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Bessere Arbeitsbedingungen gefordert

Karlsruher Straßenstrich: Sex im Auto, hinter Büschen oder unter der Brücke

Unter der Bahnbrücke auf dem Karlsruher Straßenstrich an der Wolfartsweierer Straße sammeln sich menschliche Exkremente, benutzte Kondome und Verpackungen verschreibungspflichtiger Medikamente. Das Diakonische Werk fordert deshalb bessere Arbeitsbedingungen für Sexarbeiterinnen auf dem Karlsruher Straßenstrich.

ein Lkw, Autoreifen, ein benutztes Kondom, Müll
Vermüllt: Diesen Ort unter der Bahnbrücke an der Wolfartsweierer Straße nutzen die Sexarbeiterinnen des dortigen Straßenstrichs als Toilette. Aus Mangel an Mülleimern sammelt sich dort auch der Müll wie etwa benutzte Kondome. Foto: Jörg Donecker

Ein rosa String, zerquetschte, leere Plastikflaschen und gebrauchte Feuchttücher liegen zwischen Glasscherben und Autoreifen. Vor der Wand zur Feuerwehrhauptwache liegen Exkremente von Prostituierten, Verpackungen verschreibungspflichtiger Medikamente und benutzte Kondome.

Der Straßenstrich an der Kreuzung Wolfartsweierer Straße/Ostring ist einer von sieben im Stadtgebiet. „Das ist der dreckigste und würdeloseste Arbeitsort, den ich jemals gesehen habe“, sagt Luise Winter vom Diakonischen Werk Karlsruhe.

Sex mit ihren Freiern haben die Frauen meistens im Auto, manchmal auch hinter Büschen oder unter der Brücke. An die 30 Frauen im Alter von 30 bis 60 Jahren bieten täglich gegen Geld Sex auf Karlsruhes Straßenstrichen an, berichtet Anita Beneta.

Sie leitet den Bereich Soziale Arbeit und Migration und Integration bei der Diakonie. Die meisten Frauen haben keinen Schulabschluss, kommen aus Rumänien, Bulgarien und Ungarn.

Wir sind unzufrieden mit den Bedingungen auf dem Strich.
Anita Beneta, Diakonisches Werk Karlsruhe

„Wir sind unzufrieden mit den Bedingungen auf dem Strich“, sagt Beneta. „Es gibt keine Toiletten oder Duschen, keine fest installierten Mülleimer.“ Über die Arbeitsbedingungen wissen die Mitarbeiter der Beratungsstelle Luis.e der Diakonie bestens Bescheid. 332 Frauen aus dem Milieu haben sie 2021 beraten und unterstützt.

Mitarbeiter der Diakonie Karlsruhe unterstützen vor Ort

Mitarbeiter von Luis.e fahren mit einem Kleinbus auch nachts zwischen 22 und 3 Uhr von Straßenstrich zu Straßenstrich. „Wir geben den Frauen Feuchttücher, damit sie sich nach der Arbeit etwas saubermachen können“, sagt Beneta. Die Mitarbeiter verteilen auch Kondome, damit die Frauen nicht ungeschützt Geschlechtsverkehr haben.

Es gibt Corona-Tests, Masken und Impftermine werden organisiert. Zwischendurch gibt es Kaffee und Tee. Termine für Beratungsgespräche etwa zu Verwaltungsangelegenheiten werden vereinbart oder für die mobile medizinische Versorgung. „Manche möchten auch einfach nur reden“, erzählt eine Streetworkerin. Die Mitarbeiter unterhalten sich mit den Frauen in deren Muttersprache.

Meine Familie weiß nicht, dass ich hier arbeite. Ich bin die einzige Ernährerin. Wenn ich aufhöre, werden sie verhungern.
Sexarbeiterin aus Karlsruhe

Oft sorgten die Frauen mit ihrem Einkommen für die ganze Familie im Heimatland, sagt Beneta. Eine Sexarbeiterin aus Karlsruhe wird im Diakonie-Jahresbericht 2021 so zitiert: „Meine Familie weiß nicht, dass ich hier arbeite. Ich bin die einzige Ernährerin. Wenn ich aufhöre, werden sie verhungern.“ Ihren Familien sagen sie, dass sie im Reinigungsbereich oder in der Gastronomie arbeiten.

Aus der Prostitution aussteigen, sei für viele keine Option. „Wie sollen sie ihren Familien erklären, warum sie kein Geld mehr schicken?“, erklärt Winter den Konflikt. Hinzu komme viel Papierkram. „Sich weiter prostituieren ist da oft einfacher“, sagt eine Streetworkerin.

Die Frauen arbeiten in ständiger Angst, dass sie erkannt werden.
Anita Beneta, Diakonisches Werk Karlsruhe

Erfährt die Familie von der Prostitution, werde die Frau stigmatisiert, sagt Beneta. Es könne auch sein, dass sie von der Familie verstoßen werde. „Die Frauen arbeiten in ständiger Angst, dass sie erkannt werden.“ Maximal ein bis zwei Frauen wenden sich pro Jahr an die Beratungsstelle und wollen aus dem Prostitutionsgeschäft aussteigen.

So könnten die Arbeitsbedingungen auf dem Karlsruher Straßenstrich verbessert werden

Der Straßenstrich in Karlsruhe muss menschenwürdig werden, fordert Beneta. Ihr Vorschlag: Es braucht ausgewiesene Flächen, die umzäunt sind. Sozialarbeiter und Berater müssen vor Ort sein. Die Freier werden am Eingang kontrolliert. Ohne Ausweis kommt keiner rein. Wer alkoholisiert ist, unter Drogeneinfluss steht oder einen gewaltbereiten Eindruck macht, darf ebenfalls nicht rein.

In Pandemiezeiten könne so auch kontrolliert werden, ob die Freier geimpft oder getestet sind, sagt Beneta. Das sei auf den derzeitigen Straßenstrichen in Karlsruhe nicht möglich. Außerdem fordert sie einen Container mit Toilette und Dusche für die Frauen, Beleuchtung und Arbeitsnischen sowie Mülleimer und einen Kondomautomaten.

Über die Brücke am Wolfartsweierer Straßenstrich fährt ein Zug. Es dröhnt. Mehrere Tauben schrecken auf und flattern wirr durcheinander. Ihr Kot bedeckt viele Stellen des Schotterbodens. Staub und Federn fliegen durch die Luft. Am Brückenpfeiler riecht es nach Urin.

Kontakt

Luis.e – Beratungsstelle für Prostituierte

Adresse: Diakonisches Werk Karlsruhe, Kaiserstraße 172, 76133 Karlsruhe

Tel.: (07 21) 83 18 49 41

E-Mail: luis.e@dw-karlsruhe.de

Mobiles Ärzteteam

Tel.: (07 21) 83 18 49 41

Appartement als Ausstiegshilfe

Tel.: (07 21) 20 39 71 02

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