
„Diese Woche 29 von 50 Stunden keine Kita“, steht auf dem Plakat von Michaela Blassmann. Gemeinsam mit weiteren Eltern demonstriert sie vor der Gemeinderatssitzung in Stutensee gegen den Betreuungsausfall an den städtischen Kindergärten.
„Mein Kind will in die Kita, ich zur Arbeit“, prangt auf einem anderen Plakat. Am Abend des 28. März, während die Stadträte in den Sitzungssaal eilen, bricht sich der Unmut über das Kita-Chaos in der Großen Kreisstadt Bahn.
„Die Betreuungssituation in den städtischen Kindergärten ist desolat“, kritisieren betroffene Eltern in einem Schreiben an die Bürgervertreter. Ihr Vorwurf: keine verlässliche Kinderbetreuung, kurzfristige Absagen.
„Allein im März sind neun von 23 Kita-Tagen ausgefallen“, ärgert sich Daniel Mitschele. Seine beiden Söhne, vier und sechs Jahre alt, besuchen den Kindergarten „Zauberwald“ in Blankenloch – wenn sie denn dürfen.
Betroffene Eltern in Stutensee fühlen sich von der Stadt im Stich gelassen
Wegen Personalmangels, überwiegend krankheitsbedingt, mussten einige Kinder an zwei Wochentagen zu Hause bleiben. „Das ist in dieser Form für die betroffenen Familien nicht zu stemmen“, kritisieren die Eltern in ihrem Brief. Ihr Fazit: „Wir fühlen uns von der Stadt Stutensee im Stich gelassen.“
Auch Franziska Scheck ist vom Betreuungsausfall betroffen. In einer Woche, berichtet sie, habe ihre ältere Tochter an zwei Tagen nicht in die Kita gedurft, die jüngere an einem. „Für unsere Familie ist das eine große Belastung“, sagt Scheck, die als Kinder- und Jugendpsychologin arbeitet.

Oma und Opa können in ihrem Fall nicht einspringen. „Die Großeltern der Kinder leben mehr als 100 Kilometer entfernt“, sagt die 36-Jährige.
Die Benachrichtigung, dass keine Betreuung stattfindet, komme oft kurzfristig – laut Scheck in Einzelfällen sogar erst am Morgen, wenn Eltern ihre Kinder bringen. Die helfen sich mittlerweile selbst: Im Wechsel betreuen sie ihren Nachwuchs, bis zu fünf Kinder gleichzeitig, zu Hause.
Für Scheck haben die Kita-Ausfälle auch berufliche Folgen. „Ich musste einigen Patienten absagen und meine Arbeitszeit reduzieren“, sagt sie.
Die Kinder haben ein Recht darauf, in der Kita ihr Sozialverhalten zu erlernen.Melanie Weigold, Mutter aus Stutensee
Auch Mitschele muss improvisieren. „Wir haben das Glück, dass beide Omas im Ort wohnen“, sagt er zwar. Er kenne allerdings auch alleinerziehende Mütter, die es schwerer hätten. „Eine von ihnen hat geweint, als sie ihr Kind morgens wieder mitnehmen musste“, erinnert sich Mitschele. Sie habe Angst um ihren Job gehabt.
„Familien haben nicht den Stellenwert, den sie verdienen“, sagt Michaela Blassmann, Elternbeiratsvorsitzende in Büchig – „nicht nur in Stutensee“. Das habe man während der Corona-Pandemie deutlich gemerkt. Die Demo vor dem Rathaus, hofft sie, habe „etwas bewirkt“.
Auch andere Kommunen haben Probleme bei der Kinderbetreuung
Angemeldet hatte sie Melanie Weigold. Ihr vierjähriger Sohn besucht den Kindergarten „Sonnenschein“ in Friedrichstal. Auch dort fielen im Frühjahr mehrere Betreuungstage aus.
„Die Kinder haben ein Recht darauf, in der Kita ihr Sozialverhalten zu erlernen“, sagt Weigold. „Die Stadt hätte auf die Personalausfälle schneller reagieren müssen“, kritisiert sie.
Aber: Der Engpass bei der Kinderbetreuung ist kein Stutenseer Alleinstellungsmerkmal. Auch in anderen Kommunen ist das Personal dünn besetzt, auch dort müssen Kinder mitunter zu Hause bleiben.
Nach eigenen Angaben hat die Stadt in ihren Einrichtungen insgesamt 5,6 Personalstellen mehr eingeplant, als vom zuständigen Kommunalverband für Jugend und Soziales (KVJS) gefordert. In Stutensee stechen vor allem die hohen Krankheitsausfälle ins Auge. In einer Kita fehlten im März gleich sieben Fachkräfte gleichzeitig.
Auf die angespannte Situation hat die Verwaltung nun reagiert. Zum 1. April wurde eine 50-Prozent-Stelle im Personalwesen geschaffen, deren Fokus auf der Gewinnung von Fachkräften liegen soll.