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Mit dem Einkaufszettel Lesen lernen

Wie Analphabeten in Karlsruhe den Zugang zum Lesen erhalten

Mit dem Einkaufszettel Lesen lernen ist eine von vielen Beispielen, die Volkshochschule Menschen, die nicht richtig lesen oder schreiben können, das Lesen beibringen möchte.

Jörg Althen, Alexa Preuß, Diana Amoroso (von rechts) stehen vor einem Schaufenster mit der Aufschrift „Probleme mit Lesen, Schreiben oder Rechnen?“
Helfen beim Lernen: Jörg Althen, Alexa Preuß und Diana Amoroso (von rechts) wollen Menschen mit Schwierigkeiten beim Lesen oder Rechnen niedrigschwellige Hilfsangebote machen. Foto: Jörg Donecker

In Deutschland können rund 6,2 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter nicht richtig lesen oder schreiben. Das sind etwas mehr als zwölf Prozent der entsprechenden Altersgruppe. Die Zahlen gehen aus der sogenannten LEO-Studie der Universität Hamburg hervor, die im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) erarbeitet wurde.

„Rechnet man den Wert auf Karlsruhe um, so kann man davon ausgehen, dass bei uns etwa 25.000 Erwachsene betroffen sind“, sagt Diana Amoroso, Leiterin des vhs-Projekts „Bildungscoaches in der Grundbildungsarbeit – Transfer“, kurz „BiG Transfer“, genannt. „Nur wenige dieser Menschen besuchen jedoch einen Lese-, Schreib- oder Rechenkurs“, fügt sie hinzu.

Um den Betroffenen zu helfen und niedrigschwellig Angebote zu schaffen, etablierte die vhs vor drei Jahren das Projekt „Bildungscoaches in der Grundbildungsarbeit“ (BiG). Es wurde, ebenso wie das nun gestartete und auf drei Jahre angelegte Nachfolgeprojekt „BiG Transfer“, vom BMBF finanziert.

Im ersten Projekt hat man mit verschiedenen Trägern in der Sozialen Arbeit – Sozpädal, Hagsfelder Werkstätten, AWO und Caritas – zusammengearbeitet, um niedrigschwellige Lese-, Schreib- und Rechenangebote in den jeweiligen Einrichtungen zu etablieren.

„Bei dieser aufsuchenden Grundbildungsarbeit ging es um alltagsbezogene Kurse“, erklärt Amoroso und nennt als Beispiel den Kochkurs, bei dem man die Rezepte liest und gleichzeitig die Mengenangaben auf die Teilnehmerzahl umrechnen muss. „Das hat allen Spaß gemacht, weil sie merkten, dass es im Alltag hilft“, ist Amoroso überzeugt.

Weitere Multiplikatoren zugewinnen

Jetzt, bei „BiG Transfer“, wird mit den genannten Trägern weitergearbeitet, gleichzeitig will man aber auch weitere Multiplikatoren hinzugewinnen. „Wir treten mit verschiedenen Einrichtungen in Kontakt und wollen sie für die Problematik der betroffenen Personen sensibilisieren“, sagt Amoroso.

„Wenn zum Beispiel bei der Schuldnerberatung auffällt, dass jemand Probleme damit hat, die Unterlagen richtig zu lesen, kann die Person an uns vermittelt werden.“ Ziel ist es, eine Netzstruktur aufzubauen, die den Betroffenen Hilfsangebote vermittelt.

Wir wollen den Menschen die Scham nehmen und sie dazu ermutigen, offen über ihre Probleme zu sprechen.
Diana Amoroso, Leiterin „BiG Transfer“

Eine Anlaufstelle ist zum Beispiel der BiG-Lernladen, den die vhs in der Gartenstraße betreibt. Dort finden trägerübergreifende Angebote statt, es gibt aber auch Lernberatung.

„Wir möchten mit den Betroffenen individuell klären, welche Ziele sie erreichen möchten“, meint Amoroso. Manche möchten einen Schulabschluss nachholen, anderen ist es wichtig, sich im Alltag zurechtzufinden. „Und wir wollen den Menschen die Scham nehmen und sie dazu ermutigen, offen über ihre Probleme zu sprechen“, sagt die Projektleiterin.

Alexa Preuß ist Bildungscoach bei BiG Transfer und hat verschiedene Angebote konzipiert: Da geht es zum Beispiel um Einkaufssituationen, bei denen die Teilnehmer eine Einkaufsliste bekommen und einen festen Betrag.

„Sie müssen die Waren suchen und gleichzeitig im Kopf überschlagen, ob das Geld reichen wird“, sagt Preuß.

Bücher in einfacher Sprache lesen

Im Lernladen soll zudem ein Lesekreis initiiert werden, in dem Bücher in einfacher Sprache gelesen werden. „Leider können wir solche Gruppenangebote aktuell aufgrund von Corona nicht auflegen“, bedauert Preuß. „Alle unsere Angebote sind eine Brücke zu den formalen vhs-Angeboten“, erklärt sie.

Jörg Althen ist Fachbereichsleiter Grundbildung bei der vhs und Projektkoordinator von BiG Transfer. Er weist darauf hin, dass es an der vhs immer schon Lese- und Schreibkurse gegeben habe, dass man nun aber Wert darauf lege, die Kurse stärker zu individualisieren.

„Wir bieten jetzt in unserem offenen Programm Vertiefungsangebote für zwei bis maximal acht Teilnehmer an“, sagt er.

Die Teilnehmer haben erfahren, dass man beim Lernen etwas für sich selbst tut.
Jörg Althen, Fachbereichsleiter Grundbildung bei der vhs

Diese vhs-Kurse sind für jene gedacht, die über BiG bereits erste Lernerfolge erzielt haben. „Die Teilnehmer haben erfahren, dass man beim Lernen etwas für sich selbst tut“, sagt er und nennt Beispiele für das individuelle und vertiefte Lernen: „Wir thematisieren auch die gesundheitliche Grundbildung oder klären darüber auf, wie man Handyverträge abschließt“, so Althen.

„Es wird weiterhin die Inhouse-Angebote bei Sozpädal oder AWO geben, wir können aber mit dem offenen vhs-Angebot auch jenen Menschen die Möglichkeit der Teilnahme bieten, die nicht bei den Projektpartnern angesiedelt sind“, erklärt der Fachbereichsleiter.

Service

Informationen zum Projekt „BiG Transfer“ gibt es bei Diana Amoroso, Telefon 56876587.

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