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Gemeinsam lernen

Soll Normalität werden: Inklusions-Projekte in Pfinztal und Graben-Neudorf setzten auf Gemeinschaft für alle

Welche Rolle spielt Gemeinschaft beim Thema Inklusion? Jeder nach seinen Möglichkeiten – diesem Motto folgen mehrere Projekte im Landkreis Karlsruhe. So fällt wohl manches leichter.

Genaue Aufgabenverteilung: Dominik Borchardt, Timo Hofer und Tim Sieferer (von links) bilden eine Wohngemeinschaft in Pfinztal.
Genaue Aufgabenverteilung: Dominik Borchardt, Timo Hofer und Tim Sieferer (von links) bilden eine Wohngemeinschaft in Pfinztal. Foto: Madita Steiner

Drei junge Männer in einer Wohngemeinschaft in Pfinztal. Auf den ersten Blick ein gewöhnliches Zusammenleben, in einer sauberen Wohnung, dass selbst der Slalom laufende Hund keinen Staub aufwirbelt.

Das Tier gehört einem Betreuer. Und diese machen den Unterschied: Sie schauen als Mitarbeiter des Projekts „WeGeFinden“ regelmäßig vorbei und unterstützen die Männer im Haushalt.

Dominik Borchardt, 22 Jahre, und Tim Sieferer wohnen seit einem Jahr dort. Der 28-jährige Gemüsegärtner ist passionierter Restaurant-Gänger. Da kann der Kontostand zum Monatsende auch mal überraschend niedrig sein.

Bei Bewohnern, die Schwierigkeiten haben, mit Geld umzugehen, zahle man einen wöchentlichen Betrag aus, sagt Betreuer Sascha Roth. „Dann versucht man es auf zwei Wochen zu erhöhen.“ Das sei als Training gedacht. „Training für selbstständiges Leben.“ Als langfristiges Ziel haben sie im Visier, den Bewohnern einen Alltag ohne Hilfe von außen zu ermöglichen.

Dazu gehören nicht nur Finanzen, sondern auch Aufgaben im Haushalt und bei der Freizeitgestaltung. Wer was wann macht, dafür haben sie einen Wochenplan von Zimmer aufräumen bis zum Reinigen der Schmutzwäsche. „Montags gehe ich ins Fitnessstudio, dienstags haben wir alle Fußballtraining und donnerstags putzen“, zählt der 28-jährige Timo Hofer auf.

Er arbeitet im Landschaftsbau und ist der Dritte im Bunde. An freien Abenden schauen sie gemeinsam Fußball. Dann sitzt ein KSC-Fan neben einem überzeugten Unterstützer des FC Bayern München. Doch damit haben sie kein Problem – Inklusion eben, jeder ist dabei.

Inklusives Lernen soll für Kindergärten im Landkreis Karlsruhe keine Seltenheit bleiben

Dieses Motto gilt auch in der Kindertagesstätte „Im Quartier der Vielfalt“ in Linkenheim. Seit September verbringen dort die Jungen vom ersten Lebensjahr bis zur Vorschule ihre Tage. Einige Kinder sitzen mit einer Erzieherin vor einem Wagen voller Holzklötze und bauen.

Wer von ihnen im Alltag etwas mehr Zuwendung braucht, ist für Außenstehende kaum ersichtlich. Letztlich sei es auch egal: „Die Kinder sehen den Menschen und nicht die Behinderung“, sagt Christina Speck, die Leiterin der von der Lebenshilfe Karlsruhe geführten Einrichtung.

Das hat Folgen für das Selbstverständnis: „Sie erleben sich nicht als etwas Besonderes, sondern als Teil der Gesellschaft.“ Dazu trägt auch die Gebärdensprache bei, die dort alle Kinder lernen. „Wir gebärden das, was die Kinder brauchen.“ Das gehe von Nase putzen über das Spielen bis zum Essen.

Speck wünscht sich, dass inklusives Lernen und Leben für Kindergärten keine Seltenheit bleibt. Eigentlich setze man es im Orientierungsplan für Erzieher voraus: „Kindergärten sind für Kinder mit und ohne Behinderung zuständig“, stehe darin.

Graben-Neudorfer Verein besorgt Stand-up-Paddles

Auch im Verein Samurai Graben-Neudorf ist Gemeinschaft für alle da. So etwa in einer Reha-Gruppe: Manche haben ihre Rollatoren oder Gehhilfen neben sich stehen.

Panflöten-Musik strahlt Ruhe aus, während sieben Seniorinnen mit Gymnastikbändern die Bewegungen von Rolf Vogel, Leiter des Vereins, nachahmen. Jede nach ihren Möglichkeiten.

Die einen paddeln. Die anderen lassen sich paddeln.
Rolf Vogel, Verein Samurai Graben-Neudorf

„Die achten aufeinander“, sagt Vogel über seinen Kreis. „Die sich holen ab.“ Auch beim Gedächtnistraining. Manche zeigten schon erste Symptome von Demenz. Ihnen falle nicht sofort eine Blume oder eine Automarke mit dem ersten Buchstaben ihres Vornamens ein. Die Fitten sind sofort zur Stelle und rufen ihnen eine Idee zu.

Der gemeinschaftliche Ansatz zieht sich durch das gesamte Vereinsprogramm. Etwa beim Üben der Aikido-Techniken: „Man sieht das und macht das nach“, sagt Vogel. Dabei spiele geistige Einschränkung kaum eine Rolle.

Für das Kanufahren habe der Verein extra breite Stand-up-Paddles besorgt. „Sie können nicht umfallen.“ Auch dabei gilt das Motto: jeder nach seinen Möglichkeiten. „Die einen paddeln. Die anderen lassen sich paddeln.“

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