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Unterstützung für Eltern

Mit Erziehung Selbstvertrauen fördern – wie geht das? Das sagt ein Pädagoge aus Graben-Neudorf

Kinder sollen bis zum 18. Geburtstag ihren Eltern gehorchen und danach selbstbestimmte, freie Menschen sein? Klappt meistens nicht. Pädagoge Marco Dobel von der Psychologischen Beratungsstelle berät Eltern, wie sie starke Kinder großziehen können.

Die Hand eines Vaters, einer Mutter und eines Kindes sind übereinander gelegt.
Eltern wollen ihren Kindern einen guten Start ins Leben geben. Liebe, Freiheit und Erfolg sind dabei Grundbedürfnisse. Foto: Silvia Marks/dpa

Kinder, die optimistisch in die Zukunft blicken und sich trauen, ihre Position in der Gesellschaft zu finden, sind der Wunsch vieler Eltern. Doch wie ist das zu erreichen?

Marco Dobel
Marco Dobel ist Pädagoge und Familientherapeut in Graben-Neudorf. Foto: Studioline Photography

Durch Regeln und Konsequenzen? Durch Liebe, Freiheit und Erfolg, sagt Marco Dobel von der Psychologischen Beratungsstelle in Graben-Neudorf.

Im Gespräch mit unserem Redaktionsmitglied Judith Midinet-Horst erklärt der Pädagoge und Familientherapeut, was Selbstbewusstsein ist und was Eltern dazu beitragen können, ihren Kindern einen guten Start ins Leben zu ermöglichen.

Was sind starke Kinder?
Dobel

Da gibt es verschiedene Begriffe wie Selbstwertgefühl oder Selbstbewusstsein. Unter letzterem verstehen wir meist das Auftreten nach außen, aber auch das Kaschieren von geringem Selbstwertgefühl. Mir ist der Begriff des Selbstvertrauens deshalb lieber. Denn wenn ich mir selbst vertraue, hat das meistens auch eine Außenwirkung. Starke Kinder sind also in dem Sinn Kinder, die auf sich selbst vertrauen können.

Wie viel bekommen Kinder davon von Geburt an mit auf den Weg und was macht Erziehung aus?
Dobel

Das ist die ewige Frage von Natur versus Kultur, wie viel ist anerzogen und wie viel angeboren. Es ist natürlich auch eine Charakterfrage. Jedes Kind kommt mit einer eigenen Persönlichkeit auf diese Welt. Es geht nicht darum, diesen Charakter umzuformen oder etwas aus dem Kind zu machen, was es gar nicht ist. Dass es eigene Schwächen sieht, das ist in Ordnung. Kinder können nicht alles. Es sollte aber auch anerkennen, was es alles kann. Da ein gewisses Vertrauen in sich und die Welt zu bekommen, ist der zentrale Punkt. Man kann Kindern kein Selbstvertrauen anerziehen. Es gibt kein Drei-Schritte-Programm. Man kann es aber fördern. Es geht darum, dass es gewisse Grundbedürfnisse gibt bei Kindern. Wenn man Menschen ermöglicht, dort positive Erfahrungen zu machen, fördert das das Vertrauen in das eigene Selbst.

Haben Sie Beispiele für diese Grundbedürfnisse?
Dobel

Liebe, Freiheit und Erfolg. Man könnte auch sagen Beziehung, Autonomie und Kompetenz. Da kann man Kindern immer wieder Möglichkeiten geben, sich zu entfalten. Nehmen wir die Kompetenz: Kinder werden ständig bewertet. Immer wieder wird ihnen gesagt: so nicht und so nicht. Selbst in der besten Eltern-Kind-Beziehung sind 70 Prozent aller Nachrichten an das Kind negativ. Es geht darum, Freiräume für das Kind zu entdecken, wo es bewertungsfrei sich selbst ausprobieren und für sich selbst entscheiden kann. Eine Möglichkeit, das Selbstvertrauen der Kinder zu fördern, ist sie einfach mal nicht zu bewerten.

Das dürfte in einer leistungsorientierten Gesellschaft nicht immer einfach sein?
Dobel

Richtig. Wir leben leider in einer Leistungsgesellschaft und meinen, ständig alles bewerten zu müssen. Eine freie Entwicklung, eine selbstvertrauende Entwicklung bedeutet auch bei einer 3 in Mathematik mal zu fragen: Bist du damit zufrieden? Nicht gleich losschimpfen und davon ausgehen, dass das Kind nicht genug getan hat. Wenn ich ständig bewertet werde, mache ich mich auch abhängig von den Bewertungen von außen. Gerade heute in einer Instagram-Welt machen sich viele Menschen von diesen Bewertungen abhängig.

