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300 Essen am Tag

Karlsruher Vesperkirche findet zum zweiten Mal auf der Straße statt

Eine warme Mahlzeit ist für viele Menschen auch in Karlsruhe nicht selbstverständlich. Aus diesem Grund findet jedes Jahr die Vesperkirche in der Südstadt statt. In diesem Jahr gibt es das Essen coronabedingt zum zweiten Mal nur zum Mitnehmen.

Maria Plempe (rechts) übergibt das Essen an einen Mann.
Eine Tüte Gutes: Die ehrenamtliche Helferin Maria Plempe gibt die Tasche mit dem „Gulasch zum Mitnehmen“ aus. Zum zweiten Mal findet die Vesperkirche unter Corona-Bedingungen statt, dafür wurden drei Hütten im Hof der Kirche aufgebaut. Foto: Jörg Donecker

Die letzten Vorbereitungen laufen, dann fällt der Startschuss: „Es kann losgehen“, ruft einer der Helfer und die ersten aus der Warteschlange dürfen am späten Sonntagvormittag in den Hof der evangelischen Johanniskirche am Werderplatz: Zum zweiten Mal findet dort die Vesperkirche unter Corona-Auflagen statt.

„Ich war schon um zehn Uhr da“, erzählt eine Frau, und nimmt dankend ihre Portion Gulasch mit Nudeln entgegen. Dann geht sie weiter zu den nächsten zwei Hütten, wo Käse, Wurst, Obst und Süßes verteilt werden. „Ich freue mich so auf das Gulasch“, sagt die nächste in der Schlange. Die Vorfreude ist ihr anzusehen.

„Das ist eine ganz tolle Sache“, findet eine ältere Frau, die schon jahrelang zur Vesperkirche in die Marienstraße kommt. Da seien „liebe Leute, die helfen“ und sie selbst sei froh, etwas zum Essen zu haben. „Wissen Sie, ich habe immer gearbeitet...“, sagt sie, dreht sich dann aber lieber um, mehr möchte sie heute nicht erzählen.

Ute Kehret ist als Ehrenamtliche zum fünften Mal bei der Vesperkirche

Ute Kehret ist zum fünften Mal ehrenamtliche Helferin bei der Vesperkirche. „Weil es Spaß macht“, sagt sie. Es sei schön, etwas für die Leute zu tun, denen es nicht so gut geht. Normalerweise würde man die Menschen auch besser kennenlernen. Dies sei aber zum wiederholten Male in diesem Jahr leider nicht möglich.

Denn eigentlich dürfen die Gäste der Vesperkirche in der Kirche zusammensitzen, miteinander reden und essen. Aufgrund der Pandemie gibt es aber in diesem Jahr wieder eine Straßenvesperkirche, das warme Essen wird also draußen ausgeteilt. Alle Gäste müssen Maske tragen und zwei Meter Abstand halten. Die ehrenamtlichen Mitarbeiter müssen den 2G-Plus-Status erfüllen.

Wir begegnen den Menschen auf Augenhöhe.
Bruno Wenz, ehrenamtlicher Leiter

Zwischen 40 und 50 Ehrenamtliche sind täglich während der Vesperkirche im Einsatz. Die Planungen beginnen schon ein dreiviertel Jahr vorher. „Corona ruft einiges ab“, erklärt Bruno Wenz, der seit diesem Jahr mit Britta Hansen die Vesperkirche ehrenamtlich leitet. Viele Gäste kämen nicht nur wegen des Essens, sondern auch um Ansprache zu haben. „Wir begegnen den Menschen auf Augenhöhe, dafür sind sie dankbar“, sagt Wenz. Neben dem Essen gibt es aber noch weitere Angebote: In der Kirche ist eine Kleiderkammer eingerichtet, die Dienstag, Mittwoch, Donnerstag und Sonntag geöffnet hat, ein Raum steht für die Seelsorge bereit.

Ehrenamtlicher Leiter der Vesperkirche wird verabschiedet

Im Gottesdienst, der vor der Öffnung der Vesperkirche stattfand, wurde der langjährige ehrenamtliche Leiter der Vesperkirche, Dieter Eger, verabschiedet. Pfarrerin Lara Pflaumbaum bezeichnete ihn als den „guten Geist der Vesperkirche, Manager und Fundraiser“. „Was Sie hier aus Liebe getan haben, wird Bestand haben“, sagte sie. Zum Abschied gab es ein Portrait des Künstlers Fritz Doll.

Die Pfarrerin stellte den Gottesdienst unter den Spruch „Kommt und seht“ aus dem Johannesevangelium. Dieser zähle auch für die Vesperkirche, bei der trotz Pandemie viele Ehrenamtliche tätig seien, und Menschen zusammenkämen, die sonst nicht im Rampenlicht stünden. „Wir alle tragen den göttlichen Funken in uns“, sagte Pflaumbaum. Grundlage der Vesperkirche sei es, das Licht im Gegenüber zu sehen und sehen zu wollen.

Oberbürgermeister Frank Mentrup bezeichnete die Vesperkirche in seinem Grußwort als „wunderbare Art Neujahrsempfang“ – und zwar für alle, nicht nur für Privilegierte. Er ging auf Pflaumbaums Worte ein und machte deutlich, dass es in diesen Zeiten mehr denn je nötig sei, dass Licht im Gegenüber sehen zu wollen.

Wie viel Freiheit des Einzelnen müssen wir akzeptieren?
Frank Mentrup, Oberbürgermeister

Denn im Gegensatz zur Vesperkirche im vergangenen Jahr seien die Rahmenbedingungen der Pandemie nicht die gleichen. Doch leider hätten nicht alle die Chance ergriffen, ihre Rahmenbedingungen zu ändern. Das beharrliche Festhalten an der eigenen Überzeugung sei für einige „fast ihre Religion geworden“. „Wie viel Freiheit des Einzelnen müssen wir akzeptieren oder wie viel Einschränkungen“, machte Mentrup deutlich, dass es auch im neuen Jahr viele Fragen zu klären gibt.

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