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Weltkirchentreffen

Warum es mit dem Dialog zwischen Ukrainern und Russen in Karlsruhe schwierig ist

Der Krieg in der Ukraine war das große Thema am Freitag beim Weltkirchentreffen in Karlsruhe. Mit der russischen Delegation gab es bislang nur einen Austausch abseits der Bühnen – der war kurz, aber denkwürdig.

Maryna Pedchenko (links) und Helferinnen vom Verein „Ukrainer in Karlsruhe“ weisen die Geistlichen beim Weltkirchentreffen auf den Krieg in der Ukraine hin.
Maryna Pedchenko (links) und Helferinnen vom Verein „Ukrainer in Karlsruhe“ weisen die Geistlichen beim Weltkirchentreffen auf den Krieg in der Ukraine hin. Foto: Rake Hora/BNN

Es ist ihnen unangenehm, aber sie sind müde. Seit einem halben Jahr verteidigen Soldaten die Ukraine gegen den russischen Einmarsch. Seit einem halben Jahr steht auch Maryna Pedchenko mit ihren Helferinnen vom Verein „Ukrainer in Karlsruhe“ immer wieder auf den Straßen und macht auf diesen Krieg aufmerksam.

Viele von ihnen leben seit Jahren in Karlsruhe. Alleine die Vorbereitung der Aktionen frisst unzählige Stunden, nach ihren Demos gehen sie wieder auf die Arbeit. Aber darf man müde sein, während Soldaten ihr Leben für das Land opfern? Maryna Pedchenko stellt sich die Frage, ohne antworten zu können.

Es ist Freitag, neun Uhr, sie steht vor dem Eingang des Weltkirchentreffens am Kongresszentrum. In einigen Minuten werden christliche Kirchenvertreter aus aller Welt über den Krieg in der Ukraine sprechen. Bei der Vollversammlung des ökumenischen Rats der Kirchen (ÖRK) sind 350 Kirchen mit ihren über 580 Millionen Gläubigen vertreten. Über 4.000 Delegierte tagen seit vergangenem Mittwoch und noch bis kommende Woche Donnerstag in der Stadt.

Bevor die Delegierten auf der Bühne Worte zum Krieg hören, sehen sie am Eingang die Plakate von Maryna Pedchenko und ihre Helferinnen. „Gott gibt dem Töten von Kindern nicht seinen Segen“, steht auf einem der Schilder, dazu blutrote Farbe. „Wir wollen zeigen, dass in der Ukraine Krieg ist“, sagt Pedchenko. „Hier ist normales Leben – dort werden Kinder und Zivilisten getötet.“

Man hoffe hier auf Unterstützung der Gläubigen. „Sie müssen zeigen, dass Töten und Foltern aus religiöser Sicht nicht in Ordnung ist.“ Bei der Versammlung könne wirklich jeder seine Meinung sagen, deswegen habe sie so ihre Zweifel, ob es ein klares Zeichen geben wird.

Russische Delegation beim Weltkirchentreffen reagiert empört auf Steinmeier

Bei diesem Weltkirchentreffen gibt es unzählige weitere Themen, Aktionen in der Innenstadt, gemeinsame Gebete. Dass aber die Augen vor allem auf die Haltung zum Krieg in der Ukraine gerichtet sind, hat zwei Gründe.

Zum einen sprechen sich Teile der russisch-orthodoxen Kirche und ihr prominenter Vertreter Patriarch Kyrill aus Moskau für den Krieg aus. Zum anderen hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei seiner Eröffnungsansprache den Fokus deutlich auf dieses Thema gelegt. „Die russisch-orthodoxe Kirchenführung hat sich mit den Verbrechen des Krieges gegen die Ukraine gemein gemacht“, hatte Steinmeier betont und ein klares Zeichen der Versammlung gefordert.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der ukrainischen Kirchen.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern der ukrainischen Kirchen. Foto: Tom Weller/Bundespräsidialamt/dpa

Der russisch-orthodoxe Delegationsleiter, Metropolit Antonius, wies dies gegenüber der Agentur epd als „völlig unbegründet“ zurück und kritisierte, Steinmeier habe „alle humanitären Bemühungen des Moskauer Patriarchats im Zusammenhang mit der Konfrontation in der Ukraine völlig außer Acht gelassen“.

