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Künstliche Intelligenz

Tagung in Karlsruhe auf der Suche nach der KI zum Wohl der Gesellschaft

Alle reden von ChatGPT, doch der Sprachbot kommt nicht aus Europa: Haben wir das Wettrennen mit der US-Konkurrenz um die KI-Technologie bereits verloren? Eine Tagung an der Hochschule Karlsruhe blickt zuversichtlich in die Zukunft.

Der Wissenschaftler Andreas Fuchs von der Hochschule Darmstatt führt in Karlsruhe sein KI-Projekt „Fuels“ vor, der gemeinsame Treffen in „hybriden“ digitalen Räumen ermöglicht.
In einer virtuellen Welt unterwegs: Der Wissenschaftler Andreas Fuchs von der Hochschule Darmstadt führt in Karlsruhe das KI-Projekt „Fuels“ vor, das gemeinsame Treffen in „hybriden“ digitalen Räumen ermöglicht. Foto: Alexei Makartsev

Das „Imaginarium“ ist ein runder, leerer Raum mit großen Bildschirmen an den Wänden. In der Mitte ist ein dekorativer Brunnen, aus dem virtuelle weiße Flocken aufsteigen. Man kann sich in dem „Imaginarium“ frei bewegen und mit einem menschenähnlichen Roboterwesen sprechen. Dabei wandelt die Künstliche Intelligenz (KI) gesprochene Worte in visuelle Darstellungen um, die als Bilder auf den Monitoren erscheinen: Landschaften, Menschen, Tiere, ein Pool, eine vollbesetzte Messehalle.

Die Testperson steht in der Realität im Foyer des Campus HKA2030+ im Osten von Karlsruhe. Sie trägt eine Virtual-Reality-Brille und unterhält sich mit einem mehr als 100 Kilometer entfernten Wissenschaftler von der Hochschule Darmstadt, der in der künstlichen Realität das „Roboterwesen“ darstellt.

Andreas Fuchs und sein Team haben mithilfe der zwei KI-Anwendungen ChatGPT und Stable Diffusion einen wandelbaren digitalen Konferenzraum der Zukunft entwickelt, in dem Menschen unabhängig von ihren Standorten gemeinsam arbeiten oder einfach nur kreative Ideen austauschen können.

Avatare mit menschlichem Verhalten

„Future Learning Spaces“ – kurz „Fuels“: So heißt eines von sechs innovativen KI-Projekten, die am Dienstag bei einer Tagung im Technologiepark Karlsruhe vorgestellt werden. Sie vertreten eine Forschungsallianz aus sechs Hochschulen für Angewandte Wissenschaften (HAW), die deutschlandweit in den MINT-Fächern führend sind.

Die Hochschuhe Karlsruhe (HKA) ist mit dabei. Ihre Experten gehen in einem Projekt der Frage nach, was passiert, wenn KI-gesteuerte Avatare, also computergenerierte Wesen, sich ganz wie Menschen verhalten und wie wir darauf reagieren.

Andere Vorhaben drehen sich um intelligente, autonome Fahrzeuge, um virtuelle Lernstätten und die Entwicklung von Assistenzrobotik für pflegebedürftige Menschen, die in neuartigen „Laborwohnungen“ erprobt wird. Das Hauptanliegen der Tagung ist aber der Ideenaustausch zwischen Forschung und Politik in einem komplexen Bereich, dessen rasanter Wandel wahrscheinlich für die Zukunft des Industriestandorts Deutschland entscheidend sein wird.

Mächtige KI-Konkurrenz aus den USA

Der HAW-Verbund sucht gerade nach Antworten auf drei zentrale Fragen: Wie schaffen wir es, die KI aus den Laboren möglichst schnell in unseren Alltag zu integrieren? Wo ist es besonders sinnvoll? Und wie kann man im technologischen Wettrennen mit der mächtigen Konkurrenz aus USA mithalten, deren Megaprojekte wie der „intelligente“ Bot ChatGPT bereits die Welt verändern?

