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Nachhaltige IT

Experte Sven Plöger: Auch Streaming und E-Mails schaden dem Klima

Nicht nur Kohlekraftwerke und Dieselautos sind klimaschädlich. Der Anteil des Internets am weltweiten CO2-Ausstoß wächst.

Sven Plöger hält in Karlsruhe einen Vortrag.
Aufrüttelnde Botschaften: Klima-Experte Sven Plöger sprach den Gästen des Karlsruher CDR-Summit ins Gewissen. Foto: Jörg Donecker

Der Name der Veranstaltung klingt abstrakt, doch der Auftakt des ersten hybriden „CDR-Summit“ in Karlsruhe in dieser Woche hallt nach. „Wir werden das 1,5 Grad-Ziel nicht schaffen“, lautet die Aussage des Klima-Experten Sven Plöger bei dem Treffen zur „Corporate Digital Responsibility“ im ZKM. Die englischen Begriffe kennzeichnen die freiwillige Selbstverpflichtung von Unternehmen zum nachhaltigen digitalen Wirtschaften. Der Vortrag des Diplom-Meteorologen, bekannt aus den ARD-Wettervorhersagen, führt dem Fachpublikum die Dringlichkeit des Vorhabens vor Augen.

Erwärmung womöglich schon bald über 1,5 Grad

„Wir müssen sehen, dass die globale Erwärmung heute schon 1,2 Grad ausmacht“, so Plöger. „Wir müssen hören, dass die Weltmeteorologie-Organisation erwartet, dass wir das 1,5 Grad-Ziel wahrscheinlich 2026 reißen werden. Wenn die Emissionen immer noch steigen, ist das wahrscheinlich. Ich kann nicht erwarten, dass es kühler wird, wenn ich die Heizung aufdrehe.“

Auch Karlsruhes Oberbürgermeister Frank Mentrup, zugeschaltet vom Deutschen Städtetag in Chemnitz, warnt: „Wir müssen aufpassen, dass die Ziele des Pariser Abkommens nicht zur Farce geraten.“ Karlsruhe sieht er ebenso wie der Veranstalter des Fachtreffens, Christoph Hinte, als idealen Ort, um darüber nachzudenken. „Die Verbindung von Digitalem, Innovation und Nachhaltigkeit ist Teil unserer DNA“, so Mentrup.

Mehr CO2-Ausstoß als der Flugverkehr

Doch das Digitale ist auch Teil des Problems. Das Internet sorge mittlerweile für Emissionen „weit oberhalb von denen der Fliegerei“, sagt Plöger. Die IT sei ein Hintergrundhilfsmittel, „da machen sich die wenigsten Gedanken“. Das Thema kommt jetzt erst auf, die Branche hat riesige Wachstumsraten und wird immer mehr zu einer großen Stellschraube. Richard Einstmann, Chef des Karlsruher IT-Hauses Bechtle, schätzt, dass der Anteil der IT bei den CO2-Emissionen bis 2030 auf acht Prozent steigt.

Die Energiekrise katapultiert das Thema jetzt in den Vordergrund. „Treiber sind die Strompreise, sie sind um den Faktor sieben höher“, sagt Einstmann. „Jetzt kommen Kosten in Millionenhöhe hinzu, denn ein Rechenzentrum zu betreiben ist sehr energieintensiv.“ Einstmann sieht jetzt etwa ein gestiegenes Bewusstsein für den Verbrauch von Prozessoren. „Wir müssen über andere Serversysteme nachdenken.“

Ganz vorne beim Stromverbrauch: das Streamen. „Lineares Fernsehen ist deutlich umweltfreundlicher“, meint Sven Plöger. 80 Prozent der Internet-Emissionen kämen durch das Streamen zustande. Auch bei den Geräten selbst könne man Strom sparen. „Wir sind da in der Entwicklung noch hinterher, wenn man sieht, wie viele alte PCs noch im Einsatz sind.“ Gut zu wissen: Ein normaler PC verbrauche viermal so viel Strom wie ein Laptop, so die Experten.

Auch alte E-Mails und Fotos treiben Stromverbrauch hoch

Vielen ist in der Anwendung nicht bewusst, dass auch die Fülle an alten E-Mails oder Fotos aus der Cloud den Stromverbrauch in den Rechenzentren beim Lagern und Abrufen nach oben treibt. Einfach mal das Postfach und die Fotos entmüllen, rät Moderatorin Denise Wenzel. Und Einstmann erinnert sich an die Vorteile der guten alten Fotofilme: Da ging man sparsam mit dem Material um, während es heute immer gleich zehn Aufnahmen desselben Motivs sein müssen.

„Der Schlüssel ist der Preis“, sagt Plöger. Wenn etwas billig sei, werde nicht mehr über die Folgen nachgedacht. Aber nicht nur deshalb sieht er ein wachsendes Bewusstsein in Unternehmen. Gerade beim Mittelstand spüre er das Gefühl von Verantwortung, die Welt „enkelfähig“ zu hinterlassen.

„Wir leben immer noch in einer Welt des schneller, weiter, mehr. Ich würde mich sehr über eine Entschleunigung freuen, die auch ein gesellschaftliches Maß wird“, sagt Plöger zum Abschluss im BNN-Gespräch. Kluge IT oder künstliche Intelligenz könne auch dabei helfen, Einsparpotenziale zu definieren. Allerdings müsse man auch fragen, ob jede App, jede digitale Anwendung nötig sei. „Manchmal ist weniger mehr.“

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