Verzögerungen in Bauabschnitt eins
Auf der Baustelle selbst geht es unterschiedlich gut voran. Während es im ersten Bauabschnitt zu deutlichen Verzögerungen gekommen ist, ist Bauabschnitt zwei – der von einer anderen Baufirma betreut wird – seiner Zeit voraus. Weingartens Bürgermeister Eric Bänziger sagt, seiner Einschätzung nach hätten sich die Weingartener so gut wie möglich auf die veränderte Situation eingestellt. Die Akzeptanz bei den Einwohnern für „diese unumgängliche Baustelle“ sei sehr hoch, das Verständnis für die Verzögerungen in Bauabschnitt eins aber sehr unterschiedlich.
Ich habe es mir schlimmer vorgestellt
Das zeigt sich auch im Gespräch mit den Anwohnern der Jöhlinger Straße: Konrad Spohrer, der im Bereich des ersten Bauabschnitts lebt, sagt, dass ihn der Staub und vor allem Autofahrer, die sich trotz Sperrung durch Weingarten „mogelten“, geärgert hätten. „Insgesamt habe ich mir die Zeit aber schlimmer vorgestellt. Zeitweise konnten wir sogar vor dem Haus parken.“
Chronologie
2. Juli 2018: offizieller Start der Straßensperrung.
Mitte Juli 2018: Pfinztal und Walzbachtal schlagen Alarm – nach einem Spitzengespräch der Bürgermeister will Weingartens Rathauschef Eric Bänziger eine Umleitung über das Mauertal prüfen lassen.
4. September 2018: Die Gemeinde Weingarten gibt bekannt, dass eine Umfahrung Weingartens über das Mauertal aufgrund des schlechten Zustands der Strecke und der rechtlichen Situation nicht infrage kommt.
10. September 2018: Walzbachtals Bürgermeister Karl-Heinz Burgey kündigt an, sich ans Landratsamt wenden zu wollen.
18. September 2018: Die CDU-Gemeindeverbände Weingarten, Pfinztal und Walzbachtal plädieren für ein Gespräch aller Beteiligten.
20. September 2018: Landrat Christoph Schnaudigel lädt die Bürgermeister, die Regierungspräsidentin und Experten zum Runden Tisch am 1. Oktober ein.
1. Oktober 2018: Schnaudigel beauftragt die Beteiligten, eine Umfahrung über Wirtschaftswege abermals zu prüfen.
23. Januar 2019: Alle Beteiligten kommen zu einem zweiten Runden Tisch zusammen. Das Landratsamt bestätigt, dass das Mauertal aus Gründen der Verkehrssicherheit und des Naturschutzes nicht als Umfahrung infrage kommt.
Zehnminütiger Fußweg
Das ist Sonja Döbbelin in Bauabschnitt zwei derzeit nicht möglich. Sie parkt ihr Auto im Gebiet „Auf der Setz“ oberhalb der Jöhlinger Straße. Der Fußweg nimmt rund zehn Minuten in Anspruch. „Die Einkäufe die Treppen runter zu schleppen, ist anstrengend. Es ist laut und dreckig. Und die Kinder mal eben wegfahren geht auch nicht mehr.“
Wir können bei offenen Fenstern schlafen
Wirklich ärgern würde sie sich allerdings nur über das Unverständnis und die Anfeindungen mancher Nachbarn auf der „Setz“. Trotzdem kann Sonja Döbbelin der Baustelle viel Positives abgewinnen. „Wir können momentan sogar bei offenen Fenstern schlafen. Das war früher unmöglich. Und die Baukolonne vor der Haustür ist super. Die versuchen, wirklich, alles möglich zu machen“, sagt sie.
Einzelhändler büßen ein Viertel ihres Umsatzes ein
Überhaupt nicht versöhnlich klingen die Einzelhändler insbesondere in Jöhlingen. Die Getränkehandlung Wagner und das Schreibwarengeschäft Eselsohr sprechen von Umsatzeinbußen von 25 bis 30 Prozent. Und sie bestätigen, was auch Walzbachtals Bürgermeister Karl-Heinz Burgey beschreibt: Entschädigungen einzufordern, gestaltet sich aufwendig und ist keine Option.
Unterschiedliche Signale
Nachdem es im Herbst zu Diskussionen über die Umfahrung der Baustelle gekommen war (siehe Chronologie), sagt Bürgermeister Bänziger: „Ich denke hier ist zwischenzeitlich Akzeptanz vorhanden, nachdem alle Möglichkeiten mehrfach geprüft und differenziert abgeklärt wurden.“ Andere Signale kommen aus Pfinztal und Walzbachtal. Burgey erkennt die Schwierigkeit des Projekts an, vertritt aber weiterhin die Meinung, Weingarten habe die Nachbarn und die Straßenverkehrsbehörde nicht rechtzeitig und ausreichend einbezogen.
