Es ist 13 Uhr und Essenszeit in der Mühle Weingarten. Geschirrklappern und Stimmengemurmel erfüllen den Speisesaal des Gebäudes. Es riecht lecker nach Gulasch. Bevor gegessen wird, singen alle noch ein Lied.
Das Zentrum für Gebet und Jüngerschaft unter der Leitung von Pastor Stefan Lepp beherbergt seit Ende April neben den eigenen Bewohnern auch 27 Gäste aus der Ukraine – vier Elternpaare und 19 Kinder. Bei ihnen handelt es sich weitgehend um Pflege- oder Waisenkinder.
Unter ihnen ist auch der kleine Sascha Pediah, der vor einem Monat gemeinsam mit seinen Eltern und Pflegegeschwistern aus der Ukraine nach Deutschland geflohen ist.
Freiwillige unterstützen Flüchtlinge aus der Ukraine in Weingarten
Der Siebenjährige Sascha Pediah und seine Familie stammen aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Riwne, einer Großstadt im Nordwesten der Ukraine mit etwa 250.000 Einwohnern. Er hat sich in der Mühle schon gut eingelebt und fühlt sich wohl in seiner neuen Umgebung. Das liegt auch daran, dass sich alle rührend um die Kinder und Erwachsenen aus dem Kriegsgebiet kümmern.
Corina Merkle bietet als praktische Ärztin jeden Mittwoch ehrenamtlich eine zweistündige Sprechstunde für die Ankömmlinge an. Bei Verständigungsproblemen helfen entweder der Google-Übersetzer oder Ukrainerin Nadija, die seit vielen Jahren in Deutschland lebt. Die Anwesenheit einer Landsmännin schafft bei den Neuankömmlingen Vertrauen und beseitigt Sprachprobleme meist schnell.
„Sascha findet Deutschland klasse, vor allem die Landschaft und die großen Wohnräume gefallen ihm“, übersetzt Nadija. Er wandert gern mit seinen Eltern Tanja und Andrij durch die Hügel rund um Weingarten und hat schon Freundschaft mit einer „Babusya“, einer älteren Frau geschlossen, die ein paar Häuser weiter lebt und ebenfalls aus der Ukraine flüchten musste.
Flüchtlinge aus der Ukraine bekommen Visum für Kanada
„Die spielt oft mit mir“, sagt der siebenjährige Sascha Pediah lächelnd. Ein Stückchen Heimat in der Fremde. „Ich weiß, bei uns ist Krieg. Wir können im Moment nicht zurück“, bedauert der Kleine. Und obwohl er hier schon neue Freunde gewonnen hat und über Online-Kurse weiter am Unterricht seiner Heimat-Schule teilnimmt, vermisst er seine Freunde daheim. „Wenn ich kann, möchte ich wieder zurück“, sagt er mit leiser Stimme.
Wenn ich kann, möchte ich wieder zurück.Sascha Pediah, Siebenjähriger aus der Ukraine
Manche aber möchten gerne in Deutschland bleiben. Andere haben ein Visum für Kanada beantragt und erhalten. Sie haben die Mühle bereits verlassen und wurden mit einer kleinen Feier in ihr neues Leben verabschiedet. Auch Sascha und seine Familie werden bald dorthin gehen.
„Wir wollen hier Glauben erfahrbar machen“, sagt Stefan Lepp über sein Engagement als Evangelist für die Menschen aus der Ukraine. Die Familien sind in insgesamt sechs Zimmern untergebracht. Essen und Kleidung wird ihnen ebenfalls gestellt. Die Gäste revanchieren sich, indem sie tatkräftig in der Küche oder bei allen anderen anfallenden Arbeiten mithelfen.