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Corona-Krisenplan im Museum

Karlsruher Aquarianer stecken Quallen-Babys in Quarantäne

Auch Quallen stecken in Quarantäne: 30 Babys der größten Schirmquallenart der Welt kreiseln im Naturkundemuseum Karlsruhe am Friedrichsplatz vorübergehend im Keller. In dem Haus mit dem XXL-Haibecken organisieren die Experten jetzt möglichst krisenfest.

Quallen im Staatlichen Naturkundemuseum Karlsruhe
Zerbrechlich sehen die jungen Exemplare der Gepunkteten Wurzelmundqualle aus, und sie sind es tatsächlich. Bei der leisesten Berührung reißen ihre fadenförmigen Anhängsel ab. Foto: Jörg Donecker

Auch Quallen stecken in Quarantäne: 30 Babys der größten Schirmquallenart der Welt kreiseln im Naturkundemuseum Karlsruhe am Friedrichsplatz vorübergehend im Keller. Die zarten Neuzugänge hat es kalt erwischt, so dass in dem Museum mit dem XXL-Haibecken jetzt möglichst krisenfest organisiert wird.

Gepunktete Wurzelmundquallen sind auffallend schön. Für die schwebenden Schönen aus der Südsee ist die Bühne bereitet. Ob in der Schau oder in der stillen Reserve: Sie leben bei den Karlsruher Experten in speziellen Aquarien, die ihrer Lebensweise entsprechen. Die Tiere sind ständig in leichter Bewegung und schlucken Plankton.

Gepunktete Wurzelmundquallen wachsen rasant. Innerhalb von zwei Jahren verzehnfachen sie ihre Startgröße. Am Ende haben sie 35 Zentimeter Durchmesser. Manche bringen es sogar auf 70 Zentimeter.

Doch nun müssen auch die Quallen in Quarantäne. Das hat nichts damit zu tun, dass sie optisch dem Coronavirus ähneln. Dass sie nicht in die Schau im Westflügel umziehen, wo die Haie Karli und Karla im XXL-Korallenbecken die Publikumsmagneten sind, hat einen anderen Grund.

Experten stellen sich auch im Museum auf Corona-Krise ein

Denn jetzt, wo ohnehin im öffentlichen Leben nichts mehr geht, um den Covid-19-Erreger zu bremsen, optimiert das kleine Expertenteam des Hauses alle Abläufe. Das ist wichtig, um auch im Krisenfall weiter zu funktionieren.

Im Unterschied zu dem lebensgefährlichen Virus sind die getüpfelten Meeresbewohner harmlos. An ihren Mundröhrenarmen sitzen Nesselzellen, aber die Berührung spüren Hannes Kirchhauser und seine Tierpfleger kaum.

Die Tentakel reißen leicht ab.
Hannes Kirchhauser, Chef der Aquarien und Terrarien im Naturkundemuseum Karlsruhe
 

Dennoch passen die Aquarianer höllisch auf, wenn sie in die Becken greifen, um zum Beispiel Scheiben zu reinigen. „Die Tentakel reißen schnell ab“, stellt der Chef des lebenden Inventars in der Dauerausstellung „Form und Funktion – Vorbild Natur“ bedauernd fest. 

Ein Trost: Die fadenförmigen Anhängsel sind offenbar verzichtbar. In der Natur fänden sich Tiere mit und ohne solche zarten Fortsätze, berichtet Kirchhauser. Über deren Funktion rätsele auch die Fachwelt noch.

Die Qualle taucht auch im Mittelmeer auf

Entdeckt haben die Fachleute hingegen, dass die große Schirmqualle ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet im Pazifik zwischen Australien und Thailand enorm ausgedehnt hat. Als invasiver Organismus wird sie im Golf von Mexiko, inzwischen sogar im Mittelmeer gesichtet, erzählt der Karlsruher Aquarienchef.

Ohne die Corona-Pandemie säße Kirchhauser in diesen Tagen mit anderen Biologen auf der italienischen Insel Giglio. Die wissenschaftlich motivierten Taucher hatten schlicht Glück, dass ihre Saison nicht früher beginnt.

Die Tierpfleger machen sich schon so in ihrem aktuellen Alltag ohne Besucher genug Sorgen, wie sie das lebende Inventar im Fall einer Infektion im Team versorgen können. Von fünf Spezialisten sind jetzt jeweils drei im Ausstand, als stille Reserve.

Quallen schweben in einem Aquarium
Ganz vorsichtig reinigt Johann Kirchhauser die Quallenkreisel im Keller des Naturkundemuseums – in Corona-Zeiten nicht die einzige Herausforderung. Foto: Jörg Donecker

 

Mindestens zu zweit muss die tägliche Routine gestemmt werden. Amateure helfen da kaum, Kollegen etwa aus der Museumspädagogik und der Zoologie werden aber gerade angelernt. So hat Kirchhauser seine Truppe immerhin auf 13 Köpfe vergrößert.

Morgenrunde dauert zwei Stunden

Der Bufdi-Freiwillige erklärt die zweistündige Morgenrunde: Aquarientechnik pur, von Abschäumer über Nitratfilter bis Wasseranalytik. Verdunstungswasser muss ersetzt, Kalk für die Korallen nachdosiert werden.

Am Ende schwirrt Laien der Kopf. Das Füttern ist auch nicht trivial. Einer muss nun mal genau wissen, was Kalli, Karla und die Tausende kleinen Bewohner der 30 Schaubecken verschlingen dürfen.

Der Live-Stream aus dem Korallenbecken im Naturkundemuseum funktioniert trotz Corona-Quarantäne weiter:

 

20 weitere gestrandete Jungtiere kommen noch

Die Ohrenquallen bleiben nun noch im Schaukreisel des Westflügels, während im Keller bald weitere 20 Jungtiere der künftigen, getüpfelten Attraktion eintreffen. Sie sind wegen Corona gestrandet und die Karlsruher haben noch Platz für sie.

Satt wird die Quallenschar mit dem Wurzelmund auf jeden Fall. In ihrem Gewebe leben winzige Algen, die zusätzliche Nährstoffe produzieren.

Interessant, dass ausgerechnet diese wunderschöne Art Probleme macht.
Hannes Kirchhauser, Karlsruher Experte für Meerwasseraquaristik
 

„Ich finde es interessant, dass ausgerechnet diese wunderschöne Art durch Massenvermehrung Probleme macht“, sagt Kirchhauser. Schweben diese Medusen in riesigen Wolken durchs Meer, fressen sie alles Plankton. Andere Jungtiere verhungern.

Im Museum werden aber alle satt. Die Tüpfelquallen leuchten sogar besonders intensiv. Damit zeigen sie ihr Wohlbefinden. „Wir hatten Glück mit der richtigen LED-Lichtmischung“, verrät der Aquarienchef.

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