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Wirbel um Magazin-Artikel

KIT: sieben Gebäude mit PCB belastet

Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gibt es erneut Ärger wegen der Belastung mit PCB. Nach der Sperrung von vier Gebäuden auf dem Campus Süd Ende August 2016 sind nach Informationen der Badischen Neuesten Nachrichten aktuell sieben weitere Bauten betroffen.

Am Eingang zum Chemie-Flachbau wird über die PCB-Belastung informiert. „Aus diesem Grund empfehlen wir Schwangeren, die in diesem Gebäude tätig sind, ihren Aufenthalt auf das Nötigste zu beschränken“, heißt es auf einem Aushang.
Am Eingang zum Chemie-Flachbau wird über die PCB-Belastung informiert. „Aus diesem Grund empfehlen wir Schwangeren, die in diesem Gebäude tätig sind, ihren Aufenthalt auf das Nötigste zu beschränken“, heißt es auf einem Aushang. Foto: None

Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gibt es erneut Ärger wegen der Belastung mit PCB. Nach der Sperrung von vier Gebäuden auf dem Campus Süd Ende August 2016 sind nach Informationen der Badischen Neuesten Nachrichten aktuell sieben weitere Bauten betroffen. Bei den belasteten Immobilien handelt es sich unter anderem um den Chemie-Flachbau, den sogenannten Bioturm und das Physik-Hochhaus.

„Bei allen Gebäuden liegen die Messwerte jedoch unterhalb des Interventionswertes gemäß PCB-Richtlinie“, erklärte der zuständige Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg auf Anfrage der BNN. Keiner der Bauten müsse geräumt werden. Beim Chemie-Flachbau, dem Physik-Hochhaus und dem angrenzenden Flachbau sind jedoch „langfristig Grundsanierungen beabsichtigt“, heißt es in der Erklärung weiter.

PCB ist die Abkürzung für Polychlorierte Biphenyle, eine Gruppe chemischer Verbindungen. Sie sind schwer entflammbar und widerstandsfähig. Deswegen wurden PCB bis in die 1980er Jahre vielfältig eingesetzt – etwa als Weichmacher in Kunststoffen oder als Dichtungsmasse in Gebäuden. Sie können zu Erkrankungen der Atemwege und Funktionsstörungen der Leber führen. Außerdem sind sie wahrscheinlich krebserregend.

In Deutschland wurde die Verwendung 1989 bis auf wenige Ausnahmen verboten. Die Biphenyle sind jedoch äußerst langlebig und können noch Jahrzehnte später nachgewiesen werden. Ein besonderes Augenmerk liegt auf der speziellen Verbindung PCB-118, die als dioxinähnlich gilt.

Magazin-Artikel über PCB sorgt für Ärger am KIT

Unterdessen sorgt ein Aufmacher-Artikel im Fachmagazin Laborjournal für Aufsehen unter den Mitarbeitern in den mit PCB belasteten Gebäuden. So wird darin behauptet, dass das KIT keine Verantwortung für schwangere Studentinnen übernehmen wolle. Diese müssten selbst abwägen, welche Nachteile sie in Kauf nähmen: „eine Gesundheitsgefährdung für ihr Kind oder eine Verzögerung als beruflichen Karrierenachteil“ .

Diese Darstellung weist die Universität auf BNN-Anfrage jedoch zurück: „Aus Sicht des KIT besteht in den vorliegenden Fällen keinerlei Anlass, vom Besuch von Veranstaltungen oder dem Betreten von Gebäuden abzuraten. Aus diesem Grunde wurde dies auch nicht getan.“ Selbstverständlich stünde es Dozenten offen, im Rahmen ihrer Verantwortung weitergehende Maßnahmen zu ergreifen. „Inwiefern dies erfolgt ist, entzieht sich unserer Kenntnis“, heißt es weiter.

Besuch am KIT

Am Eingang zum Chemie-Flachbau auf dem Campus Süd des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) hängt gut sichtbar ein Ausdruck der Stabsstelle Sicherheit und Umwelt. Er weist auf die Belastung des Gebäudes mit PCB (siehe Stichwort) und die ergriffenen Maßnahmen hin.

