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Warum Corona für das Wandern ein Turbo-Effekt war

Was Wanderer wünschen, weiß Klaus Erber vom Deutschen Wanderinstitut. Im BNN-Interview spricht er über den Wanderboom durch Corona, das Geheimnis der Premiumwege und das Problem mit den Wander-Apps.
4 Minuten
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Jeder zweite Deutsche wandert mehr oder weniger regelmäßig. Was sie in die Natur zieht, kann das Deutsche Wanderinstitut ziemlich exakt erklären.

Der 2004 in Marburg an der Lahn gegründete Verein hat mit dem Premiumsiegel einen Qualitäts-Check für Wanderwege eingeführt und hatte damit einen enormen Erfolg, wie Institutsleiter Klaus Erber im BNN-Interview berichtet.

Zumal im Gegensatz zum Schwarzwald viele andere Wanderregionen in Deutschland völlig unbekannt waren. Etwa im Saarland. „Als wir dort die ersten Wege zertifiziert hatten, stiegen die Übernachtungszahlen rasant an.“

 
Das Foto von Rolf Ruppenthal stammt vom  19. August 2013 und zeigt den Leiter des Deutschen Wanderinstituts, Klaus Erber.
Der Mann, der weiß, was Wanderer wollen: Klaus Erber leitet das Deutsche Wanderinstitut und hat schon mehr als 700 Premiumwege zertifiziert. Foto: Rolf Ruppenthal

Auch im Nordschwarzwald wurden eigens neue Routen aus der Taufe gehoben, um mit dem Premium-Siegel aus Marburg neue Kundschaft anzulocken.

Beispielsweise die 110 Kilometer lange Murgleiter www.murgleiter.de von Gaggenau auf den Schliffkopf, die in diesem Jahr auf einem der ersten Plätze bei der Wahl zu „Deutschlands schönstem Wanderweg“ gelandet ist.

Höhepunkt am laufenden Band: Der verbesserte Baden-Badener Panoramaweg führt unter anderem an den Battert-Felsen, an der Stiftskirche, am Kurhaus, an der Marienkapelle und an den Geroldsauer Wasserfällen vorbei.
Höhepunkt am laufenden Band: Der verbesserte Baden-Badener Panoramaweg führt unter anderem an den Battert-Felsen, an der Stiftskirche, am Kurhaus, an der Marienkapelle und an den Geroldsauer Wasserfällen vorbei. Foto: Kamleitner

Weitere Premiumwege in der Region sind der Panoramaweg Baden-Baden (40 Kilometer), die Gernsbacher Runde (42,7 Kilometer) und der Ebersteinburg-Rundweg (11 Kilometer).

Ein Paar genießt auf den Battertfelsen, die am Panoramaweg liegen, die Sicht auf Baden-Baden bis ins Rheintal hinein.
Traumhafter Ausblick: Ein Paar genießt auf den Battertfelsen die Sicht auf Baden-Baden bis ins Rheintal hinein. Der prämierte Panoramaweg zeichnet sich dadurch aus, dass er vielfältige Perspektiven auf die Stadt bietet. Foto: Natalie Dautel

Hat der Wanderboom durch die Pandemie einen neuen Schub erhalten?
Klaus Erber

Ja, das war ein richtiger Turbo-Effekt. Es war deutlich zu spüren, dass mit der Pandemie immer mehr Leute ihre Freizeit vor der eigenen Haustüre verbracht haben. Auf unseren Premiumwegen hatten wir ein ganz deutliches Plus. Für den Augenblick auch manchmal zu viel, wie wilde Müllablagerungen gezeigt haben. Das hat sich mittlerweile wieder reguliert.

Wie erklären Sie sich diesen Trend zurück zur Natur?
Klaus Erber

Schon vor Corona haben wir durch unsere Befragungen festgestellt, dass der Hauptgrund für den Wanderboom das Naturerlebnis ist. Was in den letzten Jahren deutlich zugenommen hat, ist der Wunsch, eine Region zu erleben. Bei Corona hatten wir jetzt sehr viele Ersttäter.

Wie viele dieser Ersttäter werden dauerhaft beim Wandern in Deutschland bleiben?
Klaus Erber

Gerade Familien mit kleineren Kindern haben schon seit längerer Zeit gemerkt, dass sie für einen schönen Urlaub nicht auf die Kanaren fliegen müssen. Ich schätze mal, dass sich die Hälfte wieder umorientieren wird, wenn Flugreisen so ohne weiteres wieder möglich sind.

