Für drei Monate gilt die Einschätzung des Betriebsarztes, die Frank Bauer am Montag per Post erhalten hat. Bei einer Mitarbeiterin bestehe im Fall einer Corona-Infektion ein großes Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf, schreibt der Mediziner an den stellvertretenden Geschäftsführer der Katholischen Gesamtkirchengemeinde Karlsruhe (KGK). Bauer wird die Erzieherin „vom Dienst am Kind“ bis Mitte Februar 2021 freistellen.
Umgang hat sich seit Pandemiebeginn verändert
Fälle mit solch langen Freistellungen gibt es längst nicht mehr so häufig wie zu Beginn der Pandemie. Trotzdem beschäftigt der Umgang mit Mitarbeitern aus Risikogruppen viele kleine und große Unternehmen.
Unternehmen und Mitarbeiter haben pragmatische Lösungen gesucht und gefunden.Eberhard Hofäcker, Rechtsreferent IHK Karlsruhe
Ein Recht, aus Sorge vor einer Ansteckung Zuhause zu bleiben, gibt es auch während einer Pandemie nicht. Gleiches gilt für das Arbeiten im Homeoffice, sofern dazu keine Betriebsvereinbarung oder ein Tarifvertrag vorliegt. „In den vergangenen Monaten hat sich aber vieles nicht im Bereich Rechte und Pflichten abgespielt“, sagt der IHK-Rechtsreferent Eberhard Hofäcker. „Unternehmen und Mitarbeiter haben eher pragmatische Lösungen gesucht und gefunden.“ Oft heißt das: Neue Arbeitsbereiche und Aufgaben zuweisen, teilweise sogar die Abteilung wechseln.
Im Frühjahr sah das noch deutlich anders aus. So blieben bei der KGK zeitweise Mitarbeiter daheim, weil sie mit Menschen aus der Risikogruppe zusammenleben, berichtet Frank Bauer. Einfache Bescheinigungen vom Arzt reichten aus. „Da haben wir einige Kollegen bei voller Lohnfortzahlung freigestellt“, sagt auch Yvonne Schönemann, Pressesprecherin der Mineralölraffinerie MiRO. Mittlerweile arbeitet ein Teil von Zuhause aus, andere unter strikter Einhaltung von Corona-Schutzmaßnahmen, ergänzt sie. Rund zwei Prozent der Miro-Belegschaft zählt aufgrund chronischer Erkrankungen zur Risikogruppe.
Von der Kita in das Callcenter
Doch was passiert in Bereichen, in denen man nicht einfach auf Homeoffice umstellen kann oder sich der Kontakt zu Menschen nicht stark einschränken lässt? „Im Extremfall muss ein Arbeitnehmer sich Arbeitsunfähigkeit bescheinigen lassen“, sagt Hofäcker. „Dann hat er Anspruch auf sechs Wochen Lohnfortzahlung. Im Anschluss springt die Krankenkasse ein.“ Vor allem zu Beginn der Pandemie sei das häufig passiert, auch aus Angst. Heute sei das Vorgehen weit differenzierter.
Rund 100 Mitarbeiter hat der Ärztliche Dienst der Karlsruher Stadtverwaltung in den vergangenen Monaten beraten. Auch einzelne Dienststellen suchten den Rat der Experten bei der Umsetzung von Schutzmaßnahmen. Etwa die Hälfte der Mitarbeiter wurde auf einen anderen Arbeitsplatz versetzt oder ging ins Homeoffice. Verlässliche Zahlen kann das städtische Personal- und Organisationsamt aber nicht liefern, da jede Dienststelle ihre eigenen Entscheidungen traf, manchmal in Absprache mit anderen Ämtern. So wechselte zum Beispiel eine Erzieherin aufgrund ihrer Risikoeinschätzung vorläufig in das Callcenter des Ordnungs- und Bürgeramtes.
Keine bezahlte Freistellung in der Stadtverwaltung
Pauschale Freistellungen wie teilweise zu Beginn der Pandemie gibt es vor allem bei großen Arbeitgebern nicht mehr. Die Bewertung des individuellen Risikos entscheidet über Maßnahmen. So geht es etwa bei der Stadtverwaltung zunächst darum, Schutzmaßnahmen am Arbeitsplatz zu ergreifen. Danach sei zu prüfen, ob die Arbeit in einem Einzelzimmer oder im Homeoffice realisiert werden könne, erklärt ein Sprecher der Stadt. Gehe auch das nicht, erfolge der Wechsel des Arbeitsplatzes. Eine bezahlte Freistellung sei nicht vorgesehen.
Irgendwann ist alle Büroarbeit gemacht.Frank Bauer, Stellvertretender Geschäftsführer Katholische Gesamtkirchengemeinde Karlsruhe
Pauschal ausschließen will man das hingegen bei der KGK beispielsweise im Bereich der Kitas nicht. Zwar bedeutet die Freistellung „vom Dienst am Kind“ nicht, dass Erzieher nicht mehr arbeiten müssen. „Aber irgendwann ist alle Büroarbeit gemacht“, sagt Frank Bauer. Der Lohn werde trotzdem weiter überwiesen. Die Zahl der Betroffenen sei derzeit vergleichsweise gering, berichtet eine Geschäftsführer im Gespräch mit den BNN. „Trotzdem ist der Umgang mit Mitarbeitern aus der Risikogruppe für viele Unternehmen weiterhin eine heiße Frage.“