Die Meinung von Kindern und Jugendlichen ist also wichtig und gefragt?
Dobel

Kinder sind natürlich erst mal in einem Abhängigkeitsverhältnis. Selbstständigkeit muss wachsen. Es gibt aber Dinge, für die schon Dreijährige kompetent sind, die sie entscheiden können. Da sind wir bei der Autonomie. Kinder müssen den ganzen Tag funktionieren. Wann können sie mal wirklich frei entscheiden?

Wie können Eltern ihren Kindern dann wirklich Freiräume schaffen?
Dobel

Es sind die kleinen Entscheidungen, die man ihnen überlässt, in denen sie schon kompetent sind. Zum Beispiel: Was wäre dir lieber morgen? Pizza oder Fischstäbchen? In einem kleinen und altersgerechten Rahmen kann man sie entscheiden lassen. Man darf sie nur nicht überfordern.

Bis zu welchem Alter funktioniert das?
Dobel

Das funktioniert auch noch bei Erwachsenen. Es fördert einen echten, ehrlichen Austausch durch die Möglichkeit, offen aufeinander zuzugehen, gemeinsam zu entscheiden, sich mal anzuhören, was der andere zu sagen hat: Was ist denn wirklich deine Meinung? Das ist auch bei Teenagern wichtig. Gerade in der Pubertät fordern sie es ein, gehört zu werden. Wir wissen, dass Teenager nicht immer Entscheidungen mit Weitblick treffen. Man kann sie aber gut entscheiden lassen – nach Kräften und Mächten. Wir wollen ja alle selbstbewusste, frei entscheidende, kompetente Menschen haben. Das soll aber bitte genau mit dem 18. Geburtstag anfangen. Davor sollen sie gehorsam sein und sich ins System einpassen. Das klappt eben nicht.

Wie sehr sind wir da auch als Gesellschaft mit unserem Blick auf Kinder gefragt?
Dobel

Wir müssen Kinder nicht in die Zivilisation rein zwängen, sie versuchen wie Außerirdische unsere Welt zu verstehen. Sie bieten unglaublich viel an, wenn man sie lässt. Sie wollen mit uns kooperieren und wollen dazu gehören. Das ist das Thema Liebe. Sie wollen Dinge machen. Das ist das Thema Kompetenz. Sie wollen aber auch für sich selbst entscheiden. Das ist das Thema Freiheit. Wenn ein Kind den ganzen Tag lang gehorcht hat – vom Aufstehen bis zum Hausaufgaben machen – und es abends dann müde ist und austickt, dann ist der Kooperationstank leer. Da ist es hilfreicher Verständnis zu zeigen. Wir sollten eine liebevolle Beziehung zu Kindern aufbauen, sie nicht ständig beurteilen und nicht verurteilen, sondern sie als ganz normale Menschen sehen.

Online-Workshops

Im Fokus: Die Psychologische Beratungsstelle im Landkreis Karlsruhe am Standort Graben-Neudorf bietet immer wieder Workshops rund um das Thema Kinder und Jugendliche an. Der nächste widmet sich der „Hochsensibilität bei Kindern und Jugendlichen“. Er findet am Mittwoch, 23. März, um 18.30 Uhr digital statt. Referentin ist Lisa Exle, Mitarbeiterin der Psychologischen Beratungsstelle.

Unterstützung und Verständnis: Der Informationsabend soll einen Einblick in die Welt hochsensibler Kinder und Jugendlicher geben. An Beispielen wird verdeutlicht, wie ein hochsensibles Kind denkt, fühlt und wahrnimmt. Diese Erfahrung soll Eltern dabei helfen, ihr Kind besser zu verstehen und es in seinen besonderen Bedürfnissen gut zu unterstützen. Das Angebot ist kostenfrei.

Termin: Eine Anmeldung zum Vortrag ist bis Montag, 21. März, bei der Psychologischen Beratungsstelle am Standort Graben-Neudorf erforderlich unter Telefon 0 721/93 66 86 00 oder per E-Mail an pb.graben-neudorf@landratsamt-karlsruhe.de.

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