Der Tod eines nahestehenden geliebten Menschen ist für die Hinterbliebenen meist ein Schockerlebnis. „In dieser ersten Phase können die meisten Betroffenen noch gar nicht trauern. Sie müssen dazu einen offenen Zugang finden. Aber Trauer allein zu bewältigen, ist schwer und ein langer Weg“, weiß Annette Süß aus Erfahrung.
Die Dettenheimerin ist selbstständig zertifizierte Trauerrednerin. Im Wunsch, Trauernde weitergehend zu unterstützen, rief sie im November unter dem Motto „Kein Abend mehr zu zweit“ in Dettenheim einen Gesprächskreis für frisch Verwitwete ins Leben.
Zur Seite hat sie als ausgebildete seelsorgerliche Begleiterin Doris Riegel aus Waghäusel. Die beiden fanden über ihr langes gemeinsames ehrenamtliches Engagement als Notfallseelsorgerinnen zusammen.
Bei Betroffene wächst das Empfinden, in der Trauer nicht alleine zu sein
„Wir sind noch in der Startphase und denken perspektivisch daran, das Angebot im Spätjahr fortzusetzen“, sagt Annette Süß. Insofern handle es sich also zumindest absehbar um kein dauerhaftes Angebot mit direkt aufeinanderfolgenden neuen Gesprächskreisen. Derzeit sind keine neuen Anmeldungen möglich.
Fast alle der neun Frauen und Männer, die sich bis Februar an sechs Abenden im Kreis treffen, haben kürzlich ihre Partner verloren. „Tod und Trauer sind gesellschaftliche Tabuthemen“, sagt Süß. „Bei uns aber können sich die Trauernden öffnen, über wirklich alles reden und sich darüber austauschen. Trauer gemeinsam zu tragen, macht es einfacher, damit umzugehen.“
In der geschlossenen und vertrauensvollen Gruppe wachse das Empfinden, in der Trauer nicht allein zu sein, verstanden und anerkannt zu werden. Bei begrenzter Gruppengröße bestehe genügend Raum zum individuellen Eingehen auf jeden Einzelnen, so Süß.
Zeitpunkt wurde bewusst auf die dunkle Jahreszeit gelegt
Den Zeitpunkt für den Start haben die Frauen bewusst auf die dunkle Jahreszeit gelegt, die Trauerbewältigung noch schwieriger macht. „Es gibt in dieser Zeit Tage der besonderen Erinnerungen wie Weihnachten und Silvester“, sagt Doris Riegel.
So lautete das Thema vor dem Christfest auch „Weihnachten ohne dich“. Der erste Abend war dem Ankommen und Kennenlernen vorbehalten, bei dem die Trauernden über sich und ihre Empfindungen sprachen.
„Wir zünden an jedem Abend für jeden Verstorbenen eine Kerze an. Das vermittelt, dass die Verstorbenen mitten unter uns sind“, erläutert Süß. Über Monate hat sie bei 120 Unterrichtseinheiten bei einem Fachinstitut in Gelsenkirchen ihr Zertifikat in Familientrauerbegleitung erworben. Das schließt Kinder, Jugendliche, Erwachsene in Familien und andere Angehörige ein.
Ziel ist es, dass Teilnehmer auch danach noch zusammenfinden
Gerade für eher zurückhaltende Menschen ist es nicht einfach, sich spontan in einer Gruppe zu öffnen. Annette Süß hat wie am zweiten Abendtreffen auf ihrem Tisch ein Sammelsurium an Motivpapiertaschentüchern ausgelegt und zeigt, wie sich darüber ein dynamischer Austausch entwickelt kann.
Motive wie Herz, Weihnachtsmann, Schneemann, Anker oder Engel erinnern an Feste, Urlaube und alle möglichen Lebenssituationen. „Die Trauernden suchen sich ein Tuch aus und erzählen, was sie dabei für Gefühle entwickeln. Und so kommt man ins Gespräch“, erklärt sie.
Der nächste Abend wird sich dem Gestalten von Seelenbrettern widmen, als kreativer Form individueller Trauerbewältigung. Abgeschlossen werde diese nach dem Ende des Gesprächskreises gewiss nicht sein, hebt Annette Süß hervor.
So beschreibt Doris Riegel auch ein weiteres Ziel der Runde damit, dass sich die Teilnehmer auch danach noch zusammenfinden und weiter austauschen. Wie Annette Süß anfügt, denkt sie daran, Trauerbegleitung auch punktuell für einzelne Trauernde zu ermöglichen, konzentriert auf Themen wie etwa Suizid oder Trauer mit Kindern.