Kinder wünschen sich einen Hund, eine Katze, einen Hamster, einen Wellensittich, ein Kaninchen, eine Schildkröte - und schwören jeden Eid, sich gut um das Tier zu kümmern. Wer's glaubt, muss selber Gassi gehen...
Eltern müssen sich dem Thema stellen. Immer wieder. Ich habe herzzerreißendes Weinen ertragen, redundantem Gebettel widerstanden, glühenden Versprechungen keinen Glauben geschenkt. „Ich würde mich immer um den Hund (Hamster, Wellensittich, Kater...) kümmern“, schworen meine Kinder, so bald sie über die Zwei-Wort-Sätze hinaus waren.
Dass wir (ich!) zu wenig Zeit für ein Tier haben, wurde mein Mantra. Und wenn ich doch der kindlichen Überzeugungskraft zu erliegen drohte, stellte ich mir mich beim Schrubben des Vogelkäfigs vor, sah mich frühmorgens mit den Hund ums Haus streifen oder nahm in Gedanken eine olfaktorische Dosis Katzen-Urin – und war wieder bei meiner Überzeugung: Ich will kein Haustier!
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Kritisch wurde es, als mein Bruder – der Verräter – beim Familienfest seinen niedlichen Welpen präsentierte. Nochmal, als das Meerschwein des besten Freundes Junge hatte, die in liebevolle Hände abzugeben waren. Chancenlos war ich, als beim Ausbuddeln alter Wurzeln in unserem Garten eine Eidechse zur Seite flog, die sich schon auf dem Weg in die Winterstarre befunden hatte. „Du bist schuld, wenn sie erfriert“, packte mich mein Achtjähriger am Gewissen.
Ins Mini-Gewächshaus
Die nun gar nicht mehr schläfrige Eidechse kam in ein mit Erde, Blättern Gras und Steinen liebevoll ausgestattetes Mini-Gewächshaus auf die Fensterbank. Ich kam aus der Tierhandlung nicht mit dem erwarteten Streufutter, sondern einer Plastikbox munterer Heimchen. „Fünf pro Tag – und stellen Sie die Box eine halbe Stunde vorher kalt, dann werden die Viecher starr“, hatte mir der Verkäufer mitgegeben. Dass mein tierlieber Sohn das nicht fertig bringen würde, war sofort klar.
Fünf pro Tag – und stellen Sie die Box eine halbe Stunde vorher kalt, dann werden die Viecher starrGuter Ratschlag in der Tierhandlung
Alarm: Heimchen im Kühlschrank
Fortan platzierte ich täglich die Heimchen zwischen Butter und Joghurts, fischte mit der Pinzette fünf Todgeweihte und warf sie der Eidechse zum Fraß vor. Die hieß inzwischen „Eidi“, war als Weibchen klassifiziert und fühlte sich bei unserem All-inclusive-Service wohl.
Sie schaffte es sogar zu gewissem Ruhm, weil ich von einer Party hektisch zu Hause anrief und bat, die Heimchen aus dem Kühlschrank zu nehmen. Und als wir unsere Eidi im Frühjahr auswildern wollten, blieb sie seelenruhig in ihrem Frühbeet sitzen. Erst beim zweiten Anlauf einen Monat später huschte sie davon.
Eidi lebt weiter
Aber nicht für immer: Alle Eidechsen unseres Gartens sind Eidis Nachkommen. Davon ist nicht nur mein jetzt erwachsener Sohn überzeugt.