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Notfallplanung

Katastrophenschutz-Experte über Corona-Vorkehrungen: "Da ist noch Luft nach oben"

Die Gemeinde Weingarten hat 2018 den Katastrophenschutz-Experten Andreas Kling ins Boot geholt und die kommunale Notfallplanung neu aufgestellt. Im Interview reden Kling und Weingartens Bürgermeister Eric Bänziger über die Vorräte, Übungen und wo es im Katastrophenschutz noch hapert.

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In Reserve: Weingarten hat 2013 einen detaillierten Katastrophen- und Zivilschutzplan erstellt. Zur Sicherheit hat man auch Schutzmasken eingelagert. Foto: Grindl/dpa

Die Gemeinde Weingarten hat ihre kommunale Notfallvorsorge neu aufgestellt und dazu Katastrophenschutz-Experte Andreas Kling zurate gezogen. Im BNN-Interview mit unserem Redaktionsmitglied Patric Kastner reden Weingartens Bürgermeister Eric Bänziger und Experte Andreas Kling über die Vorkehrungen, die getroffen wurden und über den Bevölkerungsschutz.

Herr Bänziger, Herr Kling, hätten sie jemals gedacht, dass solch ein Virus Deutschland heimfällt?

Bänziger: Ganz ehrlich gesagt, nein. Beim Katastrophenschutz wurde vonseiten der Gemeinde der Fokus auf einen Blackout gelegt. Allerdings war eine Pandemie auch ein Teil des gesamten Katastrophenschutzplans.

Kling: Ich habe schon gedacht, dass so etwas kommen könnte. Wir hatten in der Risikoanalyse der Gemeinde das Szenario Pandemie berücksichtigt und bewertet. Aber in diesem Ausmaß und welche Bereiche von dem Virus nun betroffen sind, konnte ich es mir auch nicht vorstellen.

Wie ist Weingarten in der kommunalen Notfallplanung aufgestellt?

Bänziger:

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Weingarten hat 2018 den Experten Andreas Kling ins Boot geholt. Foto: Spitz

Was wurde bei der Aktualisierung berücksichtigt?

Bänziger: Wir haben alle Beteiligten an einen Tisch gebracht – vom Pflegeheim über die Feuerwehr, das DRK, die DLRG, sodass sich die Führungskräfte schon einmal austauschen konnten. Wir haben aber auch die Listen für den Katastrophenfall aktualisiert, angefangen bei den Mitarbeitern über die ganzen Fachbereiche, beispielsweise Öffentlichkeitsarbeit, interne Logistik, Versorgung und so weiter. Dann wurden unsere Vorräte gesichtet, überprüft und teilweise aufgestockt. Bereits davor hat die Gemeinde große, mobile Notstromaggregate angeschafft, da wir als erstes Szenario von einem Blackout ausgegangen sind.

Herr Kling, die Gemeinde Weingarten hat Sie geholt ...

Kling: Aufgrund dessen, dass sich Szenarien ändern und dass man 2018 Handlungsbedarf gesehen hat, und ich in Weingarten lebe, habe ich diese Aufgabe gerne wahrgenommen. Ein Merkmal unseres Konzeptes ist, dass man nicht nur auf der Verwaltungsebene plant und diskutiert, sondern darüber hinaus die Bevölkerung mitnimmt – und das haben wir geschafft. Denn auch die Bevölkerung muss ein gewisses Maß an Vorbereitungen treffen. Ansätze dafür waren eine Sirenenprobe, um einfach wieder ein Bewusstsein dafür zu schaffen. Wir haben das Thema Bevölkerungsschutz auch beim Tag der Rettungsorganisationen in Weingarten vorgestellt. Die Einbindung aller Beteiligten ist sehr wichtig.

Risikoanalyse, Neubewertung, Einbindung der Beteiligten. Wie lange hat es gebraucht?

Bänziger:

In welchen Abständen finden Übungen statt?

Kling: Wir hatten für Ende April eine so genannte Stabsrahmenübung geplant. Ob diese aufgrund der aktuellen Lage stattfinden kann oder nicht, ist noch nicht ganz sicher. Ich würde aber, je nachdem wie der Stand der Planung ist, eine Übung im Zwei- bis Dreijahres-Rhythmus empfehlen.

Wie steht’s um die Vorräte?

Bänziger: Jede Gemeinde macht das aus ihrer Sicht Notwendige. Wir haben uns in den vergangenen zehn Jahren deutlich besser aufgestellt. Was wir allerdings schon hatten, waren Schutzmasken. Diese wurden in erheblichem Umfang während der Schweinegrippe-Pandemie angeschafft. Wir haben den Bestand kontrolliert und lediglich etwas aufgestockt.

Weingartens Bürgermeister Eric Bänziger.
Eric Bänziger Foto: Gemeinde Weingarten

Kling: Die Verantwortung für den Bevölkerungsschutz für die Kombination aus Zivil- und Katastrophenschutz liegt primär bei den Landkreisen und dann auf der nächsten Stufe beim Land. Um eine sinnvolle Katastrophenvorsorge zu erreichen, müssten im Endeffekt die Vorgaben und teilweise auch die Finanzierung vom Land kommen, um eine Einheitlichkeit – denn da mangelt es gerade – zu gewährleisten.

Herr Kling, weil Sie die Landkreise ansprechen. Wie gut sind die im Zivil- und Katastrophenschutz aufgestellt?

Kling: Oh, da ist noch Luft nach oben.

Bänziger:Muss die Notfallplanung also in einigen Punkten umgeschrieben werden?Kling:Bänziger:

Da haben wir als Gemeinde unseren Schwerpunkt gesetzt. Der zweite Punkt ist die Wärmeversorgung der kommunalen Gebäude, die als Notquartiere oder Krisenstabsgebäude dienen können. Da sind wir unter anderem mit unseren Holzhackschnitzelanlagen quasi autark. Das dritte Standbein ist die Versorgung der Bevölkerung. Es gibt allerdings wenige regionale landwirtschaftliche Betriebe, die für die Versorgung noch zur Verfügung stehen. Letztendlich ist die Vor-Ort-Versorgung der Bevölkerung schwierig zu bewerkstelligen.

Kling: Ich sehe das auch als Dreiklang: Erstens, der Bürger muss selbst vorsorgen. Der spontane Zusammenbruch von Lieferketten lässt sich nur durch einen Eigenvorrat beheben. Als zweiter Punkt steht die Versorgung mit Wasser durch die Gemeinde. Auch die Möglichkeit, gewisse Räumlichkeiten zu heizen, muss gegeben sein. Drittens muss es in der Koordination von Hilfsgütern und den Einsätzen des Katastrophenschutzes eine Ebene geben, die überregional die Kräfte dort hinschickt, wo sie am dringendsten gebraucht werden.

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Herr Bänziger, wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit den Behörden, Landratsamt, Gesundheitsamt, Polizei in der Krise?

Bänziger:

Wie stark ist die Hilfe der Bevölkerung untereinander?

Bänziger: Die Hilfe der Bevölkerung untereinander war in Weingarten schon immer besonders, weil wir ein sehr starkes Vereinsleben haben. Wir haben unter anderem verschiedene Plattformen hinzugezogen, um Hilfe anzubieten. Es gibt Organisationen, die zusätzlich in der Nachbarschaftshilfe aktiv sind. Es gab bisher eine geringe Nachfrage dieser Leistungen. Das heißt aber auch: Man ist in Weingarten sehr gut vernetzt.

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