Skip to main content

Unterricht auf zwei Rädern

Verkehrserziehung in Graben-Neudorf: Runden im Schulhof können Leben retten

Kinder sind im Verkehr besonders gefährdet. Heinz Ulm soll dafür sorgen, dass sich das ändert. Der Polizist schickt die Schüler über einen Übungsparcours, am Ende steht eine Prüfung. Und die ist notwendig.

Verkehrserziehung Graben-Neudorf Radfahren Fahrrad
Auf dem Übungsparcours: Polizeihauptmeister Heinz Ulm ist bei einer vierten Klasse der Erich-Kästner-Schule in Graben-Neudorf zur Verkehrserziehung. Die Schüler lernen, wie sie sich im richtigen Straßenverkehr zu verhalten haben. Foto: Holger Keller

Auf der Straße gehören Kinder zur Risikogruppe – so sagt es auch die Unfallstatistik der Polizei. 109 Unfälle mit Kindern im Alter bis zu 13 Jahren passierten im vergangenen Jahr im Bereich des Polizeipräsidiums Karlsruhe. Erst Ende September wurde ein siebenjähriger Junge in Stutensee-Spöck angefahren, zum Glück nur leicht verletzt.

Polizeihauptmeister Heinz Ulm will Kindern das sichere Radfahren beibringen – auch, um ihnen einen Unfall wie in seiner eigenen Kindheit zu ersparen.

„Kinder sind eben Kinder“, sagt Ulm. „Jeder, der selber Kinder hat, kennt das.“ Sie halten sich nicht immer an die Verkehrsregeln als sie mit ihren Rädern den aufgezeichneten Straßengrundrissen auf dem Hof der Erich-Kästner-Schule in Graben-Neudorf folgen.

Kinder müssen Vorfahrtsregeln lernen

Es ist auch gar nicht so einfach: Schulterblick, Richtungsanzeige per Arm, den Verkehr um sich herum im Blick halten und die Schilder interpretieren.

„Den Kindern rechts vor links beizubringen, ist eine Herausforderung“, sagt der Beamte, der seit 2008 in der Verkehrserziehung tätig ist. Ulm hatte in seiner Kindheit auf dem Rad einen Unfall – weil er die Vorfahrtsregel nicht kannte. „Kinder schauen zunächst oft zuerst nach links, weil man es ihnen im Kindergarten so beigebracht hat“, sagt Ulm. Auf der Straße müssen sie sich daran gewöhnen, zunächst nach rechts zu blicken.

„Es ist schon ein bisschen geballt“, sagt der Beamte mit Blick auf die vier Unterrichtseinheiten von je zwei Schulstunden. Früher sei der Stoff in fünf Blöcken vermittelt worden. Jetzt müssen mit einem Block weniger vor allem die Vorfahrtsregel und das Linksabbiegen geübt werden.

Abschließend gibt es eine Prüfung, bei der zehn Minuten am Stück über den Übungsparcours geradelt werden muss. Wer unter zehn Strafpunkten bleibt, bekommt den Fahrradführerschein.

Es ist ein beachtliches Pensum, das Ulm leistet: Im ersten Schulhalbjahr sind es gut 400 Schüler an neun Schulen, im zweiten Halbjahr 700 Schüler an 18 Schulen im Landkreis.

Risikosituationen auf dem Bürgersteig

Auch, wenn die Kinder damit die Vorfahrtsregelung und das Linksabbiegen geübt haben und sich im Straßenverkehr sicherer bewegen: Sie bleiben Kinder, wie auch Ulm betont. „Es ist die Unachtsamkeit, die das größte Risiko für die jungen Verkehrsteilnehmer ausmacht“, so der Polizist.

Den Kindern rechts vor links beizubringen, ist eine Herausforderung.
Heinz Ulm, Polizeihauptmeister

Mitunter seien es banale Situationen, in denen es gefährlich wird: „Wo Hofausfahrten den Gehweg kreuzen, kommt es zu besonders vielen Unfällen.“ Das weiß der Gesetzgeber: Wer acht Jahre oder jünger ist, muss mit dem Rad den Gehweg benutzen. Ein Elternteil darf dabei das Kind begleiten.

Nicht alle Kinder können Fahrradfahren

Lena Sternberger ist Lehrerin an der Erich-Kästner-Schule. Sie begleitet die Klasse an diesem Morgen auf den Übungsplatz hinaus. Auch sie hält den Verkehrsunterricht für wichtig: „Viele Schüler kommen mit dem Rad in die Schule.“ Einige leben in der Nähe. Das Rad ist wichtig, für den Schulweg und danach.

Manchmal seien auch Kinder ohne eigenes Rad dabei. Ulm hat auf seinen Touren durch den Landkreis den großen Anhänger der Deutschen Verkehrswacht hinter dem Polizeibus – mit Fahrrädern, aufstellbaren Schildern und Helmen für alle. Es gebe auch Kinder, die mit Leihrädern nichts anfangen könnten, berichtet der Polizeibeamte. „Die lernen von den Eltern einfach nicht das Radfahren.“ Diese Defizite sind auch im Unterricht nicht komplett wettzumachen.

Erwachsene Verkehrsteilnehmer bekommen schlechtes Zeugnis

Einmal kommt es auf dem Übungskurs vor der Schule zu einer Szene wie aus dem Berufsverkehr. Es wird ungeduldig gerufen, Rad an Rad auf der Mini-Kreuzung: „Fahr doch!“ – „Ich kann nicht, ich muss den Gegenverkehr durchlassen.“ – „Der ist doch noch weit weg!“

Ulm ruft die Kinder zusammen und ermahnt zur Aufmerksamkeit. Er erklärt noch einmal, wie man an einer Kreuzung links abbiegen muss, wenn man Radfahrer ist, und schickt die Schüler wieder auf die Strecke.

Es ist die Unachtsamkeit, die das größte Risiko für die jungen Verkehrsteilnehmer ausmacht.
Heinz Ulm, Polizeihauptmeister

Beileibe nicht alles bleibt hängen, was die Schüler in vier Unterrichtseinheiten mitnehmen sollen, das weiß auch der Polizeibeamte. Ein bisschen würde schon nicht schaden.

Für die Erwachsenen nämlich stellt Ulm in Sachen Straßen-Disziplin ein schlechtes Zeugnis aus, für Rad- und Autofahrer gleichermaßen: „Zum großen Teil leider katastrophal“, urteilt er. Es werde zu gedankenlos gefahren, so seine ernüchternde Einschätzung.

Immerhin: Bei den Schülern der Erich-Kästner-Schule hat er keine Bedenken, dass jeder den Fahrradführerschein auch bekommen wird.

nach oben Zurück zum Seitenanfang