Heide Wenz möchte ihren Franz am kommenden Donnerstag in den Arm nehmen. Die beiden feiern Diamantene Hochzeit. Nicole Rösner will am Sonntag so gerne ihre Oma Irene knuddeln. Irene Hornschuh wird 100 Jahre alt.
Allen bleibt nur ein Winken aus der Ferne. Denn Franz Wenz lebt ebenso wie Irene Hornschuh in einem Karlsruher Altenheim, das vom Gesundheitsamt unter Quarantäne gestellt worden ist. Besuche dort sind seit Wochen nicht mehr möglich.
„Es ist furchtbar“, sagt die fast 80-jährige Heide Wenz unter Tränen. Im März musste sie ihren zwei Jahre älteren Mann ins ASB-Pflegeheim Lucia Hug bringen. Schon der erste Lockdown ohne Besuchsmöglichkeiten sei fürchterlich gewesen. „Seit drei Wochen habe ich meinen Mann jetzt nicht mehr gesehen“, sagt sie. „Bei jedem Telefonat merke ich, wie er immer mehr abbaut.“
Das Paar, so erzählt Tochter Petra Wenz, sei ein Leben lang sehr stark auf die Familie fixiert gewesen. „Ich habe Angst, dass mein Papa an Einsamkeit stirbt“, sagt sie. Heide Wenz, die von ihrem Franz gepflegt wurde, bis die Demenz ihn veränderte, wäre schon über einen Besuch hinter einer Trennscheibe glücklich. Heimleiterin Hannelore Pantel ist mit der Situation unzufrieden.
Fast täglich Kontakt zum Gesundheitsamt
„Es ist ja nicht so, dass ich die Menschen nicht zueinanderlassen will, ich darf es schlicht und ergreifend nicht“, erklärt sie die Quarantänebestimmungen im Pflegeheim. Fast täglich bespreche sie mit dem Gesundheitsamt, welche Lockerungen möglich seien. „Unser Anliegen ist es, gerade dementen Menschen genügend Reize zu bieten“, sagt Pantel, „sonst geht der Abbau noch schneller vorwärts.“
Im so genannten „geschützten Bereich“, in dem Franz Wenz mit 14 anderen Demenzkranken lebt, sei bislang kein Corona-Fall aufgetreten und die Bewohner dürften sich auch frei bewegen. „Umso wichtiger ist es, dass dort auch wirklich alle gesund bleiben“, macht die Heimleiterin deutlich.
Haus bleibt weiter unter Quarantäne
Besuchen unter größtmöglichen Sicherheitsmaßnahmen steht sie skeptisch gegenüber, denn „dementen Menschen ist es schwierig bis unmöglich klar zu machen, dass sie ihre Liebsten nicht umarmen dürfen.“ Im Haus Lucia Hug werden wöchentlich Schnelltests bei den Pflegekräften und derzeit 73 Bewohnern durchgeführt. Solange es noch positiv Getestete gebe, bleibe das Haus wohl unter Quarantäne.
„Unser Pflegepersonal ist genau so traurig, wie es die Bewohner sind“, erklärt René Wenz von der ASB Seniorenresidenz Am Park die Quarantäne-Situation. „Uns sind die Hände gebunden“, fügt der Heimleiter an und macht klar, dass die Gesundheit der Bewohner, aber auch des Personals wichtig sei. Corona-Schnelltests für alle werden regelmäßig durchgeführt.
Irene Hornschuh, die in diesem Haus am 6. Dezember ihren 100. Geburtstag feiert, kann ihre Verwandten also nur am Fenster sehen. „Wir bieten auch Videotelefonie an“, ergänzt Wenz. Holzschuh, die fast blind ist, nützt das wenig. Enkelin Nicole Rösner ist traurig: „Die Oma hatte sich schon so gefreut, dass jemand vom Rathaus zum Gratulieren kommt.“
Die Oma hatte sich schon so gefreut, dass jemand vom Rathaus zum Gratulieren kommt.Nicole Rösner
Jetzt bleibt ihr nur, gemeinsam mit der Familie unter Omas Balkon ein Ständchen zu singen und ihr einen riesigen Luftballon überbringen zu lassen. Irene Hornschuh, die aus Dresden stammt, als Ballettartistin tätig war, die 50 Jahre in Frankfurt lebte, vier Jahre in Spanien bei ihrem Sohn zubrachte und nach einem Heimaufenthalt in Dresden seit Februar im Karlsruher ASB-Heim lebt, hat schon einiges mitgemacht in ihrem Leben.
„Die Oma ist hart im Nehmen und vernünftig“, sagt die Enkelin. Sie sage, man müsse das einhalten, was das Gesetz vorschreibe, und „macht doch nicht so ein Theater um den 100.“
Und dennoch hätte sie gerne im Kreis ihrer Lieben via Skype über eine Großleinwand mit ihrem Sohn in Spanien auf ihren hohen Geburtstag angestoßen.