Erzbischof Jewstratij: Russland will Ukraine seiner Identität berauben

Hohe Erwartungen lagen also auf dem Freitagvormittag, an dem es thematisch um Europa jenseits von Krieg, auf dem Weg hin zu Solidarität und Frieden gehen sollte. Schließlich wies auch „Brot für die Welt“-Präsidentin Dagmar Pruin auf die weltweiten Folgen des Krieges hin. Die Nothilfe müsse global aufgestockt werden.

„Die Auswirkungen des Krieges stürzen auch viele Menschen in anderen Ländern in große Not“, sagte Pruin. Das weltweite Hungerleiden werde verstärkt. „Die Strategen des russischen Krieges dürften sich dessen bewusst sein.“ Daher müsse man einerseits helfen, andererseits „den Räuber zur Rechenschaft ziehen“.

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Vor allem aber sollten Ukrainer selbst zu Wort kommen, etwa Erzbischof Jewstratij. Man wolle künftig mehr mitreden, betonte er auf der Bühne. Man habe beantragt, in den ÖRK aufgenommen zu werden. „Das ukrainische Volk bittet um Gnade und Gebete“, sagte der orthodoxe Erzbischof von Tschernihiw und Nischyn. Schon seit Jahrhunderten wolle Russland das ukrainische Volk seiner Identität berauben. „Aber wir kämpfen“, sagte Jewstratij. „Wo Gott ist, ist der Sieg.“

Die Orthodoxe Kirche der Ukraine war vor wenigen Jahren entstanden und wird dem Patriarchat von Konstantinopel zugerechnet. Daneben existiert noch die ukrainisch-orthodoxe Kirche Moskauer Patriarchats.

Zuhörer sind nach der Diskussion in Karlsruhe zwiegespalten

Zum gewünschten Austausch mit der russischen Delegation kam es in Karlsruhe aber bislang nicht, wie Jewstratij berichtet. „Wir haben keine Kontakte mit ihnen.“ Es gebe auch keine Anzeichen, dass die russische Seite einen Dialog wolle. Seine Delegation sei bereit zu einem Gespräch, sofern sie nicht nur Kreml-Propaganda zu hören bekomme. „Es ist nicht einfach, einen Dialog mit jemandem zu führen, der ihnen das Recht auf Existenz abspricht.“

Wie mit dem Thema am Freitag umgegangen wurde, wird von Zuhörern unterschiedlich bewertet. „Es ging eher nur um ein Thema“, sagte Bischof Mar Benyamin Elya von der katholischen syrischen Kirche. „Das ist derzeit in den Medien dominierend. Aber es gibt auch noch andere Probleme, auf die man eingehen sollte, etwa die Verfolgung von Christen im Nahen Osten.“ Adebisi Olateru-Olagbegi zeigt sich nach den Reden emotional berührt. „Wir sind sehr weit weg“, sagt Baptistin aus Nigeria.

Vom Krieg in der Ukraine höre sie nicht unbedingt jeden Tag. „Und hier hören wir, wie Menschen dort sterben, das ist sehr berührend.“ Kirchen müssten nun aktiv helfen.

Kurzer Austausch mit der russischen Delegation

Eine Stimme aus der russisch-orthodoxen Delegation wollte man am Freitag auf der Bühne nicht hören. Das wäre eine Chance auf Dialog, andererseits aber auch ein Risiko gewesen. Irgendeine Form der Rechtfertigung für den Krieg, das machen die ÖRK-Verantwortlichen deutlich, wolle man nicht hören.

Die Rückmeldungen hier tun uns gut.
Maryna Pedchenko, Verein „Ukrainer in Karlsruhe“

Vor dem Kongresszentrum sind viele Geistliche auf die stille Plakat-Demo zugegangen, wie Maryna Pedchenko im Anschluss berichtet. „Sie haben gesagt, sie beten für uns und unterstützen uns mit Projekten.“ Nach ihrer anfänglichen Skepsis wirkt Pedchenko zufrieden. „Die Rückmeldungen hier tun uns gut.“

Auch die russischen Geistlichen seien an ihren Schildern vorbeigelaufen. Nur ein kurzer Wortwechsel, der aber viel aussagt. „Ehre für die Ukraine“, habe ihre Gruppe der Delegation zugerufen. „Im Rahmen Russlands“, hätten die Geistlichen geantwortet.

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