Er habe gute Tage und schlechte Tage: Auch wenn dies ein guter Tag ist, wirkt Cristian Grapatins Gesicht müde und abgespannt. Auf seinem Arm kleben Verbände. Jeden zweiten Tag muss er zur Dialyse, erzählt er, vier Stunden dauere das jedes Mal.
Diabetes löste Folgeerkrankungen aus
Cristian Grapatin leidet an einer Niereninsuffizienz, ausgelöst durch Diabetes Typ I. Diagnostiziert wurde das, als er zwölf Jahre alt war. Hinzu kommen noch Nervenschädigungen in den Füßen und Einschränkungen des Sichtfelds. Auf seinem rechten Auge hat er eine Sehkraft von nur noch 60 Prozent, Auto fahren darf er deshalb nicht.
Ich warte jeden Tag auf einen Anruf, der nicht kommt.
Seit drei Jahren wartet Grapatin auf eine neue Niere und eine neue Bauchspeicheldrüse. Beide Organe sollen nach Möglichkeit von ein und demselben Spender kommen, hätten ihm die Ärzte erklärt. An welcher Stelle der Warteliste er steht, wisse er aber nicht. In seiner Wohnung stehe eine gepackte Tasche, erzählt er, doch inzwischen sei die Hoffnung geringer geworden. „Ich warte jeden Tag auf einen Anruf, der nicht kommt“, beschreibt er die Situation.
Die Medizin stößt an ihre Grenzen
Anfangs habe ihn seine Machtlosigkeit, die Frage nach dem Warum sehr beschäftigt. „Aber aufgeben darf man nie, man muss generell immer kämpfen.“ Besonders für seine Eltern sei die Situation schwer zu ertragen. Er selbst habe inzwischen irgendwie seinen Frieden mit seiner Krankheit gemacht.
Wie lange er noch ohne die neuen Organe leben kann, weiß er nicht. 2010 sei er dem Tod schon einmal von der Schippe gesprungen: Damals reagierte sein Körper nicht mehr auf das Insulin, drei Tage war er auf der Intensivstation. Selbst die Ärzte hätten ihn bereits aufgegeben, als die Infusionen im letzten Moment doch zu wirken begannen. Den Gedanken ans Sterben versucht er heute noch weitgehend auszublenden.
Entscheidung des Bundestags ist eine "Ohrfeige"
Die Entscheidung des Bundestags gegen die Widerspruchslösung ist für Grapatin „eine Ohrfeige für alle kranken Menschen, die auf der Warteliste stehen“. Er glaubt nicht, dass eine regelmäßige Abfrage die Spendenbereitschaft in Deutschland erhöhen wird. Das sei am Ende doch nur wie Werbung, die man in den Briefkasten geworfen bekomme.
Die meisten Leute würden sich mit dem Thema Organspende erst auseinandersetzen, wenn sie persönlich oder nahe Angehörige und Freunde betroffen sind. Seine Freunde hätten vor seiner Erkrankung keinen Organspendeausweis gehabt – nun hätten sie einen. Er selbst habe seinen seit 2014. Sein Schicksal aber zeigt: „Es kann jeden treffen.“
Von der Politik fühlt er sich ein Stück weit im Stich gelassen. Beim Thema Organspende sei „die Lobby einfach nicht groß genug“, auch in den Medien werde nicht genug darüber gesprochen.
Die Öffentlichkeit darf das Thema Organspende nicht vergessen
Seit 2016 arbeitet der 37-jährige Fotograf nur noch freiberuflich, sein Studio hat er aufgegeben. Je nach körperlicher Verfassung muss er Aufträge aber auch an befreundete Kollegen abgeben, die Kraft reiche nicht immer aus.
Dass hinter dem erhofften Spenderorgan der Tod eines anderen Menschen steht, ist für Grapatin ein schlimmer Gedanke. Aber so habe dessen Tod wenigstens noch einen Sinn, sagt er.
Um die Öffentlichkeit stärker auf das Thema Organspende aufmerksam zu machen, würde Grapatin gerne eine Foto-Ausstellung konzipieren. Dort sollen dann auch Organspendeausweise verteilt werden. Dass die Widerspruchslösung doch noch kommt, hält Grapatin für mehr als unwahrscheinlich. „Am Ende war es eine demokratische Entscheidung.“