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Furcht vor einer weiteren Schließung

Inhaber von Tattoo-Studios im Karlsruher Norden kritisieren Vorgaben der Politik

Friseure, Schulen und Gartencenter sind länger wieder offen. Tattoostudios dürfen seit Montag öffnen. Wie geht es den Betreibern? Haben Sie Verständnis für die Maßnahmen der Politik oder fühlen sie sich benachteiligt?

in einem Tattoo-Studio sitzender tätowierter Mann
Verärgert: Mike Zander, Inhaber eines Tattoo-Studios in Leopoldshafen, kann nicht verstehen, wieso er und seine Kollegen so lange schließen mussten. Die Hygienestandards in der Branche seien sehr hoch. Außerdem kämen in seinen Ein-Mann-Betrieb sowieso nur ein bis zwei Kunden pro Tag. Foto: Gianna Ronge

Halbe Gesichter und unfertige Schriftzüge zieren derzeit wohl einige Körper in Deutschland. Denn auch die Tattoo-Studios waren mehr als zehn Wochen geschlossen.

Seit dem Beginn des harten Lockdowns am 16. Dezember waren keine körpernahen Dienstleistungen mehr erlaubt.

Selbst bereits angefangene Tattoos durften nicht zu Ende gestochen werden. Erst seit diesem Montag dürfen Tattoo-Studios, Nagelsalons und ähnliche Einrichtungen wieder öffnen. Die Wut über die Zwangspause ist bei den befragten Inhabern groß.

Das ist ein Schlag in die Fresse.
Mike Zander, Tattoo-Künstler

Tattoo-Künstler Mike Zander macht seinem Ärger Luft und ist bei der Wortwahl nicht verlegen: „Das ist ein Schlag in die Fresse.“ Der Inhaber eines Tattoo-Studios in Leopoldshafen kann nicht verstehen, wieso er und seine Kollegen so lange schließen mussten. „Wir haben generell sehr hohe Hygienestandards.“

Außerdem kämen in seinen Ein-Mann-Betrieb sowieso nur ein bis zwei Kunden pro Tag. Denn das Stechen eines Tattoos dauere auch schon mal fünf bis sechs Stunden – in einer Sitzung. Je nach Größe, Farbwahl und Schwierigkeit des Motivs kommen die Kunden dann noch zu fünf, sechs weiteren Terminen.

Bei Zander im „Nadel-Rocker INK“ sind also nie mehr als zwei Leute gleichzeitig. In den Supermärkten zum Beispiel ist das anders. „Da ist der Verkehrsfluss viel höher“, beklagt der Tattoo-Künstler.

Schade, dass man sich die Branchen nicht genauer angeguckt hat, wie dort gearbeitet wird.
Anja Maier, Kosmetik- und Tattoo-Studio „Hautnah“

Genauso sieht es Anja Maier. Sie betreibt das Kosmetik- und Tattoo-Studio „Hautnah“ in Stutensee-Spöck. Auch für sie waren die Vorgaben der Politik unverständlich. „Schade, dass man sich die Branchen nicht genauer angeguckt hat, wie dort gearbeitet wird“, sagt sie.

Sie hätte sich gewünscht, dass das Robert-Koch-Institut geprüft hätte, wo die meisten Ansteckungen erfolgten. Denn über eine Ansteckung in einem Tattoo-Studio sei bislang nichts bekannt geworden.

Und auch Maier verweist auf die hohen Hygienestandards mit FFP2-Masken, Schutzkleidung und Desinfektionsmitteln. Außerdem sei ihr Studio mit einer Luftfilteranlage ausgerüstet. „Das Schlimmste ist die Ungewissheit der vergangenen Tage gewesen, ob und wann wir wieder aufmachen dürfen“, beschreibt Maier. „Alles, was ich möchte, ist einfach nur arbeiten.“

Sowohl Zander als auch Maier beklagen die schleppende Auszahlung der Hilfsgelder. „Für dieses Jahr habe ich noch gar kein Geld bekommen“, sagt Maier. „Ende Februar habe ich die letzte Hilfe für November bekommen.“ Ihre drei Angestellten haben Kurzarbeitergeld erhalten. Sie als Inhaberin bekomme hingegen nichts.

„Es ist traurig, wenn es heißt, 90 Prozent der Fixkosten werden übernommen. Aber wir Inhaber müssen ja auch von etwas leben, Versicherungen, Lebensmittel und Mieten bezahlen.“

So hat Zander den kompletten Januar von seinem Ersparten leben müssen. „Meine Ersparnisse habe ich zum Überbrücken gebraucht“, sagt der junge Vater. Während der Schließzeit habe er seinen Sohn betreut und viel Zeit mit ihm verbracht. Ansonsten hat er einige Designs vorbereitet, für Kunden, die noch offene Termine haben.

Als sich in der vergangenen Woche abgezeichnet hat, dass körpernahe Dienstleistungsbetriebe wieder öffnen dürfen, war die Nachfrage bei „Hautnah“ und „Nadel-Rocker INK“ sehr groß. „Facebook, Instagram, WhatsApp – alles hat geglüht“, erzählt Maier. Auch Zander berichtet: „Das Telefon hat den ganzen Tag geklingelt.“

Doch zunächst habe er noch keine Termine vereinbart, weil er auf die Verordnung der Landesregierung warten musste. Maier möchte nun viel abarbeiten, denn: „Man weiß ja nicht, wie lange es laufen wird.“

Sie befürchtet, so schwingt es mit, dass die Studios ein weiteres Mal schließen müssen. Doch zunächst einmal freuen sie und Zander sich auf ihre Kunden und darauf, endlich die unvollendeten Tattoos zu Ende stechen zu dürfen.

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