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Infrastruktur für Eltern

Wickeln und Stillen unterwegs? Mütter im Karlsruher Norden müssen „erfinderisch und praktisch“ sein

Wer mit einem Säugling unterwegs ist, muss im nördlichen Landkreis Karlsruhe oft kreativ werden. Stellt das für Mütter und Väter ein Problem dar?

Katrhin Kudernatsch mit Tochter Sophia am Wickeltisch im Kinderzimmer
Kathrin Kudernatsch meint, dass die Gemeinde in Sachen Wickeln und Stillen mehr tun könnte. Foto: Christel Manzey

Wenn Kathrin Kudernatsch viele Besorgungen zu machen hat, geht sie meist erst zum Schluss in die Drogerie. In der Regel führt ihr Weg sie in die dm-Filiale in Linkenheim-Hochstetten.

Der Grund: Dort kann die junge Mutter aus Dettenheim ihre 14 Monate alte Tochter Sophia wickeln. Stillen kann die 34-Jährige dort allerdings nicht.

Theoretisch kann man überall stillen. Es ist nur die Frage, ob man das möchte.
Kathrin Kudernatsch, Mutter aus Dettenheim

dm bietet laut eigenen Angaben in 750 Filialen eine Stillecke, in dieser allerdings besteht das Angebot nicht mehr.

„Theoretisch kann man überall stillen. Es ist nur die Frage, ob man das möchte“, sagt Kathrin Kudernatsch. Mit dem Wickeln ist es ähnlich: Natürlich habe sie immer eine Wickelunterlage dabei. Dennoch sei ein richtiger Wickeltisch einfach bequemer.

Kofferraum, Kinderwagen, Kachelboden: Mütter werden beim Wickeln kreativ

Auch die Mütter vom Storchencafé in Eggenstein-Leopoldshafen werden beim Wickeln mitunter kreativ. Ob nun im Kofferraum, im Kinderwagen oder im Sommer auf dem Boden – ist die Windel voll, muss es irgendwie funktionieren. Das berichtet Danijela Bodrozic vom Familienzentrum Schröcker Mütze.

Die Mütter sind eigentlich sehr gut ausgerüstet.
Ulrike Rösch, Sachgebietsleiterin bei den Frühen Hilfen Landkreis Karlsruhe

Stillen und Wickeln sind bei der Beratung der Frühen Hilfen des Landratsamts eher selten Thema. Sachgebietsleiterin Ulrike Rösch erlebt die Mütter in dieser Hinsicht meist gut aufgestellt. „Die Mütter sind eigentlich sehr gut ausgerüstet“, sagt sie. Wickeltasche, Spucktuch, Sonnensegel, Wickelunterlage – das alles hätten Mamas und Papas dabei.

Fehlt doch mal was, wisse man sich zu helfen. „Da sind die Mütter nicht nur aus der Not erfinderisch, sondern einfach pragmatisch und praktisch“, ist Rösch überzeugt.

Ihrer Ansicht nach muss die Infrastruktur im nördlichen Landkreis nicht weiter ausgebaut werden. Zwar gebe es Städte wie Bruchsal, die in einem speziellen Flyer Orte zum Wickeln und Stillen auf einer Karte verzeichnet haben. Doch das sei ein Sonderservice, der eher bei Ausflügen denn bei täglichen Besorgungen gebraucht werden.

Diskussion um Stillen in der Öffentlichkeit ist ein Dauerbrenner

Die Diskussion ums Stillen in der Öffentlichkeit – vor rund zwei Jahren auch durch einen Vorfall im damaligen Café Brenner angestoßen – kennt Rösch. Die Aufregung darum findet sie allerdings überzogen.

Damals protestierten mehrere Mütter und Väter vor dem Karlsruher Café, nachdem die Besitzer erklärt hatten, keine stillenden Mütter in ihrem Café zu wollen.

"Stillen ist nicht planbar", sagt Anja Lehnertz. Deswegen wirbt sie für mehr Akzeptanz für Frauen, die auch in der Öffentlichkeit stillen möchten.
Aufgeheizt: Vor rund zwei Jahren löste ein Vorfall im damaligen Café Brenner in Karlsruhe eine Debatte ums öffentliche Stillen aus. Mehrere Mütter und Väter protestierten seinerzeit vor dem Café. Foto: Mori Monteiro

Auch Sabrina Wietheger, Doula (Geburtsbegleiterin) aus Stutensee, kennt die Geschichte vom Café Brenner. Die sei „wirklich sehr ärgerlich und auch schockierend“.

Die ältere Generation, in der wenig gestillt wurde und in der man allgemein auch nicht so freizügig war, stört sich am meisten daran.
Sabrina Wietheger, Doula aus Stutensee

Repräsentativ findet sie sie allerdings nicht. Es seien meist nur Einzelfälle, einzelne Begegnungen oder Vorkommnisse, die in dieser Diskussion eine Rolle spielen. „Ich persönlich glaube, dass es weniger mit dem Ort als mit den Menschen, denen man begegnet, zu tun hat“, sagt Wietheger.

Und es sei vermutlich auch ein Generationenproblem. „Die ältere Generation, in der wenig gestillt wurde und in der man allgemein auch nicht so freizügig war, stört sich am meisten daran.“

Sie würde sich mehr Aufklärung über das Stillen sowie mehr Stillvorbereitungskurse wünschen. Das würde das Thema Stillen einfacher und „normaler“ machen, ist Wietheger überzeugt.

Junge Mutter hat Argumente schon parat – und braucht sie am Ende nicht

Katrin Kudernatsch aus Dettenheim selbst hat hinsichtlich des Stillens in der Öffentlichkeit noch keine negativen Erfahrungen gemacht. Dennoch hat sie sich ihre Argumente bereits zurechtgelegt, ist eine mögliche Diskussion bereits mehrmals im Kopf durchgegangen.

Ich habe die Scham irgendwann abgelegt. Ich stille jetzt, wenn man Kind Hunger hat.
Kathrin Kudernatsch, Mutter aus Dettenheim

Auch wenn sie überzeugt ist, dass Stillen etwas Natürliches ist, habe es sie dennoch zunächst Überwindung gekostet, ihre Tochter auch unterwegs zu stillen. Mittlerweile sieht sie das gelassener. „Ich habe die Scham irgendwann abgelegt“, sagt sie. „Ich stille jetzt, wenn mein Kind Hunger hat.“

Dabei geholfen hat ihr auch eine Erfahrung in einem Restaurant in Rheinstetten: Als die Mitarbeiter dort sahen, dass sie stillte, brachten sie ihr im Rahmen eines Überraschungsmenüs spontan einen alkoholfreien statt eines alkoholhaltigen Nachtischs.

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