Pfinztal lässt nicht locker
Die Gemeinde Pfinztal gibt sich nicht mit der für ihre Bürger belastenden Verkehrssituation zufrieden. Die Verwaltung hat ein Lärmschutzgutachten erstellen lassen, das „besorgniserregende Werte“ hervorgebracht hat, wie Bürgermeister-Stellvertreter Frank Hörter gegenüber den BNN sagt. Deswegen habe die Gemeinde abermals um ein Gespräch mit dem Landratsamt, konkret mit Knut Bühler, dem Ersten Landesbeamten, gebeten. „Die Zahlen belegen, dass wir wesentlich mehr Verkehrslärm haben, und sind ein Signal dafür, dass wir verpflichtend etwas unternehmen müssen. Wir können uns nicht vorstellen, das noch zwei Jahre mitzumachen. Das können wir unseren Bürgern nicht zumuten“, sagt Hörter weiter.
Lärmschutzgutachten: Mittelwerte von bis zu 80 Dezibel
Erhoben wurden die Ergebnisse an jeweils drei Wochentagen im Januar und Februar. Zu Stoßzeiten ergaben sich Spitzenwerte zwischen 90 und 100 Dezibel, die stündlichen Mittelwerte bewegten sich zwischen 70 und 80 Dezibel. Solche Werte gelten gemeinhin als nicht gesund. „Da kommen wir an die Grenze für Entschädigungszahlungen oder Maßnahmen ran“, so Hörter.
Polizei will verstärkt kontrollieren
Ursächlich für die hohen Werte sieht der Stellvertreter von Bürgermeisterin Nicola Bodner auch den Schwerlastverkehr, der sich nicht an das Lkw-Fahrverbot in Pfinztal hält. Deswegen hat sich die Gemeinde mit der Polizei laut Hörter auf verstärkte Kontrollen geeinigt.
Absage aus dem Landratsamt
Erster Landesbeamter Knut Bühler hat Hörter ein Gespräch zugesagt und befindet sich derzeit noch in Terminabsprachen mit dem Regierungspräsidium, wie er den BNN sagte. „Wir haben sehr viel Verständnis für die Situation in Pfinztal, weil Berghausen, was die Verkehrsbelastung angeht, auf jeden Fall in der oberen Liga spielt“, sagt Bühler, stellte aber auch klar: „Dieses Gespräch kann aus unserer Sicht jedoch ausschließlich die allgemeine Lärmsituation in Pfinztal-Berghausen zum Gegenstand haben. Eine erneute Diskussion im Zusammenhang mit der Baumaßnahme „Jöhlinger Straße“ und den daraus resultierenden Umleitungsstrecken kann aus unserer Sicht nicht Gegenstand des Gesprächs sein. Die Thematik wurde bereits beim letzten Runden Tisch vom 23. Januar dieses Jahres abschließend besprochen.“
Uneins sind sich Pfinztal und das Landratsamt über die Zahl der Pkw, die täglich zusätzlich durch Berghausen rollen. Frank Hörter spricht von mehreren Tausend am Tag. Knut Bühler sagt, davon könne keine Rede sein. Eine Untersuchung des Landratsamtes habe eine Mehrbelastung von 1 000 Fahrzeugen ergeben. Diese wiederum hält Hörter für nicht repräsentativ.
Kommentar
In den vergangenen Wochen und Monaten schien es, als hätte das Machtwort des Landratsamts vom Januar die Diskussionen um die Jöhlinger Straße endgültig verstummen lassen. Als hätten sich die erhitzten Gemüter der Lokalpolitiker wieder etwas beruhigt und sich die Pendler ihrem Schicksal gefügt, die weiträumige Umfahrung hingenommen. Tatsächlich aber ist noch immer Zunder im Thema. Das zeigen die Statements aus Walzbachtal und die neuerlichen Bemühungen der Pfinztaler um ein Gespräch im Landratsamt.
Dieses Engagement ist verständlich. Denn es tut weh mit anzusehen, was sich während des Berufsverkehrs in Berghausen abspielt. Die Autos stauen sich nicht nur im Ort, sondern stehen auch von Jöhlingen, Söllingen und Grötzingen her. Trotz allem aber bleibt das Gefühl, dass auch das neuerliche Lärmgutachten keine schnelle Lösung bringen wird. Immerhin bleibt den Menschen in Berghausen die Aussicht auf die neue B293. In die Weingartener Ortsdurchfahrt kehrt der Verkehr 2021 in alter Stärke zurück.
Letztlich zeigt die Thematik, welchen hohen Stellenwert kommunale Verbindungsstraßen haben. Und wie wichtig es ist, die Rahmenbedingungen einer solchen Jahrhundert-Baustelle frühzeitig zu kommunizieren. Möglichkeiten, es in den kommenden Jahrzehnten (noch) besser zu machen, wird es viele geben.