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ZKM-Stipendium

Zwischen Krieg und Frieden: Der Zwiespalt ukrainischer Künstlerinnen in Karlsruhe

Einerseits das große Los, andererseits Gewissensbisse – ukrainische Künstler im Ausland sind zwischen zwei Welten hin- und hergerissen. Am Karlsruher ZKM zeigen Stipendiatinnen, was sie bewegt.

Die ukrainischen Künstlerinnen Alina Bukina (links) und Anna Manankina stehen im Karlsruher ZKM.
Die ukrainischen Künstlerinnen Alina Bukina (links) und Anna Manankina stehen im Karlsruher ZKM. Foto: Uli Deck/dpa

Es ist nur ein einziger bewegter Strich. Er windet sich, formt Menschen, verbindet, verschwindet – und beginnt von Neuem. „Miracle Support“, wundersame Unterstützung, nennt Alina Bukina ihre Animation.

Man kann darin Flüchtende erkennen. Oder einfach Menschen in Bewegung. Wenn der verbindende Strich abends im Foyer des Karlsruher Medienkunstzentrums ZKM leuchtet, ist er für die 30-jährige Künstlerin vor allem eins: ein Hoffnungsschimmer in dunklen Zeiten.

Alina Bukina ist eine von drei ukrainischen ZKM-Stipendiatinnen, die Einblick in ihr Schaffen geben. „On the Boundary of Two Worlds“ („An der Grenze zwischen zwei Welten“/bis 12. Februar) zeigt zugleich, was der russische Angriffskrieg auf die Ukraine auch aus Menschen macht, die davon gekommen sind.

Im Zentrum für Kunst Medien (ZKM) wird die Animation „Miracle Support“ von der ukrainischen Künstlerin Alina Bukina gezeigt.
Im Zentrum für Kunst Medien (ZKM) wird die Animation „Miracle Support“ von der ukrainischen Künstlerin Alina Bukina gezeigt. Foto: Uli Deck/dpa

ZKM in Karlsruher unterstützt schon lange „Artists at Risk“

So stellt die Menschenrechtsaktivistin und Filmemacherin Oksana Ivantsiv eine Soldatin vor, die nach ihrer Rückkehr aus dem Krieg mit einer posttraumatischen Belastungsstörung kämpft. Der von ihr produzierte Dokumentarfilm „No Obvious Signs“ (Regie: Alina Horlowa/2018) erinnert an den ersten russischen Überfall auf die Donbass-Region.

Anna Manankinas Videoinstallation „Natural History of Destruction“ wiederum befasst sich mit den Auswirkungen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine auf Leib und Seele der Frauen. Prächtige Blüten wachsen aus Knochenstrukturen oder fallen wie Grabblumen auf sie.

Ihre Interpretation des kunsthistorischen Motivs vom „Tod und das Mädchen“ verweist auf die spezifische Bedrohung von Frauen im Krieg durch Vergewaltigung. „Du arbeitest hier und fühlst Dich sicher. Aber Du kannst nicht vergessen, was Du gesehen hast“, sagt die 27-Jährige aus Charkiv.

Im Zentrum für Kunst Medien (ZKM) wird die Videoinstallation „Natural History of Destruction“ von der ukrainischen Künstlerin Anna Manankina gezeigt.
Im Zentrum für Kunst Medien (ZKM) wird die Videoinstallation „Natural History of Destruction“ von der ukrainischen Künstlerin Anna Manankina gezeigt. Foto: Uli Deck/dpa

Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 haben bundesweit zahlreiche Kunstinstitutionen Künstlerinnen und Künstler und Kulturschaffende vorübergehend als Stipendiaten aufgenommen.

Das ZKM unterstützt schon länger politisch bedrohte Künstler und arbeitet mit „Artists at Risk“ zusammen. Das internationale Netzwerk vermittelt Gastaufenthalte an Kulturinstitutionen. 2040 Kulturschaffende aus der Ukraine haben seit Kriegsausbruch allein bei „Artists at Risk“ um Hilfe gebeten, berichtet die Organisation. 341 wurden an verschiedene Kulturinstitutionen in Europa vermittelt.

Künstlerinnen möchten im ZKM zeitgenössische ukrainische Kultur sichtbar machen

An sich haben Anna Manankina und Alina Bukina das große Los gezogen. Das ZKM-Stipendium ermöglichte ihnen seit April abseits des Krieges und finanziell abgesichert weiter künstlerisch tätig zu sein. Dafür sind sie dankbar.

Probleme, mit der Situation zurechtzukommen, haben sie dennoch. „Mein früheres Leben existiert nicht mehr“, sagt Alina Bukina aus Saporischschja. Die vielen dunklen Gedanken wollen nicht weichen. Hinzu kommen Gewissensbisse: Sie lebt hier im Frieden, doch ihre Familie und ihre Freunde sind im Krieg.

Ganz schlimm war der Silvesterabend. Während zu Hause russische Geschosse einschlugen und Detonationen Fenster zum Bersten brachten, ließen es die Deutschen zum Jahreswechsel mit Böllern und Feuerwerk mal wieder so richtig krachen. „Die Leute hier leben in einer anderen Welt“, sagt Alina Bukina. Der Kampf ums Überleben dort und die Normalität hier sind für sie kaum in Einklang zu bringen.

Wenn die Stipendien nun auslaufen, wollen die Künstlerinnen dennoch in Deutschland bleiben. „Wir haben die Chance, an einem sicheren Ort zu sein und wollen als Künstler arbeiten„, sagt Alina Bukina

Schließlich haben die beiden auch eine Mission: „Wir wollen die zeitgenössische ukrainische Kultur sichtbar machen.“ Klappt es nicht mit einem Anschluss-Stipendium wollen sie den Schritt in die Selbstständigkeit wagen.

Das ZKM hilft mit Werkpräsentationen, die Künstler hierzulande bekannt zu machen. Auch über die schon verlängerten Stipendien hinaus sichert Chef-Kurator Philipp Ziegler Unterstützung zu. Ehemalige Stipendiaten sollen mit dem ZKM assoziiert bleiben und Arbeitsräume vorerst weiter nutzen können.

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