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Gegen Gentrifizierung

Sanierungen in der Karlsruher Südstadt sind nun genehmigungspflichtig

Die Schutzsatzung für die Südstadt schlägt schon kurz nach Inkrafttreten hohe Wellen. Doch was ändert sich dort wirklich und warum?

© Jodo-Foto /  Joerg  Donecker// 19.03.2021 Bebauung in der Suedstatd, Foto: Wilhelmstrasse,                 -Copyright - Jodo-Foto /  Joerg  Donecker Sonnenbergstr.4  D-76228 KARLSRUHE TEL:  0049 (0) 721-9473285 FAX:  0049 (0) 721 4903368  Mobil: 0049 (0) 172 7238737 E-Mail:  joerg.donecker@t-online.de Sparkasse Karlsruhe  IBAN: DE12 6605 0101 0010 0395 50,
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Schutzbedürftig: Teile der gründerzeitlich geprägten Südstadt sollen durch eine spezielle Satzung vor einer drohenden Gentrifizierung geschützt werden. Foto: Jörg Donecker

Zwei Jahre lang hat der Gemeinderat um den Schutz der Südstadt gerungen. Am 31. Mai wurden dann Fakten geschaffen, mehrheitlich wurde die soziale Erhaltungssatzung für das Multikulti-Viertel verabschiedet.

Doch bereits wenige Tage später übt der Wohnungseigentümerverband „Haus & Grund“ Karlsruhe harsche Kritik an der Satzung.

Vor einem Informationsabend am 30. Juni von 18 bis 20 Uhr im Bürgerzentrum Südwerk hat BNN-Redakteur Ekart Kinkel einige wichtige Fragen und Antworten zur Erhaltungssatzung zusammengestellt.

Warum wird die Südstadt geschützt?

Damit niemand aus seinem angestammten Wohnumfeld verdrängt wird. Die Südstadt ist wegen ihrer Durchmischung mit Menschen aus den verschiedensten Gesellschaftsschichten und Kulturkreisen als lebendiges Multikulti-Viertel mit bezahlbaren Mieten auch für einkommensschwächere Haushalte bekannt. Außerdem gibt es dort eine soziale Infrastruktur mit vielen kleineren Wohnungen für Familien. In den vergangenen Jahren haben Investoren die Südstadt entdeckt und zahlreiche Wohnhäuser nach Entmietungen aufwändig saniert. Dieser Entwicklung will die Stadt einen Riegel vorschreiben.

Für welchen Bereich gilt die Satzung?

Für die „Alte Südstadt“ zwischen Ettlinger Straße, Baumeisterstraße, Scherrstraße, Morgenstraße, Nebeniusstraße und Winterstraße. In diesem Bereich leben laut der städtischen Statistik rund 9.100 Menschen in 5.150 Wohneinheiten.

Kann die Verdrängung auch mit Zahlen belegt werden?

Ja. Nach diversen Erhebungen gab es in der Südstadt einige auffällige Verschiebungen. Während der Ausländeranteil in Karlsruhe zwischen 2016 und 2020 um 3,7 Prozent zunahm, gab es im Satzungsbereich einen Rückgang um 7,4 Prozent. Die Zahl der Alleinerziehenden ging in diesem Zeitraum in der Südstadt mit 5,5 Prozent deutlicher zurück als in der Gesamtstadt (0,5 Prozent). Die Zahl der Bewohner, die älter als 65 Jahre sind, stieg in der Südstadt mit 0,4 Prozent deutlich geringer als in ganz Karlsruhe (2,8 Prozent). Wegen des hohen Mieteranteils von 85 Prozent ist die Südstadt anfällig für Verdrängungen. Außerdem gab es dort überdurchschnittlich viele bauliche Veränderungen, die von der Stadt ebenfalls als Indizien für einen hohen Verdrängungsdruck bewertet wurden.

Was gilt nun für Wohnungseigentümer?

