Zoom, Moodle, Teams, Jitsi und Big Blue Button – mit all diesen Begriffen hätte vor einem Jahr wohl kaum jemand etwas anfangen können. Mittlerweile können zahllose vom Homeschooling betroffenen Familien ein Lied vom Umgang mit all diesen Online-Plattformen singen.
Und einer tut dies auch im wörtlichen Sinn: Gunzi Heil, wort- und tastengewaltiger Musikkabarettist, widmet sich in seinem Song „Zoom into the classroom“ den technischen Herausforderungen und ihren kuriosen Nebenwirkungen.
Gehört hat diesen Song bis vor wenigen Tagen kaum jemand. Denn wie alle Künstler konnte Heil seit März 2020 nur sehr selten live auftreten.
Jetzt ist das Stück öffentlich zugänglich. Zwar nicht über Jitsi, Zoom & Co., aber über YouTube. Für die fünfte Folge der Reihe „Tollhaus TV“ hat Heil diesen Song für die Kameras eingespielt – obwohl er seinen Platz nicht im Streaming sieht. „Meine Auftritte leben von der direkten Verbindung zum Publikum“, sagt Heil.
Gunzi Heil: Komik der scheiternden Kommunikation
Die fällt bei Online-Auftritten weg. Auch, weil es bislang sehr schwierig ist, auf der Datenautobahn tatsächlich mehrere Leute in verzögerungsfreien Kontakt zu bringen. Das wiederum ist Thema des Songs: Heil thematisiert nicht Pro und Contra des virtuellen Unterrichts, sondern beschreibt die Komik der scheiternden Kommunikation.
Sage und schreibe acht Minuten lang erzählt er wendungs- und pointenreich, wie eine Mathematiklehrerin namens Krause ihrer Klasse 7a eine Aufgabe vermitteln will, während im virtuellen Klassenzimmer noch wilder durcheinandergequatscht wird als im Analogunterricht.
Wenn man einfach die Abläufe beobachtet, dann ist vieles davon doch ziemlich kurios.Gunzi Heil, Musikkabarettist aus Karlsruhe
„Wenn man auf die ganze Situation mal nicht mit der Frage schaut, ob hier Lernziele vermittelt werden können, sondern einfach die Abläufe beobachtet, dann ist vieles davon doch ziemlich kurios“, kommentiert der Vater zweiter Töchter.
Von denen hat er übrigens all die Fachausdrücke gelernt, die er nun in Gunzi-typischem Tempo herausschleudert. „In meiner Branche läuft alles über Mail und Telefon“, sagt Heil. „Vor dem ersten Lockdown hatten wir zuhause gar kein Endgerät, über das die Kinder all diese neuen Chats hätten führen können.“
Vor dem ersten Lockdown hätte sich seine Branche, der Kulturbetrieb, wohl auch nie gedacht, derart stillgelegt werden zu können wie es derzeit der Fall ist. Doch während das Homeschooling den tatsächlichen Schulbetrieb zu erhalten versucht, sind die vielen Online-Angebote im Kulturbereich eher Lebenszeichen und der Versuch, beim Publikum in Erinnerung zu bleiben.
„Tollhaus TV“ geht wöchentlich online
Die wöchentlich mit neuen Videos aufwartende Reihe „Tollhaus TV“ reflektiert dies, indem sie gar nicht versucht, komplette Programme abzubilden. Statt dessen gibt es kurze Gespräche mit den eingeladenen Künstlern und pointierte Kurzdarbietungen unterschiedlicher Genres. Thematisch wird aufgefächert, was eigentlich in diesen Wochen hätte stattfinden sollen.
So drehten sich die jeweils 30- bis 45-minütigen Beiträge schon um Jazz, Kabarett oder ein Perkussionduo. Im Zentrum der sechsten Folge, die an diesem Samstag online gehen wird, steht der Neue Zirkus – jene erzählerische Form der Artistik, der sich das Tollhaus nicht nur bei seinem „Atoll“-Festival immer wieder widmet.
Für Gunzi Heil soll die Online-Präsenz zunächst eine Ausnahme bleiben. „Eigentlich leben meine Auftritte von der Kommunikation mit den Zuschauern“, sagt er. Den Song habe er nun bewusst so gespielt, dass keinerlei Pausen für Publikumsreaktionen entstehen, die online ins Leere laufen würden. „Sobald ich wieder live auf die Bühne darf“, lacht Heil, „lasse ich mich aber auch gerne wieder von Lachern oder Zwischenapplaus unterbrechen.“