Von den Kommunikationsmitteln, die dem modernen Menschen zur Verfügung stehen, kommt wohl die Videotelefonie einem Treffen vor Ort am nächsten. Zu diesem Zweck hat die Evangelische Stadtmission Karlsruhe für jedes ihrer Häuser ein Smartphone organisiert und die Kontaktdaten der Angehörigen beschafft. So können die Bewohner mit Hilfe von Betreuungsassistenten Videokonferenzen abhalten.
Seit Dienstag finden im Seniorenzentrum in Stutensee-Blankenloch Videokonferenzen statt. Die Einrichtung steht wegen infizierter Bewohner derzeit unter Quarantäne, ebenso das Haus Edelberg in Stutensee-Friedrichstal. Auch dort zieht man in Erwägung, sich die digitalen Kommunikationsmittel zunutze zu machen.
Wir können den Laden aber nicht so dicht machen, dass jemand seinen sterbenden Vater nicht mehr besuchen kannPfarrer Martin Michel
„Es ist für die Familie und auch für uns ein wunderbares Geschenk“, sagt Pfarrer Martin Michel, Vorsitzender der Stadtmission und stellvertretender Vorsitzender des Pflegebündnis Technologieregion: „Die Isolation ist natürlich eine Tragödie für alle. Besonders groß ist die Verzweiflung aber bei ambulant betreuten Menschen.“ Generell gelte absolutes Besuchsverbot, „Wir können den Laden aber nicht so dicht machen, dass jemand seinen sterbenden Vater nicht mehr besuchen kann“, findet der Pfarrer.
Bewohner erhalten Fotos aus E-Mails ihrer Angehörigen
Auch das AWO Seniorenzentrum in Eggenstein-Leopoldshafen will seine Betreuungsassistenten dafür einsetzen, gemeinsam mit den Bewohnern die Angehörigen über Skype und Face-Time zu kontaktieren. „Dafür wurde eigens ein Tablet organisiert“, sagt Heimleiter Markus Bär. Außerdem nehmen die Mitarbeiter E-Mails an: „Manche Angehörigen schicken ein Foto, das drucken wir dann aus und geben es den Bewohnern.“
Im Altenpflegeheim Stiftung Geschwister W. Nees in Linkenheim-Hochstetten nutzen in erster Linie die Bediensteten die digitale Kommunikation. Alle Besprechungen wurden abgesagt. Heimleiter Marek Piecha stimmt sich jeden Morgen per Telefonkonferenz mit Mitarbeitern ab. Bewohnern ohne Telefonanschluss stellt das Heim ein Mobiltelefon zur Verfügung. Damit auch der menschliche Kontakt nicht zu kurz kommt, spielt ein Pfarrer im Demenzgarten Gitarre für die Bewohner.
Es gibt auch andere Wege, die Kommunikation aufrecht zu erhalten. „Vergangene Woche hatten wir einen 99. und einen 100. Geburtstag“, berichtet Thomas Richter, Heimleiter im AWO Seniorenzentrum Rheinaue in Graben-Neudorf: „Die Angehörigen haben uns Kuchen gebracht und sich mit ihren Verwandten durchs Fenster unterhalten.“ Der Heimleiter ist aber sicher, dass künftig kein Weg an der digitalen Kommunikation vorbeiführen wird: „Das ist eine Art Grundversorgung“.
Manche Senioren haben wenig Verständnis
Ein wahrer Segen seien die neun zusätzlichen Betreuungskräfte der Einrichtung. Denn: „Pflegekräfte haben immer weniger Zeit, sich mit den Bewohnern an einen Tisch zu setzen.“ Um sie zu entlasten, müsse der Personalschlüssel – eine Pflegekraft auf 20 Bewohner – dringend ausgebaut werden, meint Richter.
Alle aktuellen Entwicklungen zum Coronavirus im Überblick
„Manche Bewohner leiden schon sehr unter der Isolation und haben nicht immer Verständnis dafür, warum keiner mehr kommen darf“, sagt Frank Huck. Er ist Heimleiter im Seniorenhaus am Losenberg in Walzbachtal. Das Heim konzentriere sich seit der Corona-Krise verstärkt auf die individuelle Betreuung. „Es gibt aber diejenigen, die überzeugt sind, als Angehörige der Kriegsgeneration schon ganz andere Sachen durchgemacht zu haben.“