkt und Hipster-Treff: Der Karlsruher Werderplatz hat viele Gesichter

Trinker, Feinkost-Liebhaber und die aus Berlin inspirierte Karlsruher Hipster-Szene: Sie alle koexistieren ziemlich friedlich auf dem Werderplatz in der Südstadt. Was macht diesen schäbig-schicken Charme eigentlich aus?

Symbolhaft: Der vielfältige Werderplatz hat ein ernstes, aber auch ein freundliches Gesicht – wie sein Wahrzeichen, der Indianerbrunnen.
Symbolhaft: Der vielfältige Werderplatz hat ein ernstes, aber auch ein freundliches Gesicht – wie sein Wahrzeichen, der Indianerbrunnen. Foto: Jörg Donecker

Der Werderplatz ist nicht nur schön. Er ist manchmal dreckig, manchmal laut und an vielen Stellen eher abgeranzt als aufpoliert – doch spätestens seit in den 1990er die unfertige Hauptstadt Berlin zur internationalen Hipster-Metropole aufstieg, ist dieser Mix aus schäbig und schick, den auch der Werderplatz ausstrahlt, bei Karlsruher Trendsettern angesagt.

Die Problematik der Alkohol- und Drogenszene, die sich rund um den emblematischen Indianerbrunnen auf der Osthälfte des Platzes konzentriert, ist nicht zu leugnen. Auch am Freitagvormittag wird es unter den trinkend herumhängenden Menschen mal laut.

„Wieso soll ich dich Idiot nennen, Mann?“ brüllt einer einen anderen über gut drei Meter hinweg an. „Ja, hab ich mich grad’ auch gefragt!“ schallt es zurück, und damit ist der kleine Disput beendet. „Es kommt schon vor, dass jemand mit der Wodkaflasche in der Hand hier reinkommt“, erzählt Tuana Demirci, Auszubildende in der Bäckerei am Platz.

Regelmäßig werde sie, meist freundlich, gefragt, ob sie Backwaren habe, die nicht mehr verkauft werden könnten. „Wegen Corona kann man bei uns gerade nicht drinnen zum Essen bleiben“, erklärt sie. „Gestern wollte eine Frau einen Kaffee trinken und hat mich angebrüllt, weil sie nicht drinnen bleiben durfte. Sie ist dann aber doch wieder gegangen.“ Demirci mag die Südstadt, sagt sie. „Die Menschen sind sehr nett hier, und ich bekomme relativ viel Trinkgeld.“

Einige Marktbeschicker haben sich wieder verabschiedet

Zum Einkaufen ins Bio-Lebensmittelgeschäft „Laden 3“ oder zum Secondhand-Shop „Furore“, mit kleinem Zwischenstopp am öffentlichen Bücherschrank: Das bringt eine Frau zum Werderplatz, die sich von der Alkohol- und Drogenszene nicht gestört fühlt. „Das ist hier normal, und die lassen einen in Ruhe“, sagt sie.

So geht es auch Florian Fichtner, der am Marktstand des Obst- und Gemüsehofs Stiny steht. „Wir sind seit zwölf Jahren hier, die kennen uns“, sagt er. Doch einige andere Marktbeschicker, die zum Beispiel samstags in größerer Zahl auf den Platz kommen, hätten sich inzwischen wieder verabschiedet, weil das „Klientel“ vom Indianerbrunnen sie zu sehr belästigt habe.

Den Pfälzer Obst- und Gemüsestand soll es aber auch in Zukunft am Werderplatz geben, versichert Fichtner. „Das Ambiente mit den Bäumen am Platz ist wirklich sehr schön, und es gibt viel Auswahl an Geschäften drum herum.“ Man profitiere zudem von dem benachbarten Nahkauf, der schon als „durchgeknalltester Supermarkt von Karlsruhe“ beschrieben wurde.

Die schlappen vorbei und machen ihr Ding. Ärger gibt es meistens eher nur untereinander.
Lena Angenu, Ladenbesitzerin

Friseurläden, ein Drogeriemarkt, italienische Feinkost, eine Bankfiliale, das wegen Corona derzeit nur digital geöffnete Kulturzentrum Kohi sowie Kneipen und Cafés, die vor allem eine junge, hippe Klientel ansprechen, tragen zum bunten Mix der Möglichkeiten auf dem Werderplatz bei.

„Es ist schon schlimmer geworden, die Stimmung ist aggressiver“, meint Axel Becker, Inhaber des „Zuckerbecker“ in der Westhälfte des Platzes. Was sich früher rund um den Indianerbrunnen konzentriert habe, verteile sich seit dem Alkoholkonsumverbot mehr über den gesamten Platz und die angrenzenden Straßenecken.

Mulitkulturelles Flair im Zentrum der Südstadt

Andererseits: „In 17 Jahren, die ich hier bin, musste ich erst zwei Leute aus meinem Laden rauswerfen.“ Oft sagten ihm Kunden, er gehöre doch eigentlich an einen „besseren“ Standort, zum Beispiel in die Waldstraße. „Aber wir merken die Situation draußen hier drinnen eigentlich kaum. Und auch die Südstädtler erfreuen sich eben an hochwertigen Dingen und kaufen hier ein.“

Lena Angenleuf bekommt ebenfalls wenig mit von den Zwistigkeiten und Pöbeleien draußen auf dem Platz. Seit 2017 führt die Friseurin ihren kleinen Concept Store mit Mode, Interieur und „schönen Dingen“ sowie einem kleinen Kundenstamm fürs Friseurgeschäft. Für Südstädtler wie Angenleuf seien die Trinker am Werderplatz völlig normal.

Stylish shoppen und abends ins Szene-Café: Auch das ist am Werderplatz möglich, wo unter anderem Lena Angenu ihren Frisör- und Modeladen hat.
Stylish shoppen und abends ins Szene-Café: Auch das ist am Werderplatz möglich, wo unter anderem Lena Angenu ihren Frisör- und Modeladen hat. Foto: Jörg Donecker

„Die schlappen vorbei und machen ihr Ding. Ärger gibt es meistens eher nur untereinander“, sagt sie. Auf der anderen Seite genieße sie sehr den starken Zusammenhalt der Ladenbesitzer am Werderplatz. „Ich habe mir für meinen Laden bewusst den Werderplatz ausgesucht. Hier wohnen Künstler, Kreative, Beamte, und halt unsere Gang am Brunnen.“

Man kennt sich, man schaut wer gerade so da ist, das macht Spaß.
Silke Roth, Mitarbeiterin im Electric Eel

Auch Silke Roth schätzt das mulitkulturelle, multiszenische Flair im Zentrum der Südstadt. „Als ich hierher gezogen bin, hatte ich zum ersten Mal das Gefühl von richtiger Nachbarschaft“, sagt die Mitarbeiterin des „Electric Eel“. „Man kennt sich, man schaut wer gerade so da ist, das macht Spaß.“ Es werde schon mal laut, aber das beeinflusse sie wenig. „Als Anwohner muss man alle Perspektiven betrachten, das gehört dazu.“

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