Mit der „Neuen Mitte“ in Graben-Neudorf wird ein Wohnquartier geschaffen. Bevor aber dort die neuen Bewohner einziehen können, müssen die alten Bewohner weichen. Keine Sorge, sie bekommen ein Fleckchen im Grünen - auch wenn man an dieser Stelle nicht gerade von einem Neubau reden kann.
Aber der wird auf jeden Fall mal für sie aufgemöbelt und genügend „Zimmer“ für die sind auch vorhanden. Quasi kann man auch von einem Luxusappartement sprechen. Die Rede ist von Mauereidechsen. Der Gemeinderat hat in seiner jüngsten Sitzung deren Umsiedlung beschlossen. Artenschutz sei ein wichtiger Punkt, wie Bürgermeister Christian Eheim herausstellte.
Ohne Umsiedlung kein Bebauungsplan
Wie von Christian Schweikert von der Stabsstelle für besondere Bauaufgaben der Gemeinde Graben-Neudorf zu erfahren war, kostet die komplette Umsiedlungsaktion für acht der wechselwarmen Tierchen rund 21.300 Euro. „Ich habe die Spielregeln nicht gemacht“, sagt der 44-Jährige zu den Kosten. „Die Umsiedlung hat mit dem Bebauungsplan zu tun“, erklärt er. Ohne, gebe es keinen Bebauungsplan. Und damit wahrscheinlich auch keine „Neue Mitte“. Artenschutz spiele eine besondere Rolle und gehöre zum Verfahren dazu.
Wer kennt nicht die Geschichte um Stuttgart 21, die Mauereidechsen und die mittlerweile berühmt-berüchtigten Juchtenkäfer? Mit der Naturschutzbehörde habe man abgestimmt, wie man denn am geschicktesten vorgehe, erzählt der 44-Jährige im Gespräch mit den BNN.
Bei dem Vorgehen wird man vom Planungsbüro bhm aus Bruchsal unterstützt. Aber bevor die Tierchen per Hand eingesammelt werden können - dieser Kostenpunkt ist mit ein wenig mehr als 3.800 Euro veranschlagt - wurden die Tiere erst einmal kartiert. Das passierte von August 2019 bis April diesen Jahres. Nun sind die Mitarbeiter des Planungsbüros draußen und sammeln sie ein. Das passiere etwa alle zwei Tage. Und zwar beim Sonnenbaden. „Morgens ist eine gute Zeit, wenn die Sonne rauskommt und sich die Eidechsen sonnen“, sagt Schweikert.
Mauereidechsen sind streng geschützt. Wenn eine Population vorkomme, müsse gewährleistet sein, dass Ersatzlebensraum geschaffen werde, heißt es von der Unteren Naturschutzbehörde beim Landratsamt Karlsruhe. An einem anderen Ort wird dann eine Lebensstätte für die Tierchen geschaffen. Im Fachjargon redet man von einer sogenannten CEF-Maßnahme. Allerdings muss ein bestimmter räumlicher Zusammenhang bestehen, so die Naturschutzbehörde weiter. In die Ferne aussiedeln ist folglich nicht möglich.
Insgesamt 3900 Quadratmeter
In Graben-Neudorf bekommen die Reptilien im Gewann Mittelfeld ein neues Zuhause. Ursprünglich war das Gebiet, das sich zwischen Graben und Anschluss der B36 in Fahrtrichtung Hochstetten befindet, als Ausgleichsfläche für Singvögel aus dem Bebauungsplan Mitte Ost IV gedacht. „Östlich der Bahnlinie an der Heidelberger Straße“, erklärt Schweikert zum Bebauungsplan.
Nun ja, die Bebauung für das neue Reptilienquartier und deren Möblierung ist auf jeden Fall mal geregelt. Steinhaufen sind dort angelegt und ein sandiger Boden, damit sich die Tierchen einbuddeln können. Das Gewann hat eine Gesamtfläche von 3.900 Quadratmetern, auf 2.600 Quadratmetern wurde am vergangenen Samstag ein Reptilienschutzzaun angebracht.
Das ist mit 12.100 Euro der größte Batzen im Budget. Und er ist 40 Zentimeter hoch, damit sie auch da bleiben. „Es geht darum, dass sie sich dort im Gewann Mittelfeld ansiedeln“, sagt Schweikert. Für jedes Tier sind 80 Quadratmeter Platz vorgesehen, also eine geräumige Zweizimmerwohnung. Allerdings lässt die Berechnung der rund 2.600 Quadratmeter noch Spielraum für mehr. Also vielleicht auch Platz für eine Reptilien-Kinderstube ist auf jeden Fall gegeben.