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Krebsrisiko?

Neue Studien stellen Kastration von Hunden in Frage

Dass die Kastration des Hundes fast nur Vorteile hat, galt lange Zeit als anerkannte wissenschaftliche Wahrheit, wird durch neue Studien aber zunehmend in Frage gestellt. Selbst viele Tierärzte verzichten inzwischen auf den Eingriff bei ihren eigenen Tieren.

SEINE UNGARISCHE JAGDHÜNDIN AYLA hat der Stutenseer Jäger und Naturschützer Thomas Hornung nicht kastrieren lassen. Diese Entscheidung – das sagen auch Tierärzte – muss jeder Besitzer selbst treffen.
Seine ungarische Jagdhündin Ayla hat der Stutenseer Jäger und Naturschützer Thomas Hornung nicht kastrieren lassen. Diese Entscheidung – das sagen auch Tierärzte – muss jeder Besitzer selbst treffen. Foto: Lechner

Sollte jeder Hundebesitzer sein Tier kastrieren lassen? Was vor einigen Jahren noch gang und gäbe war, wird jetzt von Studien in Frage gestellt. Das Risiko für Brustkrebs sinkt durch eine Kastration bei Weitem nicht so stark, wie die Tiermedizin lange Zeit glaubte. Dafür belegen neuere Studien, dass kastrierte Tiere häufiger an Lymph- oder Milzkrebs leiden.

Von unserem Mitarbeiter Franz Lechner

„Du hast einfach eine große Sauerei in deiner Wohnung, wenn deine Hündin ihre Tage hat, und du verringerst das Risiko, dass sie an Tumoren oder an einer Gebärmutterentzündung erkrankt“, nennt der Friedrichstaler Jäger und Stutenseer Stadtrat Thomas Hornung zwei wichtige Gründen, die für eine Kastration einer Hündin sprechen. Die Frage ob seine ungarische Jagdhündin kastriert ist, erübrigt sich da wohl. Oder?

„Nein“, lächelt der Jäger leicht verlegen, „meine Ayla habe ich nicht kastrieren lassen.“ Seine Begründung: „Ich möchte meinem Hund nicht antun, was ich mir für mich selbst auch nicht wünsche.“ Thomas Hornung ist ein Mann, sein Hund ist eine „Frau“, aber in der Frage, ob man seinen Hund kastrieren lassen sollte oder nicht, reagieren viele Hundebesitzer ähnlich widersprüchlich wie der Friedrichstaler Jagdpächter.

Ich möchte meinem Hund nicht antun, was ich mir für mich selbst auch nicht wünsche.
Der Stutenseer Stadtrat und Jäger Thomas Hornung

Die Antwort ist heute nicht mehr leicht. „Vor einem Jahrzehnt, als ich selbst meine Hündin habe kastrieren lassen, galt noch, dass die Vorteile einer Kastration die Nachteile für einen Hund bei weitem überwiegen“, erinnert sich die in Ubstadt-Weiher wohnende Veterinärin Bettina Volpe-Freiwald und fügt hinzu, „heute lassen selbst viele meiner Kolleginnen ihre Hunde nicht mehr kastrieren.“

Neue Studien stellen Vorteile in Frage

Vieles, was nämlich lange Zeit als anerkannte wissenschaftliche Wahrheit galt, nämlich dass die Kastration des Hundes fast nur Vorteile hat wird durch neue Studien zunehmend in Frage gestellt. Zwar gilt auch heute noch, dass die Entfernung der Gebärmutter oder der Eierstöcke bei Hündinnen respektive der Hoden bei Rüden, Eierstock-Tumore, Gebärmutter-Vereiterung sowie Hoden-, Prostata- und Analtumore verhindere und zudem das Halten der Hunde unkomplizierter macht.

Doch kein viel geringeres Brustkrebs-Risiko

Aber in einem wesentlichen Punkt widersprechen neuere Studien dem, was auch heute noch als wichtiges Argument für die Kastrierung von Hündinnen gilt: Das Risiko für Brustkrebs sinkt durch eine Kastration lange nicht so stark wie die Tiermedizin lange Zeit glaubte. Schlimmer noch ist, was Volpe-Freiwald berichtet: „Neuere Studien scheinen zu belegen, dass kastrierte Tiere häufiger an manchen Krankheiten wie beispielsweise an Lymphkrebs oder an Milztumoren leiden als nicht kastrierte.“

Erhöhtes Risiko für Milzkrebs

So zeigt beispielsweise eine in einem anerkannten amerikanischen Fachjournal („Journal of the American Veterinary Medical Association“) veröffentlichte Studie mit 2.500 kastrierten Magyar Viszla (Ungarische Jagdhunde), dass Tiere beiderlei Geschlechts ein deutlich erhöhtes Risiko aufwiesen, an Milzkrebs zu erkranken.

IM WELPENALTER sind Hunde noch nicht reif für eine Kastration. Hündinnen wie Rüden brauchen erst mal Zeit, um ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Fotos: Lechner
IM WELPENALTER sind Hunde noch nicht reif für eine Kastration. Hündinnen wie Rüden brauchen erst mal Zeit, um ihre Persönlichkeit zu entwickeln. Fotos: Lechner Foto: Lechner

Junge Hunde brauchen Zeit

Die Kastration als Allheilmittel bei Verhaltensauffälligkeiten wie beispielsweise ein aggressiv-dominantes Verhalten gegenüber anderen Hunden, wird ohnehin von vielen Tierärzten angezweifelt. „Wenn beispielsweise Hundebesitzer ihre jungen Rüden kastrieren lassen wollen, weil die während der Pubertät oft sehr schwierig werden, sehe ich das sehr kritisch“, sagt Ruth Kothe. Die Tierärztin aus Stutensee erklärt auch gleich warum: „Grundsätzlich brauchen sowohl junge Hündinnen als auch junge Rüden einige Zeit, um ihre Persönlichkeit zu entwickeln, daher sollte man sie eigentlich nicht zu früh kastrieren lassen.“

Wenn beispielsweise Hundebesitzer ihre jungen Rüden kastrieren lassen wollen, weil die während der Pubertät oft sehr schwierig werden, sehe ich das sehr kritisch.
Tierärztin Ruth Kothe aus Stutensee

Für die Tierärztin ist die Frage, welche gesundheitlichen Folgen eine Kastration für einen Hund haben kann, auch längst noch nicht abschließend geklärt. „Wir wissen zwar, dass neben einigen bekannten Folgen wie beispielsweise die Harninkontinenz, die meist bei kastrierten Hündinnen von großen Hunderassen auftaucht, auch andere negative Folgen von der jeweiligen Rasse abhängen, aber leider fehlt es da noch an genauen Studien“, sagt Ruth Kothe.

Eingriff kann Leben retten

Für sie wie vermutlich für alle anderen Tierärzte gilt aber immer noch, dass es viele Indikationen gibt, bei denen eine Kastration nicht nur medizinisch sinnvoll, sondern sogar lebensrettend sein kann. „Die Entscheidung ist nicht immer einfach, deshalb berate ich die Menschen, die mit ihren Hunden zu mir kommen sehr gründlich, aber am Ende muss jeder Hundebesitzer die Entscheidung selbst treffen“, sagt Tierärztin Ruth Kothe.

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