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Keine Freifahrten für Schüler

Kostenfreier Nahverkehr und 365-Euro-Ticket sind in Karlsruhe zunächst vom Tisch

Anders als beispielsweise die Stadt Tallin setzt Karlsruhe erst einmal nicht auf Freifahrten in Bussen und Bahnen. Der Gemeinderat gibt weder grünes Licht für einen komplett kostenfreien ÖPNV noch für ein 365-Euro-Jahresticket. Ende des Jahres wird aber nochmals diskutiert.

Kostenloser ÖPNV
Unterwegs mit öffentlichen Verkehrsmitteln: Das Land möchte in den nächsten Jahren die Fahrgastzahlen deutlich steigern. Auch Karlsruhe nimmt sich das vor, setzt aber derzeit nicht auf Freifahrten. Foto: Jörg Donecker

Die Karlsruher müssen weiter für ihre Bus- und Bahnfahrt zahlen. Der Gemeinderat hat am Dienstag weder grünes Licht für Freifahrten für Schüler noch für eine zuletzt ebenfalls diskutierte 365-Euro-Jahreskarte gegeben.

Komplett vom Tisch ist das Thema jedoch nicht: Es soll Ende des Jahres bei der Haushaltsberatung erneut diskutiert werden. Dabei deutet sich jedoch bereits an: Es wird nicht nur um Ticketpreise gehen.

Oberbürgermeister Frank Mentrup verwies auf andere Städte, in denen der kostenlos angebotene ÖPNV allein nicht zu einem deutlichen Anstieg der Fahrgastzahlen geführt habe. Vielmehr gehe es um die Attraktivität des Angebots insgesamt.

Die Ticketpreise sind wichtig. Aber Pünktlichkeit ist wichtiger.
Karl-Heinz Jooß (FDP)

Ein Punkt, den auch Sibel Uysal (SPD) aufgriff: „Wir brauchen ein schlüssiges Gesamtkonzept“, so die Stadträtin. Sie führte beispielsweise die Taktung, Verlässlichkeit und Sicherheit an. Karl-Heinz Jooß von der FDP erklärte: „Die Ticketpreise sind wichtig. Aber Pünktlichkeit ist wichtiger.“

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Beratungsfirma mit Analyse beauftragt

Untermauert wird diese Einschätzung durch die Analyse einer Beratungsfirma, die Karlsruhe in der Sache beauftragte. Hintergrund war eine Fülle von Anträgen, die es zuletzt zum kostenfreien oder günstigeren ÖPNV gab.

Es ging darum, mögliche Mehrkosten für die Stadt zu kalkulieren, schließlich müsste sie es ausgleichen, wenn künftig alle oder Teile der Bevölkerung kostenlos Bus und Bahn fahren. Doch das Unternehmen verwies ebenso darauf, dass saubere, pünktliche Busse und Bahnen zentral sind, ebenso das konsequente Ausbauen von Linien und die Verdichtung der Takte.

Karlsruher AfD spricht von Populismus

Für die Gruppierung Für Karlsruhe/Freie Wähler kam diese Erkenntnis überraschend: Die Fraktion hatte noch einen ticketfreien ÖPNV für Schüler beantragt. „Wir dachten, wir machen das so, dann gelingt die Verkehrswende“, so Friedemann Kalmbach.

Über einen – womöglich nur für einige Gruppen – kostenlosen ÖPNV nachzudenken, ist für Oliver Schnell von der AfD „billiger Populismus“. Die Linke dagegen will weiter für die freie Fahrt für Jugendliche kämpfen. Lukas Bimmerle ist überzeugt, dass ein kostenloser Schulweg sozial gerechter ist.

365-Euro-Ticket dürfe nicht an Stadtgrenzen enden

Auch die Fraktion Karlsruher Liste/Die Partei hält an der Unterstützung einiger Gruppen fest. Lüppo Cramer nannte Inhaber des Karlsruher Passes und allgemein arme Menschen. Doch er sagte auch: Tarifstrukturen zu verändern, sei nicht einfach, weil die Stadt Karlsruhe im Aufsichtsrat des Karlsruher Verkehrsverbunds keine Mehrheit hat.

Sven Maier (CDU) betonte die Notwendigkeit, mit der Region zusammenzuarbeiten. Er warnte vor Brüchen der Tarifstruktur an der Stadtgrenze. Ebenso sieht es Aljoscha Löffler von den Grünen. Seine Fraktion sei gegen eine Karlsruher Sonderlösung, die am Stadtrand ende. Ein 365-Euro-Ticket beispielsweise könne nur im Verbund beschlossen werden.

Löffler und OB bringen wieder Citymaut ins Gespräch

Löffler sieht bei der Förderung des ÖPNV ebenso wie OB Mentrup auch Bund und Land in der Pflicht. Die Citymaut brachte er ebenfalls einmal mehr ins Gespräch. Denn Löffler ist sicher: „Alle profitieren, wenn viele Bus oder Bahn fahren.“ Das gelte gleichsam für Autofahrer, wenn es weniger Staus gebe.

Quer durch die politischen Lager wurde in der Debatte auf die Bedeutung der „Home Zone“ verwiesen. Bei diesem Tarifmodell soll künftig jeder einmalig per Smartphone seinen persönlichen Nahverkehrsradius definieren, also etwa den Weg zur Arbeit oder dem oft besuchten Sportverein. In diesem Radius sollen dann in einem festgelegten Zeitrahmen unbegrenzt viele Fahrten möglich sein. Was das kostet und wann es diese Möglichkeit gibt, ist derzeit indessen offen.

Baden-Württemberg will Fahrgastzahlen verdoppeln

Das Land Baden-Württemberg hat zuletzt das Ziel ausgegeben, die Fahrgastzahlen in den nächsten Jahren zu verdoppeln. „2019 sahen wir einen deutlichen Aufschwung“, so Mentrup rückblickend. Dann kam Corona. „Die Zahlen brachen zeitweise um 80 Prozent ein“, berichtete der Oberbürgermeister. Es könne Monate oder gar Jahre dauern, bis sich dies erhole.

Zuletzt hatte Karlsruhe 2019 beim Stadtfest im Oktober und an den vier Samstagen im Advent mit einem kostenlosen ÖPNV experimentiert. Einige werteten dies als Einstieg in den komplett kostenfreien ÖPNV, den es zum Beispiel in der estnischen Hauptstadt Tallin gibt.

Freifahrten für Schüler würden in Karlsruhe über 15 Millionen Euro kosten

Die Verwaltung legte nun dar, dass alleine Freifahrten für Schüler jährlich zu Einnahmeausfällen in Höhe von 4,4 Millionen Euro führen würden. Da zudem Ausgleichsmittel des Landes fließen, käme ein Minus von 10,9 Millionen Euro hinzu, heißt es im Rathaus. Alles in allem koste ein auf Schüler beschränktes Angebot dieser Art also etwa 15,3 Millionen Euro jährlich.

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