Eine längere Passage ist werdenden Müttern gewidmet. „Aus diesem Grund empfehlen wir Schwangeren, die in diesem Gebäude tätig sind, ihren Aufenthalt auf das Nötigste zu beschränken“, heißt es dort. Zudem sollten sich werdende Mütter unverzüglich mit den zuständigen Stellen in Verbindung setzen.

Artikel im Laborjournal

Auch die aktuelle Ausgabe von „Laborjournal. Magazin für Medizin- und Biowissenschaften“ beschäftigt sich mit dieser Problematik. Das Titelbild zeigt eine Person mit gelbem Chemikalienschutzanzug und Atemschutzmaske, die dem Leser warnend die Hände entgegenstreckt.

Im Hintergrund ist ein Verbotsschild mit dem Piktogramm einer schwangeren Frau zu sehen. Im dazugehörigen Artikel heißt es, die Gebäude 30.41 (Chemie-Flachbau), 30.43 („Bioturm“) und ein „zentraler Physikbau“ seien mit PCB belastet, und dieser Umstand wirke sich negativ auf das Arbeitsklima aus.

Sieben Bauten am KIT aktuell mit PCB belastet

Nach Recherchen der BNN sind sogar sieben Bauten aktuell mit PCB belastet. So sind bei der Physik sowohl der Flachbau (30.22) als auch das Hochhaus (30.23) betroffen. Zudem sind der Chemie-Turm II (30.44) – Nachbar des „Bioturms“ –, das Kollegiengebäude Maschinenbau II (10.23) und das Kollegiengebäude III der Bauingenieure (50.31) belastet.

„In keinem der Fälle liegt eine Gesundheitsgefährdung von Personen, die sich in den Gebäuden aufhalten, vor“, teilt das KIT mit. Das Vorgehen sei mit dem Karlsruher Gesundheitsamt, das für die Studierenden verantwortlich ist, abgesprochen.

Grundsanierungen von mehreren Gebäuden

Der für die landeseigenen Gebäude zuständige Landesbetrieb Vermögen und Bau Baden-Württemberg teilt die Ansicht des KIT. Bei den Gebäuden 30.22, 30.23 und 30.41 sind jedoch Grundsanierungen beabsichtigt, wie es auf Anfrage heißt. Der Nusselt-Hörsaal werde „in den kommenden zwei Jahren abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt“. Für die anderen Gebäude gebe es noch keine Sanierungsplanungen.

In dem Artikel des Laborjournals wird indessen behauptet, dass Lehrveranstaltungen mit dem Hinweis angekündigt würden, „dass aufgrund der unklaren PCB-Belastung Schwangeren vom Besuch abgeraten wird“. Das weist die Universität auf Anfrage schriftlich zurück: „Aus Sicht des KIT besteht in den vorliegenden Fällen keinerlei Anlass, vom Besuch von Veranstaltungen oder dem Betreten von Gebäuden abzuraten. Aus diesem Grunde wurde dies auch nicht getan.“ Selbstverständlich stünde es Dozenten offen, im Rahmen ihrer Verantwortung weitergehende Maßnahmen zu ergreifen. „Inwiefern dies erfolgt ist, entzieht sich unserer Kenntnis“, heißt es weiter.

In Bezug auf werdende Mütter unter den Mitarbeiterinnen erklärt der Personalrat des KIT hingegen: „Unabhängig von einer konkreten PCB-Belastung in den jeweiligen Arbeitsräumen wurden die Schwangeren in anderen Gebäuden untergebracht.“

Auch taucht an einigen Stellen im Artikel der Vorwurf auf, dass Maßnahmen von offizieller Seite erst auf Druck der Belegschaft ergriffen worden seien. Bereits 2016 hatte es Kritik an der Informationspolitik des KIT in Bezug auf die PCB-Belastung gegeben: Damals wurden die vier Kollegiengebäude Ende August kurzfristig geräumt.

