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Mühsamer Weg

Karlsruher Sonderweg in Sachen Inklusion: Elternforum wegen Corona jetzt online

Mit seinem Elternforum zu inklusiven Bildungswegen für Kinder geht Karlsruhe seit zehn Jahren einen Sonderweg. Derzeit läuft alles coronabedingt im Online-Modus. Das bedeutet, dass einige viel verpassen.

20.08.2020 Familie Zerbe: Susanne und Clemens Zerbe, ihre Tochter Johanna und der Sohn Maximilian (Trisomie 21) im Garten ihres Hauses in Karlsruhe-Palmbach
Großer Sprung: Familie Zerbe aus Palmbach ist froh, dass Maximilian mit Trisomie 21 im Sommer 2020 den Schritt in die Grundschule geschafft hat. Foto: Jörg Donecker

Den Alltag für ihren munteren Sohn Maximilian zu organisieren, fiel Susanne Zerbe aus Palmbach im ersten Lockdown schwer. Zu spät erfuhr sie, dass eine Heilpädagogin Maximilian hätte besuchen dürfen und dass dem Jungen mit Trisomie 21 wegen Förderbedarf zudem Notbetreuung zustand.

Dabei ist Zerbe als schulpädagogische Fachkraft an der Pestalozzischule in Durlach recht vertraut mit allerlei Regelungen. Jetzt im zweiten Lockdown profitiert die Familie davon, dass Maximilians Schulbegleitung ins Haus kommt und mit dem Erstklässler durch den virtuellen Schultag geht. „Maximilian kann am kompletten Buchstabenprogramm teilnehmen und hat große Lust, zu lernen“, berichtet die Mutter.

Zwischen beiden Ausnahmephasen lag Maximilians erster Schultag. Bis der Junge wie die gleichaltrigen Freunde in die Heinrich-Barth-Schule in Grünwettersbach eingeschult wurde, hatten die Zerbes weit größere Hürden zu nehmen als wegen Corona.

Leicht fällt die Gestaltung des Bildungswegs keiner Familie, in der ein Kind besonderen Förderbedarf hat. Kommt das Kindergartenalter, stehen die Schule oder später der Wechsel ins Berufsleben an, bringt das viele Fragen, die sich nicht im Gespräch auf dem Spielplatz oder im Freundeskreis beantworten lassen.

BNN-Forum war der Auslöser

Seit zehn Jahren geht die Stadt Karlsruhe einen eigenen Weg, um Eltern bei der Suche nach dem besten Werdegang für ihr förderbedürftiges Kind zu unterstützen. In diesen Familien erfordert Alltägliches oft große Mühe, was auch erheblich den Geldbeutel belasten kann. 2009 war viel Druck auf dem Kessel.

Ein Forum der Badischen Neuesten Nachrichten zum Thema Inklusion in der Aula des Helmholtz-Gymnasiums verlief so konfrontativ, dass die Stadt einen Kurswechsel beschloss. Es war der Auslöser für das Karlsruher Elternforum Inklusion.

Derzeit läuft das Elternforum coronabedingt erstmals im Online-Modus. Susanne Zerbe war froh über ihren ersten digitalen Elternabend: Sie brauchte keine Betreuung für Maximilian. Doch an Eltern, die weniger vertraut sind mit Schule und Internet, denen aber das Beratungsangebot besonders nützen könnte, gingen digitale Formate womöglich vorbei, fürchtet Johannes Ruckenbrod.

Der Leiter der Abteilung Inklusion im Staatlichen Schulamt Karlsruhe stützt seine Bedenken auf die Resonanz beim ersten Termin: „Da waren vielleicht 28 bis 30 Eltern dabei, die es richtig betrifft.“ Es sei „absolut das Ziel“, zur Präsenzveranstaltung zurückzukehren, sagt er: „Die Eltern wünschen sich den persönlichen Kontakt zu uns.“

Inklusion betrifft die ganze Schule

Elternforen kombinierten bisher einen Informationsteil mit Workshops zu den Übergängen in die Grundschule, die weiterführende Schule sowie in den Beruf. 2021 gibt es stattdessen zwei Online-Termine. Individuelle Fragen verlegen die Ansprechpartner vom Fach seit jeher in die Folgetage. So stellt sich Ruckenbrod ein auf weitere Telefonate nach dem zweiten Online-Forumsabend am Donnerstag, 11. März, ab 18 Uhr zum Thema „Schule – und dann?“ Dies sei die komplizierteste Sachlage, sagt der Inklusion-Fachmann im Staatlichen Schulamt: „Ein Jugendlicher hat viele Möglichkeiten, das ist oft sehr individuell.“

Staatliches Schulamt, das städtische Schul- und Sportamt, die Agentur für Arbeit, die Berufsschulen und der Karlsruher Verein Eltern und Freunde für Inklusion (EFI) stellen gemeinsam die Ansprechpartner der Eltern – das ist der besondere Karlsruher Weg, unterstreicht Joachim Frisch.

Der Chef des Schul- und Sportamts kennt den großen Informationsbedarf. Welche Schulen kommen infrage, welche Möglichkeiten gibt es wo, wie läuft die Schülerbeförderung? „Wir müssen erklären, wie es geht“, betont Frisch. Auch der Gesamtelternbeirat Karlsruhe begrüßt das, zumal Inklusion die ganze Schulgemeinschaft betrifft.

Stadt finanziert Elternlotsen

In der ersten digitalen Runde kam erneut die klassische Frage, berichtet der Leiter des Schul- und Sportamts. Sie heißt: „Wo sind die Inklusionsschulen?“ Frisch erläutert dann stets, dass Inklusion grundsätzlich Aufgabe aller Schulen und Schularten ist. „Aber es gibt verschiedene Schulen mit besonders viel Erfahrung.“

Und dann sind da noch die Elternlotsen von EFI. Die Sozial- und Jugendbehörde der Stadt finanziert diese Elternlotsen, Ehrenamtliche mit fachlicher Qualifikation. Sie begleiten Eltern, unterstützen bei Anträgen und helfen, Gutachten zu verstehen. „Sie spielen eine ganz wichtige Rolle, dafür sind wir dankbar“, unterstreicht Frisch.

Er empfiehlt Eltern, sich so früh wie möglich zu melden. Mit einem Jahr Vorlauf etwa könne die Stadt für einen ABC-Schützen noch eine Akustikdecke im Klassenzimmer einziehen. Wo das geschieht, nütze es allen Kindern und Lehrern: „Das ist schon eine Erleichterung.“

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