Was ist dieser Tage nicht alles über die angeblich positiven Folgen der Corona-Krise zu lesen. Die Digitalisierung der Arbeitswelt schreite dank Homeoffice und Videokonferenzen voran, der Onlinehandel sei im Aufwind und an den Supermarktkassen setze sich endlich auch in Deutschland das bargeldlose Bezahlen durch. Aus Angst vor Ansteckungen würden die Kunden nun lieber zur Kredit- oder EC-Karte greifen statt zu Scheinen und Münzen.
Valentin Stalf, Gründer der Online-Bank N26, jubelte in einem Zeitungsinterview: „Wir sehen jetzt einen radikalen Wechsel – weg vom Bargeld, hin zum kontaktlosen Bezahlen. Für mich war ohnehin nie nachvollziehbar, warum Menschen noch immer mit Bargeld zahlen. Doch der plötzliche Bruch durch die Krise hat mich selbst überrascht.“
Er sei sich sicher: „Die Menschen werden auch nach der Krise nicht zum Bargeld zurückkehren, und das fördern wir aktiv.“
Kontaktlos geht nur bis 25 Euro
Tatsächlich fordern Discounter und Supermärkte ihre Kunden nun dazu auf, möglichst mit Karte zu bezahlen. Komplett kontaktlos funktioniert das aber nur bei Summen bis zu 25 Euro. Bei höheren Beträgen ist die Eingabe einer Geheimzahl notwendig.
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Der Bankenverband Deutsche Kreditwirtschaft will diese Grenze auf 50 Euro erhöhen. Allerdings müssten Karteninhaber dann spätestens nach fünf Transaktionen oder nach einer Gesamtsumme von 150 Euro wieder die Geheimzahl eingeben.
Wer wirklich kontaktlos zahlen will, sollte daher auf sein Handy setzen. Dienste wie „Apple Pay“, die digitale Girocard aber auch Kreditkarten lassen sich im Smartphone nutzen. Beim Bezahlen gibt der Kunde jede Bezahlung ab dem ersten Cent mit der gewohnten Entsperrfunktion seines Smartphones, zum Beispiel Fingerabdruck, an der Kasse frei.
Wie viele wirklich mit Karte zahlen, bleibt geheim
Eine BNN-Umfrage unter großen Lebensmitteleinzelhändlern bestätigt, dass der Anteil der Kartenzahlungen zuletzt gestiegen ist. Doch wie sehr, das verrät keines der befragten Unternehmen.
Die Discounter-Kette Lidl antwortete: „Wir bitten unsere Kunden, in der aktuellen Situation bevorzugt bargeldlos mit Karte zu bezahlen. Diesem Hinweis folgen auch immer mehr Kunden, sodass der Anteil von bargeldlosen Zahlungen in den letzten Wochen leicht gestiegen ist.“
Der Konkurrent Aldi Süd macht nur Angaben zu einem Teil der Kartenzahlungen, nämlich den kontaktlosen. „Die Kunden zeigen sich bereit dazu, sodass mittlerweile rund die Hälfte aller Kartenzahlungen bereits kontaktlos erfolgen – Tendenz steigend“, teilte das Unternehmen mit. „Grundsätzlich bieten wir unseren Kunden das gesamte Spektrum an Bezahloptionen an. Aber die kontaktlose Kartenzahlung hat sich enorm gesteigert. Wir, und vor allem unsere Kassiererinnen und Kassierer, begrüßen das.“
Und von Edeka Südwest heißt es: „In den einzelnen Märkten werden unterschiedliche Vorkehrungen getroffen und kontinuierlich angepasst, um Kunden und Mitarbeiter bestmöglich zu schützen und gleichzeitig die Nahversorgung aufrechtzuerhalten. Ein Beispiel dafür ist, dass wir unsere Kunden aktuell bitten, vornehmlich bargeldlos mit Karte zu bezahlen. Folglich können wir auch einen Anstieg der Nutzung dieser Zahlungsform feststellen.“
Hohe Nachfrage nach Bargeld
Aber läutet das Coronavirus wirklich das Ende des Bargelds ein? Bisher nicht. Es führt eher zum Gegenteil: Die Nachfrage nach Euronoten und -münzen wächst. „Wir merken, dass sich die Filialisten, die noch offen haben, verstärkt mit Bargeld eindecken“, sagt Daniela Bechtold-Schwabe, Chefin der big-Bechtold-Gruppe, die unter anderem Geldtransporte anbietet.
„Das liegt wohl an den deutlichen Umsatzsteigerungen. Die Einzelhändler wollen vermeiden, dass das Wechselgeld knapp wird.“ Auch bei den Banken, deren Geldautomaten die big-Bechtold-Gruppe bestückt, sei die Bargeld-Nachfrage deutlich gestiegen.
Die Pandemie stellt das Dienstleistungsunternehmen vor Herausforderungen. „Wir sichern die Bargeldversorgung in der gesamten Region. Das gelingt uns auch während der Coronavirus-Krise“, so die Firmenchefin. Wichtig sei aber, dass die in diesem Bereich tätigen Mitarbeiter nicht krank werden. „Wir haben die Schutzmaßnahmen erhöht“, sagt Bechtold-Schwabe.