Jedenfalls nicht durch eine von Elon Musk und anderen Experten vorgeschlagene Entwicklungspause im KI-Bereich, soviel steht für die Karlsruher Tagungsgäste fest. „Wurde der Bau von Autos jemals aufgehalten?“, fragt rhetorisch Hans Reiter, der das Landesforschungsministerium in der Runde vertritt. „Erst kam das Auto, dann die Leitplanke“, erklärt er. Sprich: Man müsse die Technologie entwickeln und, wenn notwendig, diesen Prozess regulatorisch steuern. Die Künstliche Intelligenz werde nicht automatisch in der Gesellschaft ankommen, mahnt der Amtsleiter: „Wir müssen diese Wege gestalten.“

Eine Diskussionsrunde in der Hochschule Karlsruhe erörtert die Frage, wie Künstliche Intelligenz den Sprung aus den Labors in die Gesellschaft schaffen kann.
Blick in die Zukunft: Eine Diskussionsrunde in der Hochschule Karlsruhe erörtert die Frage, wie Künstliche Intelligenz den Sprung aus den Labors in die Gesellschaft schaffen kann. Foto: Alexei Makartsev

Aber wie? Reiter bezeichnet Baden-Württemberg als „führenden KI-Standort“ Europas: „Wir sind nicht im Niemandsland und haben Anbieter, die ChatGPT qualitativ ebenbürtig sind.“ Deutschland müsse „digitale Souveränität“ von US-Tech-Riesen erlangen, um wettbewerbsfähig zu sein. Aber es wäre jetzt unklug, sich in eine „Materialschlacht“ mit der finanziell gut ausgestatteten Konkurrenz zu stürzen, die in der KI riesige Energieressourcen einsetze – auch darüber sind sich die Teilnehmer der Tagung einig.

„Wir müssen uns fragen: Was ist uns das wert?“, sagt Staatssekretär Mario Brandenburg vom FDP-geführten Bundesforschungsministerium. „Dann geht es darum, sich zu überlegen, wo wir aufs Spielfeld gehen wollen – und mutig an unseren Ideen festhalten.“

Es sei wichtig, dass alle Studierende in Deutschland unabhängig von ihren Fächern mit KI in Berührung kommen, lautet eine Empfehlung aus der Diskussion. Andere Teilnehmer mahnen an, der Zukunftstechnologie den Weg in die kleinen und mittleren Unternehmen zu öffnen.

Wir werden uns aus unserer Komfortzone heraus bewegen müssen.
Frank Artinger, Rektor der Hochschule Karlsruhe

Als Gastgeber der Tagung blickt Frank Artinger vorsichtig optimistisch in die Zukunft. „Wir stehen vor einem Paradigmenwechsel“, sagt im Gespräch mit unserer Redaktion der Sprecher der HAW-Allianz und Rektor der HKA. „Die klassischen Produktionsthemen, die uns in Deutschland den Wohlstand gebracht haben, kommen an ihre Grenzen. Wir werden uns deshalb aus unserer Komfortzone heraus bewegen müssen und nach Ideen suchen, die uns in der Wertschöpfungskette Vorteile bringen.“

Der Elektroingenieur aus Karlsruhe warnt davor, sich in Deutschland „auf den ChatGPT-Hype zu konzentrieren“. Viel wichtiger sei es, die Frage auf die Antwort zu finden, wo sich die KI „zum Wohl der Gesellschaft“ einbringen und den Menschen unterstützen könnte. Laut Artinger werden beispielsweise dialogbasierte KI-Systeme zur Unterstützung von Technik die Produktivität erhöhen.

„Wir können nicht konkurrieren mit großen Bibliotheken, die heute in der KI-Welt gebildet werden und die Entwicklungskapazitäten voraussetzen, über die wir nicht verfügen“, räumt der Rektor ein. Darum wolle sich seine Hochschuhe auf spezifische Anwendungen konzentrieren. „Das große Thema aus unserer Sicht ist außerdem die Verifikation“, sagt Artinger. „Wie stellen wir sicher, dass die Vorschläge der KI technisch machbar und ethisch vertretbar sind?“ Vielleicht wäre das ein Thema für die nächste Tagung.

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