Rund 230 Menschen aus der Ukraine sind mittlerweile in Weingarten angekommen und ihre schulpflichtigen Kinder werden in der Turmbergschule unterrichtet. Mit einem bunten Luftballonfest und Singen und Tanzen haben Rektorin Karin Sebold, die Schülerinnen und Schüler sowie das Lehrerkollegium die Neuankömmlinge aufs herzlichste willkommen geheißen.
Jedes Kind bekam zum Start über das örtliche Schreibwarengeschäft eine Grundausstattung an Lernmaterial ausgehändigt. Auch Trinkflasche und Vesperdose fehlten nicht. Dann begann der Alltag.
„Es ist uns gelungen, zwei Vorbereitungsklassen einzurichten“, berichtet Rektorin Sebold und Konrektorin Birgit König ergänzt: „Der Fokus liegt auf dem Erlernen der deutschen Sprache.“ Allerdings nur als Zweitsprache, denn die Eltern haben auf jeden Fall den Wunsch, eines Tages wieder in die Heimat zurückzukehren und dann sollte bei ihren Kindern die Muttersprache nicht verschüttet sein. Dafür sorgen zwei ukrainische Lehrkräfte, die die jüngeren Kinder im Unterricht begleiten und, wo es nottut, übersetzen.
Ingrid Merkel, Leiterin der Arbeitsgruppe Unterricht im Weingartner Freundeskreis Ukraine, erklärt, Baden-Württemberg werde zusätzliche Lehrkräfte einstellen, um den Zuwachs abzufangen. Auf 1.000 Schüler, die Deutsch lernen sollen, werden 60 Lehrkräfte gebraucht. Diese könnten aber auch Studenten sein oder Absolventen, deren Abschluss in Baden-Württemberg nicht anerkannt werde.
Sie habe in Absprache mit dem Freundeskreis von verschiedenen Verlagen Material für den Unterricht in Weingarten beschafft. Die Gemeinde habe dafür ein Spendenkonto eingerichtet. Aus dem Rest des Digitalpakts kann die Schule den ukrainischen Schülern noch iPads zur Verfügung stellen.
Der Unterrichtsansatz in der Primarstufe sei in Deutschland mittlerweile ein ganz anderer als in der Ukraine, sagt Ingrid Merkel. Dort sei der Unterricht wie eine Vorlesung und sehr lehrerzentriert, in Deutschland dagegen mehr handlungsorientiert. Als prägnantes Beispiel packt sie ein „Mensch-ärgere-Dich-nicht“-Spielfeld aus. Hier lernen Kinder zählen und rechnen im Spiel, was für ihre osteuropäischen Altersgenossen ungewohnt sei.
Kinder und Eltern nehmen Angebot in Weingarten gut an
Aus einem Chatverlauf berichtet Merkel, höre sie aber nur positive Reaktionen. Kinder und Eltern seien glücklich, hier zu sein. „Die Kinder sind wie unsere Kinder auch“, sagt Sebold dazu. „Sie wirken nicht traumatisiert, sondern eher wie eine Gruppe im Schullandheim.“ Voller Lob ist die Rektorin über deren Sauberkeit und Disziplin, was auch Hauptamtsleiter Oliver Russel schon bestätigt habe.
Aber ohne Einschränkung geht es nicht. „Es war nicht einfach, so adhoc Räume freizumachen“ räumen die beiden Rektorinnen unumwunden ein. Räume im Hort mussten herangezogen werden. Darüber hinaus werde die Schule verstärkt versuchen, das Interesse der ukrainischen Kinder an nicht sprachrelevanten Fächern, wie Sport und Musik zu wecken, damit auch die soziale Integration gelinge. „Organisatorisches und pädagogisches muss ineinander greifen und bedarf einer Unmenge an Absprachen“ resümieren die drei Pädagoginnen.