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Bürgermeister zieht Bilanz

Kitas, Hartz 4 und Obdachlose: Karlsruher Bürgermeister spricht über die Corona-Folgen für Karlsruhe

Eine gute Sozialpolitik ist krisensicher. Zu diesem Urteil kommt Martin Lenz. Der Sozialdemokrat ist in Karlsruhe als Bürgermeister unter anderem für Soziales, Kitas, Schulen und den Sport zuständig. Auch die Bäder fallen in seinen Bereich.

Martin Lenz
Stark gefragt in der Krise: Bürgermeister Martin Lenz (SPD) ist unter anderem für Soziales, Kindergärten, Schulen, Sport sowie die Sportvereine zuständig. Foto: jodo

Soziales, Kitas und Schulen, aber auch Sport und Bäder: Der Karlsruher Bürgermeister Martin Lenz (SPD) war und ist in der Corona-Krise zusammen mit seinen Teams extrem gefordert. Unser Redaktionsmitglied Tina Kampf sprach mit ihm über die Entwicklungen und den aktuellen Stand.

Die Kitas waren kaum zu, da kündigten Sie an: Die Stadt erstattet den Eltern die Kita-Gebühren. Würden Sie im Nachhinein dieses frühe Bekenntnis wiederholen?

Martin Lenz: Sie nennen das ein Bekenntnis. Für uns war diese Aussage eine unserer Leitplanken des sofortigen entschiedenen Handelns. Für uns kam ein familienpolitischer Lockdown nicht in Frage.

Was waren denn die weiteren Leitplanken?

Lenz: Dass jeder Hilfe bekommt, der Hilfe benötigt. Trotz des Lockdowns waren beispielsweise im Rathaus West und im Jobcenter immer persönliche Vorsprachen möglich. Eine weitere Leitplanke ist, die Existenzsicherung zu gewährleisten. Es sollte wegen der Corona-Krise auch grundsätzlich niemand seine Wohnung verlieren.

Ist das gelungen oder sind die Wohnungslosenzahlen gestiegen?

Lenz: Bislang sind die Wohnungslosenzahlen nicht gestiegen. Mein Dank geht da nicht nur an das Netzwerk Karlsruher Wohnungslosenhilfe, sondern auch an die Eigentümer, die uns weiterhin Wohnungen zur Verfügung stellen.

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Steigen aktuell die Ausgaben für die Wohnungslosenhilfe?

Lenz: Danach sieht es momentan nicht aus. Wir setzen in Karlsruhe nicht auf Sammelunterkünfte und bieten in Übergangswohnheimen grundsätzlich Einzelzimmer an. Dazu entschieden wir uns schon vor Jahren aus Gründen der Menschenwürde. In der Corona-Krise bedeutete dies faktisch auch Infektionsschutz. Während andere Städte also jetzt Sammelunterkünfte auflösen und kurzfristig Hotels anmieten mussten, funktionierten bei uns bestehende Strukturen.

Kurzarbeit und Kündigungsfristen verhindern kurzfristig größere Anstiege bei der Arbeitslosigkeit. Aber wie entwickelt sich die Zahl der Hartz-IV-Empfänger?

Lenz: Da sehen wir eine Zunahme, wobei der Anstieg nicht so groß ist wie zunächst befürchtet. Zu den 9.100 Haushalten, die schon vor Corona Hartz IV bezogen, kamen im Zuge der Krise 400 neu hinzu.

Unser Instrumentenkoffer der Hilfen ist gefüllt.

Muss die Stadt darauf mit neuen Konzepten reagieren?

Lenz: Ob Qualifizierung oder Eingliederungsmaßnahme: Unser Instrumentenkoffer der Hilfen ist gefüllt. Ich denke nicht, dass wir jetzt nachjustieren müssen. Im Gegenteil: Der vom Bund endlich eingeführte soziale Arbeitsmarkt ist in Karlsruhe schon seit 2013 Realität. Er wird nun gefordert sein. Hinzu kommt, dass viele, die im Zuge des Lockdowns ihre Einkommen verloren und für sie völlig überraschend in Hartz IV rutschten, nach den Lockerungen wieder Geld verdienen können und so nicht mehr auf diese staatliche Unterstützung angewiesen sind.

Im Zuge der Corona-Krise wird viel über Geld gesprochen. Ist Soziales jetzt mehr als vorher ein Kostenfaktor?