Das Physik-Hochhaus auf dem KIT-Campus ist auch mit PCB belastet.
Das Physik-Hochhaus auf dem KIT-Campus ist auch mit PCB belastet. Foto: Sandmann

KIT-Personalrat ist zufrieden Informationspolitik

Hinsichtlich der jetzt öffentlich gewordenen Problematik teilt der Personalrat hingegen mit: „Aufgrund der PCB-Belastungen der Kollegiengebäude am Schloss wurde am KIT unter der Leitung des damaligen Vizepräsidenten eine PCB-Task-Force eingerichtet, an der der Personalrat regelmäßig teilnimmt. Dadurch waren wir bereits im Frühjahr 2018 darüber informiert, dass Messungen stattfinden werden.“ Die Befunde seien bei einer Sonderveranstaltung Mitte Dezember 2018 kommuniziert worden. „Die Informationspolitik des KIT gegenüber den betroffenen Beschäftigten hat gut funktioniert“, heißt es in der Erklärung weiter.

Allerdings erklärt der Personalrat auch: „Wegen des Wechsels des zuständigen Vizepräsidenten kam es bei der Überprüfung weiterer Gebäude zunächst zu Verzögerungen. Wir gehen aber davon aus, dass der Umgang mit dieser Problematik ähnlich konstruktiv weitergeht wie bisher.“ Der ehemalige Vizepräsident für Wirtschaft und Finanzen, Ulrich Breuer, musste das KIT Ende 2017 verlassen. Sein Nachfolger ist seit August 2018 Michael Ganß.

Hohe Werte bei PCB-118

Eine Konzentration von unter 300 Nanogramm PCB pro Kubikmeter Raumluft gilt laut dem baden-württembergischen Umweltministerium als „gesundheitlich unbedenklich“. Bei einer Konzentration von über 3.000 Nanogramm – dem Interventionswert – sollten hingegen unverzüglich Kontrollanalysen durchgeführt werden. Zudem müssten die belasteten Räume regelmäßig gelüftet und geputzt werden, da PCB sich vor allem an Staub anheften. Diese Maßnahmen werden laut Gesundheitsamt in den belasteten Gebäuden des KIT bereits ergriffen.

Anders verhält es sich bei der speziellen Verbindung PCB-118. Hier liegt der Interventionswert bei zehn Nanogramm pro Kubikmeter Raumluft. In dem Magazin-Artikel wird angemahnt, dass bei einer Messung im Spätsommer 2018 – wohl im Chemie-Flachbau – der PCB-118-Interventionswert „in sämtlichen vermessenen Räumen“ überschritten worden sei.

Ergebnisse der PCB-Messungen hängen gut sichtbar aus

Die Ergebnisse der verschiedenen Messreihen hängen gut sichtbar am Eingang zum Gebäude 30.41 aus. Von elf Räumen, in denen für den 30. August 2018 Messwerte angegeben sind, wurde der Interventionswert für PCB-118 nur in zweien nicht überschritten. In den Zimmern R 101 und R 102 betrug die Konzentration von PCB in der Raumluft das Vierfache des Interventionswerts.

Was die Messungen betrifft, mahnt Peter Friebel, Leiter des Gesundheitsamtes Karlsruhe, zur Sachlichkeit: „Wir haben noch keine abschließende Bewertung.“ Um das Ausmaß der Belastung abschließend bewerten zu können, bedürfe es eines aus vier Messungen bestehenden Jahresmittelwertes. Dieser liege noch nicht vor. „Die PCB-Werte in den Kollegiengebäuden waren erheblich höher“, beschwichtigt Friebel.

Großer Imageverlust für das KIT

Abseits der harten Fakten dürfte der Imageverlust für das KIT durch die Titelgeschichte im Laborjournal innerhalb der Wissenschaft jedoch groß sein. Das Magazin hatte nach eigenen Angaben im 2. Quartal 2018 eine Druckauflage von fast 26.000 Exemplaren. Leser des Journals seien unter anderem Institutsleiter, Oberärzte und Biowissenschaftler. Für gute Laune bei der Jahresfeier des KIT am Donnerstagabend in der Karlsruher Gartenhalle wird der Artikel jedenfalls nicht gesorgt haben.

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