In Rüppurr stehen 200 Silberlinden in Reih und Glied. Am Stock ausgerichtet, sind die Stämme in der städtischen Baumschule schon fünf Meter in die Höhe aufgeschossen. Alle drei Meter und acht Reihen nebeneinander warten die Zöglinge auf das Verpflanzen von der Stadtgärtnerei am Oberwaldrand mitten in die City.
Eigentlich sind sie nicht mehr baumschulpflichtig. Fünf Jahre wurden die Baumkinder in Rüppurr „gestäbt“, wie die Experten im Fachjargon das Festbinden an einen Bambusstock zwecks einer wie beim preußischen Militär für einen Straßenbaum vorgeschriebenen geraden Haltung nennen. An ihnen liegt es nicht, sie haben sich wie geplant entwickelt. Der Stadtumbau per Kombilösung hat sich stark verzögert.
Aber in einem Jahr ist es so weit: Ende 2021 sollen die U-Strab und die neue Kriegsstraße mit Autotunnel unten sowie Straßenbahngleisen im neuen Stadtboulevard in Betrieb gehen. Und dann werden die jungen Linden ihren Stamm stehen. „Die 200 Silberlinden werden als Alleebäume das Grüngleis der Straßenbahn in der Mitte der Kriegsstraße säumen“, erklärt Walter Burg vom Gartenbauamt.
Im Herbst 2014 gekauft
Diese Jungbäume sind dann sechs Jahre in die Baumschule beim Rüppurrer Märchenviertel gegangen. „Nur bei großen Bauprojekten betreiben wir diesen außergewöhnlichen Aufwand“, sagt Burg. „Als Zweijährige wurden sie im Herbst 2014 als daumendicke Stämmchen gekauft“, berichtet Gärtnermeister Andreas Ehmer.
Er „erzieht“ die Jungbäume. „Sie gehen bei mir in die Schule.“ Ehmers Blick schweift nach sechs Jahren Aufzucht zufrieden durch die Reihen der schlanken Kronen mit den herzförmigen Blättern. „Nur drei bis fünf Prozent sind Ausschuss“, bilanziert der Leiter der städtischen Baumschule.
Mit ihrem Silberfilz auf der Unterseite und dem kräftigen Grün des Oberblatts schillern die Linden. „Nur im Frühling tragen sie ein frisches Lindgrün“, weiß Ehmer. Ihren ersten Winter in Karlsruhe haben die „wurzelnackt“ angelieferten Baumkinder als nur zweieinhalb Meter lange „eintriebige Stengel im Sandeinschlag“ verbracht.
Im Frühjahr 2015 haben die Karlsruher Gärtner sie dann in Stellung gebracht und danach oben wie unten per „Erziehungsschnitt“ in Form gebracht. Für das gewünschte Höhenwachstum wird die kleine Krone ausgelichtet und der Stamm aufgeastet. So erreicht man die gewünschte Baumfigur mit schlanker Herzform der Krone, analog zum Lindenblatt.
Insgesamt 300 Bäume am Boulevard
Auf weiter Strecke der Kriegsstraße werden neben den 200 Silberlinden in der Mitte 70 schlanke Dreizahn-Ahornbäume die Ränder säumen. Wegen der vielen Leitungen könnten dort nicht mehr Bäume gedeihen, erklärt Burg. Vor allem auf der Südseite beim Landratsamtshochhaus werden überdies 20 junge Platanen den Altbestand ergänzen. Folglich gibt es vier Baumreihen in der neuen Kriegsstraße, mit insgesamt 300 Bäumen zwischen Karlstor und Mendelssohnplatz.
Am Westende des 1,6 Kilometer langen Autotunnels strecken bereits seit einem halben Jahr 25 Winterlinden am Straßenrand entlang der Volksbank und der Listschule ihre Wipfelchen. „Noch in diesem Jahr werden dort auch auf der Südseite der Ludwig-Erhard-Allee zehn und nächstes Jahr weitere 15 Winterlinden gepflanzt“, berichtet Burg, der für das Grün bei der Kombilösung verantwortlich ist.
Mit den 200 Silberlinden an der Bahntrasse in der Kriegsstraße ziehen also insgesamt 250 neue Linden in die Stadt. Dazu kommen noch zehn Blauglockenbläume auf dem noch namenlosen neuen Plätzchen an der Einmündung der Kapellenstraße beim Mendelssohnplatz. Zählt man also alle Stämme am City-Boulevard über dem Autotunnel, kommt man auf 350 Bäume. Und schon gibt es im Baudezernat Gedankenspiele für die Baumreihen fünf und sechs auf Abschnitten eines weiter umgestalteten Boulevards Kriegsstraße.
Stress ist für Straßenbäume „exorbitant“
Weil die Umgestaltung der Kaiserstraße und damit deren Neubepflanzung sich vermutlich bis 2025 weiter verzögert, muss das Gartenbauamt reagieren. Längst waren 50 kleine Zürgelbäume, welche die Platanen in der Fußgängerzone ersetzen sollen, in Rüppurr eingeschult worden. Nun sind sie reif für die Verpflanzung. „Wir setzten sie deshalb um die neue Basketballhalle bei der Elisabeth-Selbert-Schule ein“, erläutert Burg.
Die Silberlinden für die Kriegsstraße gelten als „Zukunftsbäume“, versichert Burg. Diese Baumart sei geeignet, dem Klimawandel mit immer höheren Temperaturen und mehr Trockenheit zu trotzen. Überhaupt können Linden sehr alt werden. Um manche Dorflinde tanzten schon vor 400 Jahren die Liebespaare. Selbst als Straßenbaum in der Stadt gibt Ehmer den jungen Linden eine Lebenserwartung von um die 100 Jahre. „Aber versprechen können wir das nicht, der Stress für die Bäume ist schon exorbitant“, meint Burg.
6.000 Bäume in einer Schule
Neben den Gewächshäusern an der Gebrüder-Grimm-Straße in Rüppurr steht zwar kein Märchenwald. Dort aber gehen nicht nur die 350 Bäume für die Kriegsstraße in die Schule, sondern insgesamt 6.000 Bäume. „Wir brauchen jedes Jahr 1.000 Bäume als Ersatz für gefällte oder für Neubaugebiete“, erklärt Rektor Ehmer. In der Stadtgärtnerei wächst noch viel mehr mit der Pflege durch zehn Fachkräfte und 21 Auszubildende heran: 4.000 Sträucher, 24.000 Bodendecker und dazu noch jedes Jahr 500.000 Blumen.