Lenz: Ich stelle sachlich fest, dass der Prognose zufolge das Defizit beim Sozialen im Vergleich mit der geringste Faktor ist. Das zeigt, dass eine gute Sozialpolitik krisensicher ist und einen wichtigen Beitrag zur Aufrechterhaltung des sozialen Friedens in unserer Stadt leistet.

Mit welchen Zahlen rechnen Sie in Ihrem Bereich?

Lenz: Unser Gesamtetat – der neben Soziales auch die Schulen, Sport und Bäder umfasst –beträgt rund eine halbe Milliarde Euro. Ich gehe da von einer Steigerung deutlich unter drei Prozent aus.

Wie zufrieden sind Sie mit der bisher geleisteten Unterstützung aus Stuttgart und Berlin?

Lenz: Dass aus Stuttgart 6,4 Millionen Euro für die Bereiche Soziales und Schulen geflossen sind, finde ich sehr beachtlich. Und dass der Bund für 2021 und 2022 jeweils eine Million Euro für die Sprachförderung an Kitas bereitstellt, hilft uns beim nun angesagten Sparhaushalt weiter.

In welcher Höhe erstattet denn die Stadt jetzt die Kita-Beiträge?

Lenz: Der Gemeinderat ist unserer Empfehlung gefolgt, dass wir auf Basis der städtischen Beiträge erstatten. Andernfalls hätte die Stadt für die zwölf Wochen 500.000 Euro mehr an freiwilligen Leistungen aufbringen müssen. Wenn ein freier Träger nun in diesem Zug existenzielle Probleme bekommt, kann er auf uns zukommen.

Verstehen Sie, dass einige Eltern unzufrieden sind?

Lenz: Ja, das verstehe ich. Es stimmt, dass nicht jeder frei eine Kita wählen und sich somit für eine günstigere Option entscheiden kann.

Was das Schul- und Sportamt und die Schulen vom ersten Tag an leisteten und bis heute leisten, ringt mir großen Respekt ab.

Die Schulen sind vom Regelbetrieb noch entfernt. Wie läuft es dort?

Lenz: Hier bleibt es weiter anstrengend und herausfordernd. Was das Schul- und Sportamt und die Schulen vom ersten Tag an leisteten und bis heute leisten, ringt mir großen Respekt ab. Es dürfen inzwischen mehr Kinder in die Notbetreuung, gleichzeitig kehren mehr Schüler in die Klassenräume zurück. Das macht alles für alle komplexer. Es ist eine Tüftelei unter sich ständig veränderten Vorgaben. Das gilt ebenso für den Kitabereich. Aber das Zusammenspiel zwischen freien Trägern und der Stadt hat den Stresstest bestanden.

Auch die Bäder fallen in Ihre Zuständigkeit. Wann können sie in Karlsruhe wieder öffnen?

Lenz: Unser Bäderteam steht Gewehr bei Fuß, die Freibäder an den Start zu bringen. Im Sonnenbad dürfen seit vergangener Woche Leistungssportler schwimmen. Damit haben wir Baden-Württemberg gezeigt, wie der öffentliche Bäderbetrieb ab den Pfingstferien vonstattengehen könnte.

Wie sieht es aus bei Sportvereinen, zu denen Sie als Sportbürgermeister und als Präsident des Badischen Sportbundes eine besondere Beziehung haben?

Lenz: Hier haben wir wie in vielen anderen Bereichen auch sofort die den Vereinen gemäß unserer Förderrichtlinie zustehenden Zuschüsse ausbezahlt. Und ich habe eine gute Nachricht: Auf Landesebene ist Mitte Juni mit einer analogen Vorgehensweise zu rechnen. Dies bedeutet zum Beispiel, dass ein Verein mit 50 Übungsleiterinnen und -leitern eine fünfstellige Summe erwarten kann. Darüber hinaus ist es uns gelungen, landesweit ein Soforthilfeprogramm für Sportvereine und Sportverbände auf den Weg zu bringen. Hierfür stehen über zehn Millionen Euro zur Verfügung. Ich gehe allerdings davon aus, dass die Karlsruher Vereine darauf kaum zurückgreifen müssen, da die Sportförderung der Stadt auskömmlich ist.

Haben Sie in den für die Verwaltung wie die Kommunalpolitik stressigen Corona-Zeiten selbst noch Zeit für Sport?

Lenz: Die habe ich. Joggen und Grillen sind meine Hauptdisziplinen.

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