Die Entscheidung über die Einführung des Neun-Euro-Monatstickets ist für Landrat Christoph Schnaudigel (CDU) die „Schnapsidee einer Nachtsitzung der Ampel-Koalition“. Keine Zweifel, was er von dem Vorhaben hält, ließ der Chef der Landkreisbehörde bei der jüngsten Sitzung des Verwaltungsausschusses (Kreistag) in Karlsruhe aufkommen.
Das Ganze habe keinen Nachhaltigkeitseffekt. „Es verpufft sofort“, meint Schnaudigel. Nach ersten Berechnungen werde bundesweit von einem Kostenvolumen für das Ticket von rund 2,5 Milliarden Euro ausgegangen. Hinzu kämen Verwaltungskosten, die da noch gar nicht mit eingerechnet wären.
Keine Frage, bei seiner Einschätzung über besagtes Ticket fuhr Schnaudigel große verbale Geschütze auf. Seiner Ansicht nach hätte es bessere Möglichkeiten gegeben, den Milliardenbetrag zu investieren; beispielsweise in die Reaktivierung stillgelegter Strecken und in die Dieselpreise (für Busse).
Einen Seitenhieb Richtung Berlin hatte auch Sven Weigt (CDU) parat: „Die derzeitige Krise verträgt keine populistischen Entscheidungen über Nacht.“
KVV führt Neun-Euro-Monatsticket erst zum 1. Juni ein
An Monatskarteninhaber gewandt, appellierte Schnaudigel, dass sie ihre Jahreskarte für die Dauer der drei Monate nicht kündigen sollten. Sein Versprechen: „Es wird Modalitäten für eine Rückerstattung geben.“
Als wichtige Botschaft, eben dass die Jahreskarteninhaber nicht benachteiligt werden, bewertete Markus Rupp (SPD) Schnaudigels Aussage. Übrigens: Stand heute soll das Neun-Euro-Monatsticket laut Kreisverwaltung nicht zum 1. Mai, sondern zum 1. Juni eingeführt werden.
Mit den Statements über die Berliner Ampel war das kritische Potenzial bei der Ausschusssitzung aber noch längst nicht verpufft. Das Thema Fahrkartenumstellung, das für viel Schlagzeilen, für viel Verdruss und Ärger bei Stadtbahnnutzern sorgte, griff Johannes Arnold (Freie Wähler) auf.
Im KVV-Aufsichtsrat sitzen vier Vertreter des Landkreises Karlsruhe
Ob die Karlsruher Entscheidung für den bisweilen heftig kritisierten Fahrkartenwechsel vom Aufsichtsrat des Karlsruher Verkehrsverbundes (KVV) auch des nachts getroffen wurde, sei mal dahingestellt. Das Ergebnis und die mangelnde Kommunikation darüber bezeichnete der Ettlinger Oberbürgermeister jedenfalls als „mittleres Debakel in der Außenwirkung“.
Ein gutes System sei abgeschafft worden und damit seien Probleme geschaffen worden: „War es das wert?“ Obendrein monierte Arnold den Zeitpunkt der Aufsichtsrats-Entscheidung. Im Juni 2019 sei sie getroffen worden. Einen Monat später habe aber erst der neugewählte Kreistag seine Arbeit aufgenommen.
Es wird Modalitäten für eine Rückerstattung geben.Christoph Schnaudigel, CDU-Landrat
Durchaus ein gewichtiges Wörtchen hat eben dieses Gremium bei Fragen rund um den ÖPNV mitzusprechen. Dem KVV-Aufsichtsrat gehören neben sieben Vertretern der Stadt Karlsruhe sowie jeweils einem Vertreter aus Landau und Germersheim auch vier Vertreter des Landkreises Karlsruhe an.
Fahrgastbeirat ist zur nächsten Aufsichtsratssitzung eingeladen
Rundweg abgelehnt wurde im Aufsichtsrat die Anregung, Kundengruppen des ÖPNV den einen oder anderen Sitz einzuräumen. Die Begründung, dass man dafür den Gesellschaftervertrag hätte ändern müssen, ließ Arnold nicht gelten. „Es scheint eher so zu sein, dass man dies nicht will.“
Dagegen verwahrte sich Schnaudigel mit dem Hinweis, dass die Zusammensetzung des Aufsichtsrates gut austariert wäre. Zudem habe man den Fahrgastbeirat zur nächsten Aufsichtsratssitzung eingeladen. Eine echte Bürgerbeteiligung indes wünschte sich Inge Ganter (Grüne).
In der zusätzlichen Fahrkartenregelung (der Fahrgast trägt auf seine analoge Fahrkarte die Daten ein) sieht Karl-Heinz Hagenmeier (SPD) eine Verbesserung. Eher salomonisch äußerte sich Jürgen Wacker (FDP), der darauf hinwies, dass man es auch beim ÖPNV nicht allen recht machen könne.