
Schlechte Zeiten, gute Zeiten: Im Jahr 2021 hat die Mineraloelraffinerie Oberrhein (MiRO/Karlsruhe) den ersten Verlust in ihrer Geschichte eingefahren. Für 2022 waren die Raffineriemargen in der gesamten Branche aber „sehr, sehr positiv“, so MiRO-Chef Andreas Krobjilowski beim Neujahrsempfang seines Hauses am Freitagabend.
Nähere Angaben zum Gewinn macht Deutschlands größte Raffinerie traditionell nicht.
Bund sorgte in Sachen Rosneft für Entspannung
Krobjilowski deutete an, es sei nachvollziehbar, dass der Staat in der Krise einen Solidarbeitrag für Raffinerien möchte, um hohe Energiepreise abzufedern. Der Manager kritisierte aber die nationale Umsetzung des von der EU beschlossenen Solidarbeitrags. Dies sei auch vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Raffinerien massiv in Richtung Nachhaltigkeit investieren müssten.
Putins Angriffskrieg gegen die Ukraine machte auch die MiRO atemlos: Ölembargo, Erdgasknappheit, aber auch die Gesellschafterstruktur mit einem 24-prozentigen Anteil der Deutschland-Tochter des russischen Rosneft-Konzerns führten zu großen Unwägbarkeiten, so Krobjilowski. Erst als der Bund die deutsche Rosneft im September in Treuhandverwaltung nahm, „entspannte sich die Situation deutlich“.
Der MiRO-Chef klagt über Preisexplosionen von Chemikalien und Hilfsstoffen. So habe die Standardchemikalie Salzsäure zeitweise das 20-Fache des Normalpreises gekostet – wenn sie überhaupt am Markt zu haben war. Frachtraten auf dem Rhein mit seinem Niedrigwasser im zurückliegenden Sommer seien auf das Zehnfache des Normalwertes gestiegen.
„Also alles in allem sehr herausfordernde Zeiten“, so Krobjilowski bei dem traditionsreichen Empfang in der MiRO-Betriebskantine, der wegen Corona zuletzt drei Mal ausgefallen war.
Unerwartete Stillstände in Karlsruhe
Sicherheit zuerst – hier punktete die MiRO. Bei drei Millionen Arbeitsstunden gab es laut Krobjilowski nur einen meldepflichtigen Fall. Doch technisch lief im vergangenen Jahr nicht alles glatt: Zu Beginn stand die Hydrocracker-Konversionsanlage bis in den Februar hinein still. Und an Weihnachten musste die MiRO eine der drei Rohöldestillationsanlagen wegen eines Ofenproblems außer Betrieb nehmen. Aktuell werde sie wieder angefahren.
Die MiRO-Gesellschafter stünden zum Standort Karlsruhe. Als ein Beleg nennt Krobjilowski die 350-Millionen-Investition im Jahr 2021 – Produktausbeute und Energieeffizienz seien dadurch verbessert worden.
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Mit Blick auf die fernere Zukunft vermisst Krobjilowski eine klare Linie vor allem der Europäischen Union. Die MiRO wolle auf dem Weg zur „Grünen Raffinerie“ ihren Beitrag zum Klimaschutz leisten, so der Manager. Für den treibhausneutralen Betrieb sei eine ausreichende und wirtschaftliche Versorgung mit grünem Wasserstoff nötig.
Dafür brauche es eine Importstrategie und geeignete Leitungsnetze. Derzeit sähen Fernleitungsnetzbetreiber eine Anbindung der MiRO an ein Wasserstoffnetz aber frühestens ab 2030 vor. Das wäre laut Krobjilowski viel zu spät. Er befürchtet ein „Nord-Süd-Gefälle in der technologischen Entwicklung“.
Kritik an der EU in Sachen e-Fuels
Krobjilowski reklamiert zudem „ein klares Bekenntnis“ des Bundes und vor allem der EU zu umweltfreundlichen e-Fuels, die die MiRO herstellen möchte. Auch im Jahr 2030 würden laut Krobjilowski noch 30 bis 35 Millionen Pkw mit Verbrennungsmotor auf deutschen Straßen unterwegs sein – für eine Klimawende brauche es für diese Fahrzeuge die e-Fuels.
2022 hat die MiRO 13,5 (2021: 12,5) Millionen Tonnen Mineralölprodukte produziert – unter anderen 4,7 (zuvor: 4,2) Millionen Tonnen Benzin, 4,1 (3,6) Millionen Tonnen Diesel und 2,3 (2,0) Millionen Tonnen leichtes Heizöl. Die Raffinerie setzte – inklusive Energiesteuer – 4,755 (2021: 4,889) Milliarden Euro um.
Zur Tradition des MiRO-Neujahrsempfangs gehört der Auftritt eines Gastredners – bei der jüngsten Auflage sprach Bundestagsabgeordneter Gregor Gysi, langjähriger Fraktionsvorsitzender der Linkspartei.