Ihr Wanderinstitut will neue Wanderparadiese erschaffen. Warum muss der Mensch da überhaupt eingreifen?
Klaus Erber

Wir haben es ja mit Urängsten zu tun. Der Wald steckt voller Gefahren. Dass Grundbedürfnis ist, dass man sicher wieder hinten rauskommt. Der Weg muss also unverlaufbar markiert sein.

Das ist die Sicherheit, aber Sie setzen ja auch auf Premium…
Klaus Erber

…das Premium-Wanderlebnis setzt auch voraus, dass man möglichst wenig über unangenehme Böden wie Asphalt oder Beton läuft. Und dann setzt sich das Wanderlebnis vor allem aus Abwechslung zusammen. Immer wenn sich etwas ändert, ist das spannend. Der schönste Wald ist langweilig, wenn ich fünf Stunden nur durch den schönsten Wald laufe. Wenn aber mal zwischendurch ein Brunnen oder eine schöne Aussicht oder eine Waldwiese kommt, dann ist das ein tolles Angebot. Wenn der Weg eine gewisse Dramaturgie hat, dann kann ich damit Wanderer anlocken.

Und Sie sind sozusagen der TÜV für die schönste Wander-Dramaturgie?
Klaus Erber

Genau. Mit unserem Zertifkat, das 230 Einzelmerkmale beinhaltet, kann ich exakt abbilden, was auf einem Weg passiert. Da geht es um die Dramaturgie und das Gesamterlebnis. Das kann ich in einer Tabelle darstellen und dem Betreiber Verbesserungsvorschläge machen.

Wie wichtig ist die Verpflegung für das Wandererlebnis?
Klaus Erber

Die Einkehr ist ganz wichtig. Das hat sich gegenüber früher geändert, wo es dem sportlichen Wanderer nur um möglichst viele Streckenkilometer ging. In der Pandemie war kurzzeitig das Rucksackvesper gefragt, doch nach dem Lockdown im vergangenen Jahr haben die Betriebe an den Wegen kräftig aufgeholt. Im Herbst haben die meisten Gaststätten mit Außengastronomie erklärt, dass sie mehr Umsatz als im Vorjahr gemacht haben.

Wie viele Premiumwege haben Sie bereits zertifiziert?
Klaus Erber

Im Moment sind es über 700.

Viele davon sind ja komplett neu konzipiert worden. Gibt es ein Ranking der erfolgreichsten Premium-Wege?
Klaus Erber

Nein, es gibt keinen Weg, der nicht erfolgreich gewesen wäre. Manchmal hat es drei, vier Jahre gedauert. Das Saarland hat sich durch die Premiumwege touristisch neu erfunden. Der Schwarzwald dagegen hatte schon ein einzigartiges Wandersystem. Allerdings können die meisten Gäste heute keine Karte mehr lesen. Und genau diese Kundschaft braucht ein einfaches Produkt wie einen Premiumweg. Deshalb haben wir auch aus dem Schwarzwald zahlreiche Aufträge bekommen.

Viele Wanderer laufen nur noch mit Apps in der Gegend herum. Wie beurteilen Sie diese digitale Entwicklung?
Klaus Erber

Diese Apps wie Komoot oder Outdoor-Active sind von der Qualität her super. Sie haben aber ein wesentliches Problem, weil jeder aus der Community dort seine Tour einstellen kann, auch wenn sie durch schützenswerte Gebiete läuft. Aus Sicht des Naturschutzes ist das fatal. Wenn wir zertifizierte und markierte Wege anbieten, dann sind die mit dem Naturschutz abgestimmt.

Boomt neben dem Wandern auch das mehrtägige Trekking mit Rucksack?
Klaus Erber

Ganz eindeutig hat auch das zugenommen. Es gibt ja auch immer mehr Übernachtungsangebote wie im Nordschwarzwald oder der Pfalz. Auch der Nationalpark Hunsrück-Hochwald hat Trekkingplätze am Saar-Hunsrück-Steig ausgewiesen, die immer ganz schnell ausgebucht sind. Gegenüber Skandinavien liegen wir mit unseren Angeboten aber noch weit zurück.

Was empfehlen Sie ganz konkret Stadtmenschen, die wieder mehr Kontakt mit der Natur aufnehmen wollen?
Klaus Erber

Wandern. Wie hat Ihr Ministerpräsident mal so schön gesagt: Wandern ist die Möglichkeit, mit einer menschengerechten Geschwindigkeit Natur zu erleben. Und zwar mit allen Sinnen.

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