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Nach Bluttat in Hanau

Karlsruher Muslime kritisieren Umgang mit rechter Gewalt und wollen angstfrei leben

Der Karlsruher Muslimkreis kritisiert nach der Bluttat in Hanau den Umgang der Gesellschaft mit der Bedrohung von Rechts. Er fordert ein größeres Engagement. Karlsruhes Sozialbürgermeister Martin Lenz fühlt sich an RAF-Zeiten erinnert.

Zu einer Mahnwache in Karlsruhe in Gedenken an die Opfer von Hanau, kamen am Donnerstagabend rund 200 Menschen auf den Kirchplatz St. Stephan.
Zu einer Mahnwache in Karlsruhe in Gedenken an die Opfer von Hanau, kamen am Donnerstagabend rund 200 Menschen auf den Kirchplatz St. Stephan. Foto: jodo

„Es ist schockierend“, sagt Rüstü Aslandur am Donnerstag im Gespräch mit den BNN immer wieder. Die Bluttat von Hanau , die sich allem Anschein nach gezielt gegen Migranten richtete, beschäftigt den Vorsitzenden des Deutschen Muslimkreises Karlsruhe (DMK) sehr. Er selbst hat Bekannte in Hanau – gesprochen hat er mit ihnen noch nicht. Die Nachricht über die Bluttat habe ihn fassungslos gemacht, aber kaum überrascht.

„Es war eine Frage der Zeit, bis die Atmosphäre in Gewalt umschlägt“, sagt er. Bei den Muslimen in der Stadt sei die Bedrohung von Rechts längst ein Dauerthema.

Angst vor Gewalt und Rassismus

Die Angst vor Gewalttaten und Rassismus wirkt sich laut Aslandur auf den Alltag vieler Muslime in Karlsruhe aus. So überlege mancher zweimal, ob er tatsächlich ein Hinweisschild auf eine muslimische Einrichtung am Haus anbringen möchte oder kontrolliere regelmäßig seine Schlösser.

Die breite Öffentlichkeit habe diese Gefahr aber viel zu lange ignoriert, kritisiert der DMK-Vorsitzende: „Die Anzeichen wurden heruntergespielt, weil einseitig der islamistische Terror im Fokus stand. Das ist frustrierender als die Tat.“

Muslime wollen sich nicht einschüchtern lassen

Besonders betroffen ist Najoua Benzarti ob der Ziele des Angriffs. „Es ging nicht gegen eine Moschee oder ein Flüchtlingsheim. Der Täter hat an Orten zugeschlagen, an die Menschen kommen, um sich zu entspannen“, sagt die Vorsitzende der Christlich-Islamischen Gesellschaft Karlsruhe.

Sie selbst spürt zwar das veränderte Klima, will sich aber nicht einschüchtern lassen. „Karlsruhe ist meine Heimat. Ich habe keine Angst, wenn ich hier unterwegs bin“, sagt Benzarti.

Ich fühle mich seit Mittwochabend an RAF-Zeiten erinnert.
Martin Lenz, Sozialbürgermeister Karlsruhe

Karlsruhes Sozialbürgermeister Martin Lenz (SPD), in dessen Dezernat Integration und Migration angesiedelt sind, will den Hanauer Angriff nicht einzig als Attacke auf Muslime verstanden wissen. „Die Bedrohung von Rechts betrifft uns alle. Ich fühle mich seit Mittwochabend an RAF-Zeiten erinnert“, sagt er.

Ein Erstarken von rechten Gruppierungen und rassistisch motivierte Morde habe er vor Jahren nicht mehr für möglich gehalten. „Jetzt ist es soweit. Rechte Gewalt ist im Anmarsch und wird begleitet in den Parlamenten. Hier sollten sich manche Kreise überlegen, was Sprache bewirkt“, stellt Lenz klar, wo er eine Mitschuld für die Entwicklung sieht.

Ins gleiche Horn stößt auch DMK-Vertreter Aslandur – und er meine damit nicht ausschließlich die Rhetorik der AfD. „Das haben beispielsweise die Debatten um den Moscheebau in Karlsruhe gezeigt. Auch so werden antimuslimische Ressentiments bedient“, sagt er.

Keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen in Karlsruhe

Die Polizei wird nach der Hanauer Attacke vorerst keine zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen ergreifen, kündigt Sprecher Ralf Minet an. Viele Einrichtungen würden ob der „abstrakten Gefährdungslage“ ohnehin überwacht. Es gebe derzeit keinen Anlass, hier etwas zu verändern.

Das gelte auch für den Schutz von Generalbundesanwalt Peter Frank , für den ebenfalls die Karlsruher Polizei verantwortlich ist. Frank hatte zuletzt ein Ermittlungsverfahren gegen zwölf mutmaßliche Rechtsterroristen eingeleitet und auch im Fall Hanau die Federführung übernommen.

Muslimkreis wünscht sich mehr Engagement

Durch die Bundesgerichte und die Ermittlungen des Generalbundesanwalts stehe Karlsruhe nun wieder einmal im Fokus, sagt Bürgermeister Lenz. Beim Kampf gegen rechtes Gedankengut und Rassismus in der Stadt sei man aber gut aufgestellt. „Wir haben ein ganz besonderes Integrationsklima. Die Zivilgesellschaft engagiert sich an vielen Stellen außergewöhnlich stark“, sagt er.

Dennoch wünscht sich Rüstü Aslandur mehr. Er schlägt vor, die Eröffnung der geplanten muslimischen Kulturwoche im Oktober in den Bürgersaal des Rathauses zu verlegen. „Das wäre eine Anerkennung von höchster Stelle, die in die Gesellschaft hinein wirkt“, erklärt er.

Klare Positionierung im Kampf gegen Rechts

Kleine Ideen zur Völkerverständigung bewirken laut dem DMK-Vorsitzenden hingegen oft wenig. „Wenn man beispielsweise Nachbarn einlädt, kommen kaum Reaktionen“, berichtet Aslandur. Dabei sei gerade dieser persönliche Kontakt wichtig, um Vorurteile abzubauen, ergänzt Najoua Benzarti.

Dieser Hass entsteht, weil die Leute sich nicht kennen.
Najoua Benzarti, Christlich-Islamischen Gesellschaft Karlsruhe

„Unschuldige Menschen sind in Hanau durch Hass gestorben. Dieser Hass entsteht, weil die Leute sich nicht kennen“, sagt sie. Die Tat sei für sie nur ein Grund mehr, für das friedliche Zusammenleben zu kämpfen. Weitere Unterstützung dafür stellt Bürgermeister Lenz zumindest in Aussicht. Man müsse noch mehr Veranstaltungen klipp und klar unter das Motto „Kampf gegen Rechts“ stellen, sagt er.

Mahnwache in Karlsruhe

Zu einer Mahnwache in Karlsruhe in Gedenken an die Opfer von Hanau, kamen am Donnerstagabend rund 200 Menschen auf den Kirchplatz St. Stephan.

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