Der Friseur als Kummerkasten und Dorfkenner – das ist ein weit verbreitetes Klischee. Doch von welcher Bedeutung sind die Gespräche beim Friseur wirklich? Wir haben in den Friseursalons in der Umgebung nachgefragt.
Marcella Manz leitet den Friseursalon „Marcella Manz Hairstyling“ in Weingarten und findet es sehr wichtig, sich mit den Kunden zu unterhalten: „Als Friseur hat man einen Beruf, bei dem man sehr nah an Menschen ist, obwohl man sie nicht kennt“, sagt sie. „Das ist ein bisschen wie beim Arzt.“ Für die Kunden sei man eine neutrale Person, der man sich anvertrauen kann.
Das ist ein bisschen wie beim Arzt.Marcella Manz Leiterin eines Salons
„Der Friseurstuhl ist magisch“, sagt sie. Man spreche über alles: Reisen, Hobbys, Essen und Trinken oder die Beziehung. Manz erzählt, dass sie den Familienbetrieb weiterführt.
„Mein Großvater war Friseur, mein Vater hat ebenfalls den Beruf ausgeübt.“ Seit 90 Jahren gebe es den Friseursalon und so habe sie mit Kunden zu tun, die sich seit 40 oder 50 Jahren ihre Haare bei ihr schneiden lassen. Dementsprechend seien auch schon Freundschaften entstanden und man werde in Geheimnisse eingeweiht.
Männer sprechen über die Arbeit - oder über Fußball
Auch Männer unterhalten sich gerne beim Friseur, erzählt sie. Sie seien meistens kürzer da als die Frauen und würden eher sachliche Gespräche über Fußball oder die Arbeit führen.
Der Umgang mit den Kunden will gelernt sein. In Weiterbildungen lerne man, die Kunden zu beobachten und sie einzuschätzen, wenn sie den Laden betreten. Dabei spiele beispielsweise das Alter eine große Rolle. Man passe seine Umgangsformen an die jeweiligen Kunden an.
In ihrem Beruf müsse man beraten können, die Fachkenntnisse rund um Frisuren und Styling seien Voraussetzung. Aber guter Service und die emotionale Bindung zueinander sind für die Kundschaft ausschlaggebend für den nächsten Besuch. „Es macht Spaß, sich zu unterhalten, aber man muss die Wünsche der Kunden kennen und akzeptieren“, sagt Manz. So müsse man auch eine halbe Stunde schweigen können.
Trotz zahlreicher Kunden und verschiedener Gesichter verliere sie nicht den Überblick, sagt Manz: „Einmal ist der Computer ausgefallen und meine Kollegen haben mich nach den Rezepturen für die Kunden gefragt. Ich konnte alles auswendig aufsagen.“
Virginia Hummel ist Besitzerin des Salons „Ginis Haartrend“. Auch in ihrem Salon unterhält man sich. Hummel legt ihren Fokus auf das Beratungsgespräch und darauf, die Gewohnheiten rund um die Haarpflege kennenzulernen: „Wie oft wäscht die Kundin ihr Haar? Was ist ihr wichtig beim Friseur? Welche Produkte verwendet sie?“
Manche Friseurkunden wollen einfach nur entspannen
Im beruflichen Alltag begegne man unterschiedlichen Verhaltenstypen. So rede man mit einer eher extravaganten Person anders als mit jemandem, der emotional ist. Dann sei ein sanfterer Umgang gefragt, genauso wie bei den Kunden, die in sich gekehrt sind. Man passe sich an die Wünsche an, manche Kunden kämen gestresst und möchten sich bei ihrem Besuch nur entspannen.
„Wir sind eine Vertrauensperson für die Kunden und gute Zuhörer“, sagt Hummel. Vor allem mit langjährigen Kunden baue man eine Bindung auf. Dazu gehöre, die Menschen zu kennen.
Vor allem die Gesichter mit ihren Frisuren würden einem Friseur im Gedächtnis bleiben. „Man freut sich auf den Kunden. Man schaut morgens in den Terminkalender, wer alles kommt, und freut sich darauf. Man ist mit Leib und Seele dabei“, sagt Hummel.
Nach ihrem Termin bei Hummel ist Karin Peters sehr zufrieden. „Ich werde freundlich empfangen“, sagt sie. „Hier wird sensibel und ruhig mit mir umgegangen. Ich fühle mich aufgeräumt und zufrieden.“ Meistens lese sie in Illustrierten und bespreche bei Bedarf etwas. Sie habe eine Bindung zu Hummel aufgebaut und vertraue ihr, deshalb gehe sie zu keinem anderen Friseur.