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Abschluss

Die Karlsruher Vesperkirche bietet Wärme im doppelten Sinn

Die Karlsruher Vesperkirche ist ein Erfolgsmodell. Vier Wochen lang öffnete die Kirche täglich ihre Türen, um Bedürftigen Hilfestellung zu bieten. Und die wollen oft nicht gesehen werden.

Vesperkirche am Werderplatz
Hilfestellung und freundliche Begegnungen: Die Vesperkirche am Werderplatz hat sich längst zur Erfolgsgeschichte entwickelt. Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer haben daran beträchtlichen Anteil. Foto: Jörg Donecker

Die lange Schlange im Regen wirkt zunächst wenig einladend, allerdings gibt es heißen Kaffee und es riecht köstlich nach Gulasch. So war es am Sonntag auf dem Karlsruher Werderplatz, am Abschlusstag der 10. Vesperkirche.

Vier Wochen lang öffnete die Kirche täglich ihre Türen, um Menschen zur Vesper einzuladen – und mehr. Denn neben den belegten Broten, Obst, Gebäck und Kaffee gab es warmes Mittagessen, eine Kleiderkammer, Friseurbesuche, Arztpersonal für Mensch und Tier, Live-Musik und Segensandachten.

Die Organisation meistert Pfarrerin Lara Pflaumbaum gemeinsam mit zwei ehrenamtlichen Koordinatorinnen und -koordinatoren. Eine von ihnen ist Britta Hansen, die die Vesperkirche seit der ersten Stunde vor zehn Jahren kennt.

Mit der Zeit sei das Projekt immer größer geworden, sagt sie. Die Karlsruhe Bürgerinnen und Bürger sowie ansässige Firmen seien sehr großzügig in ihren Spenden, „gerade jetzt, wo vielen bewusst wird, dass es ihnen besser geht als anderen“.

Gäste der Vesperkirche auf dem Werderplatz in Karlsruhe sind Menschen, die wenig haben

Doch auch mit allem Geld der Welt könnte die Vesperkirche nicht stattfinden ohne die 400 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer, die kochen, spülen, mit den Menschen reden. Denn neben dem leiblichen Wohl ist es vor allem die Wärme im doppelten Sinne, weshalb die Leute hierher kommen.

Vesperkirche am Karlsruher Werderplatz
Nudeln mit Gulasch gab es für die Besucher der Karlsruher Vesperkirche an einem Sonntag Anfang Januar. Foto: Rake Hora

Besonders in Erinnerung ist Pfarrerin Pflaumbaum der Besuch der Friseurlehrlinge geblieben. „Da nimmt sich jemand Zeit, dir professionell die Haare zu schneiden, und zwar so, wie du es haben möchtest – diese Zuwendung erleben unsere Gäste sonst selten“.

Die Gäste sind Menschen, die wenig haben. Das sind oft Obdachlose oder Geflüchtete aus Russland und der Ukraine, aber auch Menschen in Altersarmut, Menschen, die Geld vom Staat beziehen, oder deren Lohn durch die gestiegenen Kosten zum Leben kaum noch reicht. Es seien schon Konflikte zu beobachten gewesen, zwischen Geflüchteten und Deutschen, zwischen Menschen aus der Ukraine und aus Russland.

Bei der Vesperkirche im kommenden Jahr soll man wieder gemeinsam im Sitzen essen

Was neu sei in diesem Jahr: „Es gibt Menschen, die wollen hier nicht gesehen werden“. Weil es ihnen peinlich sei, mit Menschen aus prekären Umständen in einer Reihe zu stehen.

„Was hier auch so wichtig ist, ist das Schauen über den Tellerrand“, sagt Hansen. „Es sind alles Menschen, die aus verschiedensten Gründen hier sind. Die Armut macht sie aber nicht furchteinflößend oder weniger wert“.

Noch gab es die Vesperkirche in der Corona-Edition, also Anstehen im Freien und kein gemeinsames Sitzen zum Essen. Das soll sich im nächsten Jahr ändern, wenn die Vesperkirche in die elfte Runde geht.

Man merke schon eine Wehmut bei den Leuten, weil es jetzt vorbei sei, so Hansen. Denn: Viele Leute seien hier auch einfach zu Hause. Doch bis zum nächsten Jahr müssen die Gäste zum Glück nicht warten. Ab Mitte März öffnet wieder das Café Dia in der Kirche: Die Zeit für Geselligkeit, fürs Wohlfühlen geht weiter.

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