Für Sanierungen und Umbauten braucht es eine Genehmigung. Grundsätzlich genehmigungsfähig sind Instandsetzungen ohne Wertsteigerung, Renovierungen zur Herstellung eines zeitgemäßen Ausstattungszustands, energetische Sanierungen für die Erfüllung von Mindestanforderungen, der Ausbau von Dachgeschossen und der Bau von Balkonen und Dachterrassen bis zu einer Größe von acht Quadratmetern. Unter bestimmten Voraussetzungen werden auch Aufzüge und weitere Maßnahmen zur Herstellung von Barrierefreiheit und Energieeffizienz genehmigt. Nicht genehmigungsfähig sind Sanierungen zur Wertsteigerung wie der Einbau von hochwertigen Bädern und Bodenbelägen sowie Grundrissänderungen wie etwa das Zusammenlegen von zwei Wohnungen.

Was kritisieren die Eigentümer?

Die Bürokratie. „Wenn ein 40 Jahre alter Kunststoffboden herausgenommen und durch einen neuen Belag ersetzt wird, braucht man eine Genehmigung“, sagt der Karlsruher „Haus & Grund“-Vorsitzende Marc Wurster. So etwas sei nicht verhältnismäßig und deshalb müsse die Satzung dringend nachgebessert werden. Außerdem befürchtet Wurster wegen der angespannten Situation in den städtischen Bauämtern lange Wartezeiten bis zur Genehmigung eines Antrags. Das stelle vor allem bei dringend erforderlichen Sanierungen nach einem Wasserschaden ein echtes Problem dar. Nach Wursters Einschätzung kann sich die Satzung sogar als Bumerang erweisen. „Wenn es Hauseigentümern zu viel wird, verkaufen sie ihre Wohnungen“, so Wurster. „Und dann gibt es in der Südstadt noch mehr Spekulanten als bisher.“ Der Eigentümerverband vertritt nach eigenen Angaben in der Südstadt rund 400 Immobilien.

Was sagt die Bürgervertretung?

„Mit der Satzung kann die weitere Gentrifizierung verhindert werden“, sagt Martina Hillesheimer, Vorsitzende der Bürger-Gesellschaft der Südstadt. Deshalb habe der Verein das Thema in den vergangenen Jahren auch massiv vorangetrieben und über verschiedene Fraktionen in den Gemeinderat gebracht. „Für Leute, die in ihren Wohnungen leben, kann die Satzung aber mit Sicherheit ein Problem werden“, so Hillesheimer weiter. Deshalb müsse die Stadt die Eigentümer frühzeitig über die Möglichkeiten und Antragsstellung informieren und einen Bürokratiestau verhindern.

Wie ist die Haltung des Gemeinderats?

Gespalten. Grüne, SPD, FDP, Linkspartei sowie die beiden Gremiumsmitglieder von Die Partei stimmten für die Satzung, CDU, AfD, die Fraktion von Freien Wählern und Für Karlsruhe sowie die beiden Stadträte der Karlsruher Liste waren dagegen.

Waren die möglichen Probleme der Verwaltung bekannt?

Ja. Zwischen Spekulanten und Eigentümern, die lediglich ihre Wohnung in einen besseren Zustand bringen wollen, zu unterscheiden, sei mit einer solchen Satzung nicht möglich, betonte Oberbürgermeister Frank Mentrup bei der Gemeinderatsdebatte. Außerdem sei von Anfang an klar gewesen, dass der Erhalt der Südstadt-Struktur auch mit Verboten verbunden sei. Anfangs stand die Verwaltung einer Schutzsatzung aus diesen Gründen auch ablehnend gegenüber. Bei der Bürgerbefragung ist laut Mentrup allerdings klargeworden, dass in der Südstadt wegen der auffälligen strukturellen Entwicklung Handlungsbedarf besteht.

Können mit der Satzung alle Probleme in der Südstadt gelöst werden?

Sicherlich nicht. Sorgen bereiten der Bürger-Gesellschaft auch einige marode Häuser, die von den Eigentümern nicht saniert und an Studierende oder Arbeitsmigranten vermietet werden. Probleme gibt es immer wieder auch in Wohnblocks mit zahlreichen Ein-Zimmer-Appartements für Sozialhilfeempfänger. Auf die angespannte Situation am Werderplatz hat die Satzung ebenfalls keinen Einfluss.

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