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Der Bedarf wächst

Im Familienzentrum Friedrichstal gibt es auch Schuldnerberatung

Heike Ingenkamp berät ehrenamtlich, unter anderem im Familienzentrum Friedrichstal, zum Thema Schulden. Die Kostensteigerungen treffen immer mehr Menschen.

Gestapelte Münzen mit drei Scheine
Das Geld wird weniger, die Schulden steigen: Scheitern Verhandlungen über Vergleich und Ratenzahlung, kommt die Insolvenz in Betracht. Foto: Kristin Laske

Immer mehr Menschen in der Region kommen mit den gestiegenen Lebenshaltungskosten nicht zurecht. „Die Anzahl der Menschen, die eine Schuldnerberatung in Anspruch nehmen, ist um etwa ein Drittel gestiegen, vielleicht sogar mehr“, sagt Heike Ingenkamp.

Die Rechtsanwältin mit Sitz in Stutensee berät ehrenamtlich beim Familienzentrum Friedrichstal und bei KarLa – Sozialpädagogische Hilfen für Familien zum Thema Schulden. Sie merke deutlich, dass mehr Leute wegen steigender Nebenkosten wie Gas oder Strom und anderen Lebenshaltungskosten kommen, so Ingenkamp.

Seit mehr als einem Jahr steigen die Preise für Lebensmittel und Energieversorgung. Am stärksten betroffen sind Nahrungsmittel, geht aus einer Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes hervor. Im Juli 2023 erhöhten sich demnach die Preise für Nahrungsmittel um elf Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat, die Preise für Energieprodukte um 5,7 Prozent. Im Vergleich zum Juli 2022 war Strom um 17,6 Prozent teurer.

Budgetberatung ist essenziell

Stromkostennachzahlungen träfen Leute mit niedrigem Einkommen härter als andere, sagt Ingenkamp. Sie stellte immer wieder fest, dass die Menschen weitere Kredite aufnehmen, wenn sie in Zahlungsschwierigkeiten kommen. Die Zinshöhe sei dann derart hoch, dass die monatliche Rate nicht mehr zu bewältigen ist.

Andreas Behringer, Sachgebietsleiter Schuldnerberatung beim Landratsamt Karlsruhe, sagt: „In den Beratungen haben Anfragen zugenommen, wie mit dem bestehenden Budget der Lebensunterhalt gesichert werden kann.“ Viele Haushalte stünden vor der Frage, was man sich überhaupt noch leisten kann.

„Die Budgetberatung ist bei uns essenziell“, erklärt Behringer. Er helfe dabei, einen Haushaltsplan aufzustellen und zu schauen, was lebensnotwendig ist. Vorrangig hätten bisher Empfänger von Sozialleistungen wie Bürgergeld und Grundsicherungen die Schuldnerberatung in Anspruch genommen.

Behringer sagt aber: „Wir sind mittlerweile bei circa 50 Prozent Sozialleistungsempfängern und 50 Prozent Nichtsozialleistungsempfängern.“ Unter Letztere würden vor allem Menschen mit niedrigem Einkommen und Rentner fallen. Das entspreche dem angestrebten Ziel der Schuldnerberatung, den Rahmen weiter zu fassen.

Behringer betont: „Wir sind sehr gut erreichbar und froh, wenn sich Betroffene früh bei unserer kostenfreien Beratung melden.“ Je früher sich die Menschen an eine Schuldnerberatung wenden würden, desto besser könne ihnen geholfen werden. Doch vielen Leuten falle dieser Schritt schwer. Sie würden sich erst melden, wenn das Inkassoschreiben oder die Pfändungsmeldung da ist.

Betroffene halten aus Scham still

„Schulden und Geld ist ein schambehaftetes Feld. Man spricht nicht gern offen über finanzielle Angelegenheiten“, meint Behringer. Hätten sich die Betroffenen entschieden, Hilfe anzunehmen, wird bei der Beratung Bestandsaufnahme gemacht. Dabei wird die Situation auch über die Finanzen hinaus betrachtet. Denn falls es neben den Schulden noch ein anderes Problem gebe, könne man die Betroffenen auch an eine andere Stelle vermitteln, so Behringer.

Außerdem klären sie darüber auf, welche Schutzmöglichkeiten es gibt. „Uns ist es wichtig, zu vermitteln, dass man sein Geld auf einem Pfändungsschutzkonto sichern kann“, betont er. Die Pfändungsfreigrenze fange bei 1.410 Euro netto an. Habe der Schuldner Unterhaltspflichten, erhöhe sich der Freibetrag. Alles darüber hinaus sei pfändbar. „Der Gesetzgeber sieht, dass man einen Betrag benötigt, um seine Existenz zu sichern“, erklärt Behringer.

Unser Ziel ist es, betroffene Personen zu stärken.
Andreas Behringer
Schuldnerberatung im Landratsamt

Bei der Budgetberatung wird dann geschaut, welche Zahlungen möglich sind. Außerdem übernimmt die Schuldnerberatung den Schriftverkehr und tritt mit Gläubigern in Kontakt, um Einigung zu erzielen. Falls Zahlungen möglich sind, bietet sie bei Vergleichen und Ratenzahlungen Unterstützung an. „Unser Ziel ist es, betroffene Personen zu stärken, die Situation selbst zu bewältigen“, sagt Behringer.

Ist jedoch nicht genug Einkommen für eine Einmalzahlung oder eine Ratenzahlung da, komme eine Insolvenz in Betracht, erklärt Ingenkamp. Um einen Insolvenzantrag stellen zu können, müsse zuvor ein außergerichtliches Schuldenbereinigungsverfahren stattgefunden haben, also ein außergerichtlicher Einigungsversuch mit den Gläubigern.

Erst wenn der Einigungsversuch gescheitert ist, könne der Schuldner Insolvenz beantragen. Mit dem Insolvenzverfahren geht ein Schufa-Eintrag einher. Die Schufa Holding AG ist eine privatwirtschaftliche Wirtschaftsauskunftei.

Seit Oktober 2020 dauere das Insolvenzverfahren nur noch drei Jahre, sagt Ingenkamp. Dann sei man schuldenfrei. Neu sei auch, dass ein halbes Jahr nach Abschluss dieser drei Jahre der Schufa-Eintrag gelöscht wird. „Das wird von den Betroffenen sehr positiv angenommen“, hat Ingenkamp festgestellt. Denn davon würden sie beispielsweise bei der Wohnungssuche profitieren.

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