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Bundesteilhabegesetz im Fokus

Teilhabe von Behinderten: Karlsruher Kreistag kritisiert Kostensteigerung und Bürokratie

Dass die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung sinnvoll ist, darüber sind sich alle Kommunalpolitiker einig. Stark kritisiert wird aber die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes. Sie bedeutet derzeit viel Personal und Bürokratie.

Ein Piktogramm für einen Behindertenparkplatz und ein Schatten einer Person sind auf dem Asphalt zu sehen. Eine Mitarbeiterin mit Behinderung klagt vor einem polnischen Gericht auf Zahlung eines Zuschlags. Diesen hatte der Arbeitgeber allen Mitarbeitern versprochen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt einen Bescheid über eine Behinderung vorlegten. Die Klägerin hatte ihren Bescheid bereits früher vorgelegt und erhielt den Zuschlag nicht. Das Bezirksgericht Krakau will vom Gerichtshof wissen, ob die EU-Richtlinie über die Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf verletzt wird. +++ dpa-Bildfunk +++
Konfliktreich: Das Bundesteilhabegesetz befürworten viele Kommunalpolitiker im Landkreis Karlsruhe. Sie sehen aber noch Potenzial bei einer besseren Umsetzung. Foto: Patrick Pleul picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild

Als eine der „schlimmsten Vorlagen der vergangenen Jahre“ bezeichnete Cornelia Petzold-Schick (Freie Wähler) das Papier, das der Jugendhilfe- und Sozialausschuss des Kreistages zunächst einmal zur Kenntnis nehmen musste. Bei besagter Sitzungsvorlage ging es um „Entwicklungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen“.

An der Sache selbst, eben an einer zielgerichteten Hilfe und Unterstützung für die Betroffenen, hatte die Oberbürgermeisterin von Bruchsal nichts auszusetzen. In den Fokus ihrer Kritik geriet besonders die Umsetzung und die damit verbundenen Kostensteigerungen.

Kostensteigerung von 100 Prozent

Zwischen 2006 und 2020 stiegen die Kosten für die Eingliederungshilfe von 28,6 Millionen Euro auf 65,7 Millionen Euro. Die entsprechenden Zahlen stellte Kristin Keller, Abteilungsleiterin Eingliederungshilfe im Landratsamt, den Ausschussmitgliedern vor. Mit als einen Grund für die immense Kostensteigerung machte sie einen deutlichen Anstieg (fast 100 Prozent) bei den Leistungsempfängern aus.

Und zwar unter anderem bedingt durch die Zunahme psychischer Erkrankungen, dem steigenden Bedarf an Mehrfachhilfen, dem steigenden Bedarf bei der Frühförderung, nicht zuletzt bei Kindern mit Migrationshintergrund. 2006 verzeichnete die Landkreisverwaltung insgesamt 1.665 Leistungsempfänger. Im Vorjahr waren es 3.290.

Zudem wird im modifizierten Bundesteilhabegesetz (BTHG) für Menschen mit Behinderung individuelle Selbstbestimmung und volle gesellschaftliche Teilhabe gefordert. Darüber, dass der Ansatz grundsätzlich richtig ist, besteht im Ausschuss und in der Landkreisverwaltung kein Zweifel. Kritisiert wird vielmehr die Umsetzung, der bürokratische und personelle Aufwand, eine „individuelle Rundumversorgung“ zu gewährleisten.

Zweifel an zu viel Bürokratie

Kurzum: Der Verwaltungsaufwand werde immer größer. Das wiederum wird sich laut Verwaltung bei den Kosten bemerkbar machen. Die Kosten könnten um 20 bis 30 Prozent steigen. Allerdings, kritisierte Petzold-Schick weiter, würden am Ende die Betroffenen davon kaum profitieren. Sie sprach mit Blick auf den zusätzlichen Aufwand von einem „verheerenden Wirkungsgrad“.

Die Absicht des Gesetzgebers ist gut – nicht aber die Ausführung.
Helma Hofmeister, Kreistagsabgeordnete SPD

Zweifel an zu viel Bürokratie und Verwaltung äußerte auch Helma Hofmeister (SPD). Die Absicht des Gesetzgebers sei gut – nicht aber die Ausführung. Positives gewann Ulrike Sinner (Liga) den Vorgaben nach mehr Individualisierung der Leistungen ab: Bislang sei die Förderung mitunter zu pauschallastig gewesen. Gleichzeitig erinnerte sie daran, dass es beim Bundesteilhabegesetz um die Umsetzung eines Menschenrechtes gehe.

„Wir sollten passgenaue Lösungen von Träger zu Träger finden“, schlug Landrat Christoph Schnaudigel vor. Zur Not müsse der Landkreis dann auch schon mal eigene Weg gehen. Die Beteiligten, so der abschließende Tenor im Ausschuss, wollen weiterhin auf partnerschaftliche Zusammenarbeit setzen.

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