Als zur Mittagszeit in Stutensee-Staffort der Eventbus des Karlsruher Verkehrsverbundes ankommt, hat sich schon eine Menschentraube gebildet. Mit dem Bus, den der KVV auch in anderen Orten des Landkreises betreibt, will der Verband seinen Kunden die Möglichkeit geben, ihre Anliegen vorzutragen, die Fahrkarten oder Linien betreffen.
Unter der gelben Markise des KVV-Busses beraten vier Mitarbeiter die Bürger. Der KVV wolle mit seinen Kunden in unmittelbaren Kontakt treten, wie Sprecherin Sarah Fricke sagt: „Und um auch mal Dampf abzulassen.“
Dampf wird an diesem Tag vermehrt abgelassen, die zum Großteil älteren Kunden monieren die Abschaffung der Vierer-Tickets, die bislang im Stutenseer Bürgerbüro zu kaufen war. So auch der 84-Jährige Johann Till aus Staffort. Er muss mit seiner Frau regelmäßig zum Augenarzt nach Ettlingen und ist auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen.
Er nutzt dazu die S-Bahn in Weingarten, hat aber bei den Fahrkarten derzeit keinen Durchblick mehr, wie er sagt. Und er bedauert es sehr, dass er seine Viererkarte nicht mehr im Bürgerbüro kaufen kann. „Mit dem Automaten komme ich nicht zurecht“, sagt er. „So geht es vielen älteren Menschen.“
Verkauf der Tickets im Bürgerbüro war nicht mehr rentabel
Pressesprecherin Fricke begründet das Ende des Verkaufs im Bürgerbüro damit, dass diese Einrichtung kaum mehr genutzt wurde und der Betrieb teilweise teuer war als der Erlös durch die Karten. Sie will die älteren Menschen mitnehmen, sagt sie, und für die Veränderungen bereit machen.
Personal des KVV erkläre auch im Rahmen der Eventbusse den Senioren, wie sie den Fahrkartenautomaten bedienen müssten. Zudem biete der KVV Kurse an, die älteren Menschen die Fahrkarten-Apps erklären. Die Fahrkarten könnten außerdem beim Busfahrer gekauft werden, sagt sie.
Mit dem Automaten komme ich nicht zurecht.Johann Till, 84-jähriger KVV-Kunde
Das sieht Susanne Naujocks aus Stutensee anders. Viele Busfahrer stünden unter Zeitdruck und würden keine Karten an die Kunden verkaufen. Der Wegfall der Viererkarte und das Ende des Verkaufs vor Ort, im Bürgerbüro, nehme den älteren Menschen ihre Sicherheit. „Die Leute sind überfordert“, sagt sie.
Die Verbindungen seien sehr schlecht hier, sagt Susanne Naujocks. „Wenn ich abends meinen Bus in Weingarten verpasse, warte ich schon mal anderthalb Stunden bis der nächste kommt. Das macht Bus- und Bahnfahren hier nicht attraktiv.“
Pressesprecherin: Komplette Digitalisierung ist nicht Ziel des KVV
Weil der Verband die Stempelkarten abschaffen will, findet am Freitag, 10. März, eine Sitzung des Aufsichtsrats statt. KVV-Kunden hatten eine Initiative zum Erhalt der Fahrkarten und Entwerter gestartet.
Wegen der Aufregung zum Fahrplanwechsel und des neuen Ticketsystems sei der Eventbus ins Leben gerufen worden, sagt Sarah Fricke vom KVV. Und sie betont, dass die vollständige Digitalisierung der Tickets nicht das Ziel der Verbands ist. Der KVV befinde sich im Wandel.
Ursula Woit aus Stutensee-Staffort fährt derzeit noch teilweise mit dem eigenen Auto und den öffentlichen Verkehrsmitteln. In wenigen Jahren, wenn sie älter ist, wolle sie komplett auf den ÖPNV umsteigen. „Ich bin in Sorge, ob ich das mit den Tickets verstehen werde“, sagt sie. Sie nutzt am häufigsten die Straßenbahn.
Auch Ursula Woit war den Verkauf der Tickets im Bürgerbüro gewohnt. Sie hofft, wie Susanne Naujocks und Johann Till, auf eine umfassende Beratung am Eventbus. Denn das, finden alle Drei, war seit langem eine gute Idee.